Libanon Scharfe Kritik an Beschuss von UN-Soldaten
Nach dem israelischen Beschuss von UN-Friedenstruppen im Südlibanon wächst die Sorge um die Sicherheit der Blauhelmsoldaten. Die Friedensmission soll aber fortgesetzt werden. International wurde der Vorfall scharf kritisiert.
Nach dem Beschuss des Hauptquartiers der UN-Mission UNIFIL im Libanon wächst die Sorge um die Sicherheit der Blauhelmsoldaten in der Region. "Die Sicherheit und der Schutz der Friedenstruppen ist jetzt zunehmend in Gefahr", sagte der Chef der UN-Friedensmissionen, Jean-Pierre Lacroix, vor dem UN-Sicherheitsrat in New York.
Ein Großteil des südlichen Libanon, das Einsatzgebiet von UNIFIL, sei "jetzt unbewohnt und zunehmend auch unbewohnbar", sagte Lacroix. Die operativen Tätigkeiten der Einsatzkräfte stünden seit rund zwei Wochen weitestgehend still, sie hätten sich auf ihre Stützpunkte zurückgezogen und verbrächten viel Zeit in Schutzbunkern.
Israelische Truppen schießen auf UN-Blauhelme
Zuvor hatten israelische Truppen nach Darstellung der Vereinten Nationen das UNIFIL-Hauptquartier beschossen. Ein israelischer Panzer habe direkt auf einen Wachturm gefeuert, hieß es von UNIFIL. Mindestens zwei UN-Soldaten seien verletzt worden. Es handelte sich um zwei Männer aus Indonesien. Israels Militär beschuldigte die Schiiten-Miliz Hisbollah, Gegenden in der Nähe von Stützpunkten der Blauhelm-Mission für ihre Zwecke zu missbrauchen.
Trotz der Gefahr wollen die Blauhelmsoldaten vorerst im Südlibanon bleiben. "Wir sind hier, weil der UN-Sicherheitsrat uns darum gebeten hat. Also bleiben wir, bis es für uns unmöglich wird, hier zu operieren", sagte UNIFIL-Sprecher Andrea Tenenti. Die UN-Mission überwacht das Grenzgebiet zwischen Israel und dem Libanon seit Jahrzehnten. Daran sind mehr als 10.000 UN-Soldaten aus mehr als 50 Ländern beteiligt.
Israel: UNIFIL soll Position verlagern
Israels UN-Botschafter Danny Danon empfahl den Blauhelmen, sich zu ihrem eigenen Schutz weiter nach Norden zurückzuziehen. Wenn UNIFIL sich fünf Kilometer Richtung Norden bewege, könne sie den heftigsten Gefechten zwischen Israel und der Hisbollah entgehen, sagte Danon in New York.
Auf die Frage, ob die UN-Soldaten sich zurückziehen würden, sagte der stellvertretende UN-Sprecher Farhan Haq, man sei sich über solche Forderungen bewusst, vorerst würden die Blauhelme aber bleiben, wo sie sind. Jeder absichtliche Angriff auf die UN-Soldaten sei ein schwerer Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht, sagte Haq.
Kritik an israelischem Beschuss
Unterdessen wächst die Kritik an dem israelischen Beschuss auf den Stützpunkt der Blauhelme. UN-Generalsekretär Antonio Guterres verurteilte den Vorfall. Die Soldaten der UNIFIL-Truppe müssten geschützt werden, sagte er in Vientiane, der Hauptstadt von Laos, wo er sich anlässlich des Asean-Gipfels aufhielt. "Wir können keine Eskalation des Nahost-Konfliktes zulassen, er stellt eine Bedrohung für die globale Sicherheit dar", warnte Guterres abermals. Es müsse alles getan werden, um einen umfassenden Krieg im Libanon zu vermeiden.
Der UN-Botschafter Indonesiens, Hari Prabowo, bezeichnete den Beschuss der UN-Blauhelme als inakzeptabel. Der Angriff auf den UNIFIL-Stützpunkt sei der Versuch, die Friedensmission und die internationale Gemeinschaft einzuschüchtern. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell schrieb auf der Nachrichtenplattform X, jeder vorsätzliche Angriff auf Friedenstruppen sei ein schwerer Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht. Italiens Verteidigungsminister Guido Crosetto sagte, der Beschuss könnte sogar ein Kriegsverbrechen darstellen.
Libanesischer UN-Botschafter fordert Waffenruhe
Mit seiner Forderung nach einer sofortigen Waffenruhe zwischen Israel und der Hisbollah blieb der libanesische UN-Botschafter Hadi Hachem ohne Erfolg. Hachem sagte in der von Frankreich einberufenen Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats, mit Bombardierungen und einer Invasion werde Israel keine Sicherheit und Stabilität erreichen. "Israel kann die Vertriebenen nicht ohne eine Vereinbarung in ihre Häuser zurückbringen", sagte er.
Der Libanon stehe voll und ganz hinter einer französisch-amerikanischen Initiative für eine dreiwöchige Waffenruhe, "während der wir noch offene Grenzfragen klären können", so Hachem weiter. Er warf Israel vor, dem Vorstoß zugestimmt zu haben, "bevor es davon Abstand nahm und seine Aggression eskalierte".
Israel verteidigt Vorgehen
Der israelische UN-Botschafter Danon sagte dem Sicherheitsrat, die israelischen Bodensoldaten würden "die Fähigkeiten der Hisbollah schwächen, ihr die Möglichkeit nehmen, Angriffe auf unser Volk zu verüben und das Terrornetzwerk schwächen, das sich über den Süden des Libanons erstreckt".
Es gebe nur einen Pfad zum Frieden in Israel und dem Libanon: Er verlaufe ohne die Hisbollah und beinhalte die vollständige Umsetzung der Sicherheitsratsresolution aus dem Jahr 2006, die den vorangegangenen Krieg zwischen der Miliz und Israel beendete. Zu den Kernbestandteilen gehört die Entwaffnung aller bewaffneten Gruppen einschließlich der Hisbollah und ein Einsatz der libanesischen Armee im Süden des Landes, der an Israel angrenzt, aber überwiegend von der Hisbollah kontrolliert wird.
Mindestens 22 Tote bei Angriffen in Beirut
Die israelische Armee setzte unterdessen ihre Angriffe im Libanon fort. Nach libanesischen Angaben wurden zum dritten Mal seit Ende September Ziele im Zentrum von Beirut bombardiert. Nach Angaben des libanesischen Gesundheitsministeriums wurden dabei mindestens 22 Menschen getötet und 117 weitere verletzt. Ziel des Angriffs sei ein hochrangiger Hisbollah-Funktionär gewesen, berichtete die Nachrichtenagentur AFP unter Berufung auf Sicherheitskreise. Ob er unter den Toten war, blieb noch unklar.
Wie die staatlichen Nachrichtenagentur ANI berichtete, zielte der israelische Luftangriff "auf das Gebiet der Wohnviertel von Ras al-Nabaa und Nueiri". Aus Sicherheitskreisen hieß es, dass "zwei Orte angegriffen" worden seien. Die israelische Armee äußerte sich zunächst nicht zu dem Angriff.
Seit September konzentrierte die israelische Armee einen erheblichen Teil ihrer Kräfte auf den Kampf gegen die pro-iranische Hisbollah-Miliz im Libanon. Im Zuge dessen nahm sie bislang vorwiegend Ziele in deren Hochburgen im Südlibanon sowie in südlichen Vororten von Beirut ins Visier.