UN-Mission im Libanon Netanyahu fordert Abzug "aus der Gefahrenzone"
Nach internationaler Kritik am Beschuss von UN-Soldaten im Libanon wehrt sich Israel: Die Hisbollah missbrauche die Blauhelmmission als Deckung. Premierminister Netanyahu fordert den Abzug der UN-Truppen aus der Kampfzone.
Nach der Verletzung mehrerer UN-Blauhelmsoldaten im Libanon hat der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu UN-Generalsekretär António Guterres zum Handeln aufgefordert. "Herr Generalsekretär, entfernen sie die UNIFIL-Streitkräfte aus der Gefahrenzone", sagte Netanyahu in einem von seinem Büro veröffentlichten Video. "Das sollte jetzt sofort geschehen."
Israel bedauere es, wenn UN-Soldaten verletzt würden. "Es ist an der Zeit, UNIFIL aus den Hisbollah-Hochburgen und Kampfgebieten abzuziehen", sagte der israelische Regierungschef. Er warf Guterres vor, dies zu verweigern und die UNIFIL-Soldaten damit zu "Geiseln der Hisbollah" zu machen.
Gallant: Hisbollah nutzt UN-Mission als Deckung
Zuvor hatte sich der israelische Verteidigungsminister Yoav Gallant zum ersten Mal zu den Vorwürfen geäußert, israelische Truppen hätten Blauhelmsoldaten im Südlibanon beschossen. In einem Telefongespräch mit US-Verteidigungsminister Lloyd Austin sagte Gallant, die Hisbollah kämpfe in der Nähe der Blauhelmstandorte und nütze diese als Deckung für Terroraktivitäten.
Trotz dieser schwierigen Situation werde das israelische Militär weiter versuchen zu verhindern, dass UN-Friedenstruppen verletzt werden. Man gehe den Vorfällen der vergangenen Tage nach, bei den laut UN-Angaben fünf Blauhelme verletzt wurden.
Scharfe Kritik an Israel
Der UN-Mission zufolge wurden am Donnerstag zwei Soldaten verletzt, als israelische Truppen das UN-Hauptquartier in Nakura beschossen. Gestern gab es zunächst in der Nähe eines Beobachtungspostens bei Explosionen zwei weitere Verletzte. Am Abend wurde laut der UN ein Blauhelmsoldat von Schüssen getroffen.
Das israelische Militär stoppte und verhinderte laut UN außerdem am Samstag eine wichtige "UNIFIL-Logistikbewegung" nahe dem libanesischen Grenzort Mais al-Dschabal. Die Lieferung konnte demnach nicht abgeschlossen werden.
Die Vorfälle wurden international scharf verurteilt. 40 an der Mission beteiligte Länder, darunter Deutschland, forderten die Konfliktparteien auf, die Sicherheit der Einsatzkräfte zu jeder Zeit gewährleisten. Das Ziel von UNIFIL sei es, den Südlibanon und den gesamten Nahen Osten zu stabilisieren und Frieden zu bringen. Angesichts der eskalierenden Situation in der Region spiele die Mission eine besonders wichtige Rolle, schreiben die Länder in einer gemeinsamen Mitteilung.
Panzer dringen in Stützpunkt ein
Ein neuer Vorfall könnte die Spannungen verschärfen: Nach Angaben der Vereinten Nationen drangen israelische Panzer außerdem am frühen Sonntagmorgen gewaltsam in einen UNIFIL-Stützpunkt im Südlibanon ein. Zwei Panzer hätten das Haupttor des Postens im libanesischen Ort Ramja unweit der Grenze zu Israel zerstört, erklärte UNIFIL.
Das israelische Militär forderte die UN-Soldaten demnach mehrmals auf, die Beleuchtung des Postens auszuschalten. Nach etwa 45 Minuten seien die Panzer wieder abgefahren - nachdem die UN-Soldaten über Verbindungskanäle zum israelischen Militärführung gegen das Vorgehen protestiert hatten.
Etwa zwei Stunden später sei es an dem gleichen Ort zu einem weiteren Vorfall gekommen. Es seien Schüsse abgefeuert worden und "Rauch" sei ausgetreten, hieß es in der UNIFIL-Erklärung. 15 Mitglieder der Friedenstruppen hätte infolgedessen Hautreizungen und Magen-Darm-Probleme erlitten.
Nachdem die Blaumhelm-Soldaten in den vergangenen Tagen mehrmals unter Feuer geraten waren, stelle das Betreten einer UN-Position "einen weiteren eklatanten Verstoß gegen das Völkerrecht und die Resolution 1701" dar, so UNIFIL.
Schwere Gefechte zwischen Israel und der Hisbollah
Kämpfer der Hisbollah und israelische Truppen lieferten sich auch heute wieder direkte Gefechte im Süden des Libanon. Israelische Soldaten hätten versucht, in den Ort Ramja im Grenzgebiet einzudringen, teilte die Hisbollah mit. Kämpfer der Miliz hätten in der Nähe der Truppen einen Sprengsatz zur Explosion gebracht.
Israels Armee forderte die Einwohner von 21 weiteren libanesischen Ortschaften zur Evakuierung auf. Das Militär teilte außerdem mit, bei verschiedenen Gefechten seien ein Reservist sowie ein Offizier schwer verletzt worden.
An Israels Bodenoffensive im Libanon sind bisher vier Divisionen beteiligt. Die Stärke und Zahl der Truppen, die in das Nachbarland einmarschiert sind, hält Israel geheim. Bisher scheinen sie die Demarkationslinie an vier verschiedenen Abschnitten im Grenzgebiet überquert zu haben oder dies zu versuchen - eines dieser Gebiete ist der Raum um Nakura an der Mittelmeerküste, wo UNIFIL ihr Hauptquartier hat.
Israelische Vergeltung gegen Iran
Die Verteidigungsminister Gallant und Austin sprachen während ihres Telefonats auch über den Iran. Es sei vor allem um die Bedrohung durch den Iran und deren Unterstützer im Jemen, in Syrien und im Irak gegangen. Noch immer ist nicht klar, wie, wann und wo Israel auf den Angriff des Iran vom 1. Oktober mit etwa 200 ballistischen Raketen reagieren wird. Berichten zufolge, sei aber klar, dass der Befehl dazu jederzeit kommen könnte.
Israelische Medien berichten, Israel sei außerdem in Gesprächen über die Lieferung des modernen US-Flugabwehrsystems THAAD. Es ist in der Lage ballistische Raketen in einer Entfernung von 200 Kilometer abzufangen. Sollte das System geliefert werden, wäre es das erste Mal, dass es in Israel im Ernstfall eingesetzt wird.
Mit Informationen von Bettina Meier, ARD-Studio Tel Aviv