Vergeltung für Raketenangriff Israel hat im Iran viele mögliche Ziele
Nach dem massiven Raketenangriff des Irans hat Israel einen Gegenschlag angekündigt. Der ist bisher ausgeblieben, dabei mangelt es nicht an Zielen. Israelische Politiker fordern einen Angriff auf das iranische Atomprogramm.
Wenn es nach den markigen Worten aus Israel geht, dann steht der Gegenschlag unmittelbar bevor. So hatte sich Premier Benjamin Netanyahu geäußert und auch der oberste Soldat, Generalstabschef Herzi Halevi, ließ daran keinen Anfang Oktober Zweifel: "Iran hat fast 200 Raketen in Richtung Israel geschickt. Wir werden darauf antworten. Wir wissen, wo wir wichtige Ziele ausmachen. Wir wissen, wie wir mit Genauigkeit und Kraft zuschlagen werden."
Doch der Angriff aus dem Iran, der eine Reaktion auf die gezielten Tötungen von Hamas-Chef Ismail Hanija in Teheran und Hassan Nasrallah, dem Generalsekretär der Hisbollah, in Beirut sein sollte, liegt nun schon über eine Woche zurück, und der israelische Gegenschlag lässt auf sich warten.
Dabei mangelt es nicht an Ideen für mögliche Ziele: Ein Angriff auf militärische Einrichtungen im Iran ist denkbar, oder auf Anlagen zur Öl- und Gasproduktion. Auch ein Schlag gegen ein Mitglied der Führungsriege des Regimes in Teheran gilt nicht als ausgeschlossen.
Politiker fordern Zerstörung von Irans Atomprogramm
Politiker in Israel haben jedoch eine klare, andere Präferenz und versuchen, Premier Netanyahu unter Druck zu setzen. So wie Moshe Saadia, Abgeordneter des Likud: "Das ist eine historische Gelegenheit", sagte er im Armee-Radio. "Ich rufe den Premierminister auf, diese Gelegenheit zu nutzen und das iranische Atomprogramm zu zerstören. Man muss sich nur einmal vorstellen, was wäre, wenn der Iran eine Nuklearwaffe besitzen und angreifen würde - da würde ein Sixpack Wasser im Schutzraum nicht mehr helfen."
Das Iranische Atomprogramm wird von Israel als große Bedrohung betrachtet. Immer wieder wird darüber berichtet, wie weit die Uran-Anreicherung fortgeschritten ist und wie viel Zeit der Iran noch benötigen könnte, um eine Atombombe zu bauen. Deshalb hält auch Naftali Bennet, Netanyahus Vorgänger im Amt des Premierministers, einen solchen Angriff für richtig.
Ehemaliger Premierminister sieht "einmalige Gelegenheit"
"Jetzt, wo die stärksten Arme der Terrorkrake Iran - Hisbollah und Hamas - extrem geschwächt sind, haben wir zum ersten Mal die Fähigkeit, gegen den Iran vorzugehen, ohne eine schreckliche Reaktion befürchten zu müssen", schreibt Naftali Bennet auf der Plattform X. Israel habe die Möglichkeit, das iranische Atomprogramm, das einen schweren Schatten auf seine Zukunft werfe, stark zu schädigen.
"Wir haben die Möglichkeit, die Zukunft unserer Kinder und Enkelkinder zu sichern. Das ist eine einmalige Gelegenheit. Wir besitzen sowohl die Legitimität, als auch die Fähigkeit, das iranische Regime und das Atomprogramm des Iran zu treffen", so Bennet.
Misstrauen auf der Seite der US-Regierung
Viele sind sich einig, dass ein Schlag gegen das iranische Atomprogramm in strategischer Hinsicht sinnvoll wäre, doch es gibt Probleme: Zum einen ist ein solcher Angriff schwer auszuführen, weil ein Teil der Anlagen zur Uran-Anreicherung tief unterirdisch gebaut wurde. Schwere, bunkerbrechende Bomben haben nur die USA - und Israel könnte diese Bomben nur aus Transportflugzeugen abwerfen. Außerdem dürfte so ein Angriff zu einer weiteren Eskalation führen.
In der US-Regierung gibt es Berichten zufolge inzwischen großes Misstrauen gegenüber der Regierung Netanyahus. So sei man vor den letzten Eskalationsschritten, beispielsweise über die Tötung von Hassan Nasrallah, nicht oder nur unzureichend informiert worden, heißt es.
Ein Thema, das auch Oppositionsführer Yair Lapid im Sender 103fm kritisiert: "Die Amerikaner haben kein Geheimnis daraus gemacht, dass sie mit Israel das Thema Iran ordentlich absprechen wollen. Und diese geordneten Gespräche mit den Amerikanern müssen auch stattfinden", sagte Lapid.
Denn der israelische Angriff werde Folgen mit sich bringen und diese Folgen werden auch amerikanische Truppen, die im Nahen Osten stationiert sind, betreffen. "In den Gesprächen soll es auch um Waffenlieferungen gehen und deswegen wäre es nur ratsam, dass unser Verteidigungsminister mit seinem Gegenüber in Washington Gespräche führt."
Telefongespräch statt Treffen
Doch Verteidigungsminister Yoav Gallant, der sich schon auf dem Weg nach Washington befand, war zunächst von Netanyahu zurückgepfiffen worden. Zunächst soll jetzt ein Telefonat zwischen Netanyahu und US-Präsident Biden stattfinden. Es wäre das erste seit sieben Wochen - was viel aussagt über das stark abgekühlte Verhältnis zwischen Washington und Jerusalem.
Erst danach, so heißt es, soll Verteidigungsminister Gallant zu direkten Gesprächen aufbrechen. Was all das für den israelischen Gegenschlag bedeutet, ist noch offen.