Libanon Israel beschießt erneut UN-Friedenstruppe
Im Libanon hat es laut libanesischen Angaben wieder einen israelischen Angriff auf eine UNIFIL-Stellung gegeben. Bereits zuvor waren Blauhelmsoldaten beschossen worden - was international scharfe Kritik auslöste.
Bei einem israelischen Angriff im Südlibanon sind nach Angaben der Regierung in Beirut erneut UN-Blauhelmsoldaten verletzt worden. Die israelische Armee habe das Hauptquartier der UN-Friedensmission UNIFIL in dem Dorf Nakura beschossen, teilte das libanesische Außenministerium mit.
Einem Bericht der libanesischen Nachrichtenagentur ANI zufolge schoss ein israelischer Panzer auf einen der Wachtürme der UN-Mission. Mehrere Blauhelmsoldaten aus Sri Lanka seien dabei verletzt worden. Das libanesische Außenministerium warf Israel einen "absichtlichen und systematischen Beschuss der Blauhelmtruppe" vor.
UNIFIL bestätigte auf der Plattform X, dass es zwei Explosionen nahe einem Wachturm in Nakura gab. Zwei Soldaten seien verletzt worden. Den Grund der Explosionen nannte die UN-Mission nicht.
Zuvor schon Angriff auf Blauhelmsoldaten
Bereits am Donnerstag waren beim Beschuss des UNIFIL-Hauptquartiers nach Angaben der Friedenstruppe zwei Blauhelmsoldaten verletzt worden. Die israelische Armee erklärte später, sie habe in der Nähe des UNIFIL-Stützpunktes, wo Kämpfer der Hisbollah-Miliz aktiv seien, Schüsse abgegeben. Im Vorfeld seien die UN-Soldaten in dem Gebiet aufgefordert worden, sich an geschützten Orten aufzuhalten. Erst dann sei das Feuer eröffnet worden.
"Unsere Empfehlung lautet, dass die UNIFIL sich fünf Kilometer nach Norden verlegt", erklärte Israels UN-Botschafter Danny Danon vor dem Angriff. Damit könnten angesichts der sich intensivierenden Kämpfe "Gefahren vermieden werden".
UN-Generalsekretär António Guterres sagte, solche Vorfälle seien "nicht hinnehmbar" und dürften sich nicht wiederholen. Die Friedenssoldaten müssten geschützt werden, so Guterres. "Wir können keine Eskalation des Nahost-Konfliktes zulassen, er stellt eine Bedrohung für die globale Sicherheit dar." Es müsse alles getan werden, um einen umfassenden Krieg im Libanon zu vermeiden.
Sanchez ruft zu Export-Stopp für Waffen an Israel auf
Auch etliche Länder protestierten, darunter Deutschland, Italien und die Türkei. "Der Beschuss von Friedenstruppen der UN ist auf keine Weise akzeptabel und hinnehmbar", sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in Berlin. Der Vorfall müsse genau aufgearbeitet werden.
Spaniens Ministerpräsident Pedro Sanchez forderte die internationale Gemeinschaft auf, keine Waffen mehr an Israel zu liefern. Dies sei angesichts der Ereignisse im Nahen Osten "dringend erforderlich".
Russland kritisierte den Beschuss ebenso wie die Türkei. "Die Angriffe Israels auf UN-Truppen im Anschluss an die Massaker an Zivilisten im Gazastreifen, im Westjordanland und im Libanon sind Ausdruck der Auffassung Israels, dass seine Verbrechen ungestraft bleiben", erklärte das Außenministerium in Ankara. "Die internationale Gemeinschaft ist verpflichtet, dafür zu sorgen, dass Israel das Völkerrecht einhält."
Libanesische Regierung fordert Waffenruhe
Der amtierende libanesische Ministerpräsident Najib Mikati bezeichnete den jüngsten Angriff auf die UNIFIL-Truppen als "angekündigtes Verbrechen". Er habe mit US-Außenminister Antony Blinken über die Bemühungen um eine Waffenruhe gesprochen. Blinken äußerte sich zwar besorgt über die Eskalation im Nahost-Konflikt, nahm aber nicht öffentlich zu den Angriffen auf die UNIFIL-Stellung.
In einer im Fernsehen übertragenen Rede sagte Mikati, Israel müsse seine Angriffe auf die Zivilbevölkerung und Wohngebiete einstellen. Der Libanon bestehe auf der Umsetzung der UN-Resolution 1701. Die internationale Gemeinschaft müsse Israel zur Umsetzung verpflichten. Die geschäftsführende Regierung im Libanon würde ihrerseits die Stationierung der libanesischen Armee im Grenzgebiet gewährleisten.
Die Resolution verbietet die Präsenz der libanesischen Hisbollah-Miliz in dem Grenzgebiet zu Israel. Das israelische Militär muss sich demnach hinter die so bezeichnete Blaue Linie - der libanesisch-israelischen Grenze - zurückziehen. Die Resolution sieht die alleinige Autorität der libanesischen Armee sowie der UNIFIL-Truppen im Libanon südlich des Litani-Flusses.
UNIFIL: Bleiben, bis die Lage einen Einsatz unmöglich macht
In dieser Woche wurden UN-Kreisen zufolge insgesamt vier Mal Stellungen der UNIFIL von israelischen Truppen beschossen und vier Blauhelm-Soldaten verletzt. Ungeachtet des Beschusses zeigten sich die UNIFIL-Truppen entschlossen, auf ihrem Posten zu bleiben. "Wir sind dort, weil der Sicherheitsrat uns darum gebeten hat", sagte ihr Sprecher Andrea Tenenti. "Wir bleiben also, bis die Lage uns einen Einsatz unmöglich macht." Die Gefechte zwischen dem israelischen Militär und Hisbollah-Kämpfern im Südlibanon seien eines der gravierendsten Ereignisse der vergangenen zwölf Monate.
Die UNIFIL-Truppen haben vom UN-Sicherheitsrat das Mandat, der libanesischen Armee dabei zu helfen, den Süden des Landes von Waffen und bewaffneten, nicht staatlichen Gruppen frei zu halten. Das hat zu Spannungen mit der vom Iran unterstützten Hisbollah geführt, die das Gebiet de facto kontrolliert.
Tenenti sagte weiter, die israelischen Angriffe auf den Wachturm, die Kameras, die Kommunikationsausrüstung und die Beleuchtung des UNIFIL-Hauptquartiers hätten die Überwachungsmöglichkeiten der Blauhelm-Soldaten eingeschränkt.
UN-Insider befürchten nun, dass die Angriffe es unmöglich machen, Verstöße gegen das Völkerrecht in der Zone zu überwachen. Tenenti zufolge hat die Truppe noch immer wichtige Aufgaben zu erfüllen. "Sie muss lokale Nichtregierungsorganisationen und UN-Organisationen dabei unterstützen, all diese Dörfer mit dringend benötigter Nahrung und Wasser zu versorgen. Tausende Menschen haben das Land verlassen, aber Tausende sitzen noch immer in der Gegend fest. Daher ist es sehr wichtig, Konflikte zu vermeiden."
UN: Mehr als 2.000 Menschen im Libanon getötet
Unterdessen teilten die Vereinten Nationen mit, dass im Libanon seit Oktober 2023 durch den Konflikt zwischen der Hisbollah und Israel mehr als 2.000 Menschen getötet wurden. Das berichtet das UN-Menschenrechtsbüro in Genf unter Berufung auf das libanesische Gesundheitsministerium. Unter den Toten seien 100 Nothilfesanitäter und andere Angehörige des Gesundheitspersonals.
Im Oktober vor einem Jahr hatte die Terrormiliz Hisbollah im Libanon ihre Angriffe auf Israel massiv ausgeweitet. Vorausgegangen waren die Terroranschläge auf Israel am 7. Oktober 2023 und Israels Reaktion, der Terrororganisation Hamas im Gazastreifen den Krieg zu erklären. Seit Mitte September greift Israel auch massiv im Libanon an, um die Hisbollah auszuschalten. "Die libanesische Bevölkerung trägt die Hauptlast dieser jüngsten Phase des Konflikts", sagte die Sprecherin des UN-Menschenrechtsbüros, Ravina Shamdasani.