Einfluss auf Netanyahu Warum Biden beim Thema Israel zurückhaltend bleibt
Israels Premier kümmert sich wenig um Kritik von US-Präsident Biden - obwohl die Unterstützung aus den USA immens wichtig für Israel ist. Warum hat Biden so wenig Einfluss auf Netanyahu?
Wenn Joe Biden gefragt wird, ob er noch Einfluss auf Benjamin Netanyahu habe, klingt seine Antwort beschwörend, fast verzweifelt: "Keine US-Regierung zuvor hat Israel mehr geholfen als ich - keine, keine, keine", sagt Biden und ergänzt: "'Bibi' sollte sich daran erinnern."
"Bibi" - das ist der gängige Spitzname für Netanyahu. Auf die Frage, ob dieser auch bei der israelischen Reaktion auf den iranischen Raketenangriff auf ihn höre, lautete Bidens Antwort vergangenen Freitag im Weißen Haus: "Unsere Berater sind zwölf Stunden am Tag in Kontakt. Die Israelis haben jedes Recht, auf die bösartigen Angriffe zu reagieren - nicht nur der Iraner, auch der Hisbollah und anderer. Aber sie müssen sehr viel sorgsamer sein mit Blick auf zivile Opfer."
Die Mahnungen wiederholen sich
Diese Mahnung wiederholt Biden seit vielen Monaten. Theoretisch hätte der US-Präsident Möglichkeiten, mehr Druck auf Israel auszuüben, sagt Nahost-Experte Aaron David Miller, früher im US-Außenministerium, heute bei der Carnegie-Stiftung. Biden hätte US-Waffenlieferungen verlangsamen, an Bedingungen knüpfen oder beenden können. Er hätte das proisraelische Abstimmungsverhalten der USA im UN-Sicherheitsrat in New York entscheidend ändern können. Aber, so Miller: "Nichts davon hat er getan."
Warum? Biden habe erstens seit Jahrzehnten eine emotionale Bindung an Israel, meint Miller. Und zweitens bleibe Biden überzeugt, einen Waffenstillstand nur erreichen zu können, wenn er es sich mit Netanyahu nicht völlig verdirbt.
Die innenpolitische Dimension
Dazu kommt ein innenpolitisches Dilemma, gerade in einem US-Wahljahr. Auf der einen Seite gab es monatelang Proteste vom linken Parteiflügel der Demokraten, von muslimischen Wählern und vor allem Studenten.
Auf der anderen Seite steht die wichtige pro-israelische Wählerklientel. Mit Israel zu brechen, kann sich kein US-Präsident leisten. Donald Trump macht im Wahlkampf Druck, Israel noch stärker zu unterstützen. Biden wirke schwach, vor allem gegenüber dem Iran, so die Sichtweise der Republikaner.
Ein Muster wiederholt sich
Am Ende habe Biden seine Unterstützung für Israel immer aufrecht erhalten, "durch Waffen, durch das Teilen von Geheimdienstinformationen", betont Richard Haass, Ex-Diplomat und langjähriger Chef der Denkfabrik Council on Foreign Relations. Was sich monatelang mit Blick auf den Gaza-Streifen abgespielt habe - die USA rufen nach Mäßigung, Israel eskaliert - wiederhole sich nun im Fall Libanon und Iran.
"Der Einfluss der USA ist ziemlich begrenzt", so Haass im Radiosender NPR - jetzt noch mehr, weil die öffentliche Meinung in Israel, die im Fall Gaza und Geiseln noch gespalten war, im Fall Libanon und Iran geschlossen sei. Begrenzt bleibe der US-Einfluss auch dadurch, dass Biden kurz vor Ende seiner Amtszeit eine "lahme Ente" sei.
Immer wieder düpiert
In den Sommermonaten hat Biden das ganze diplomatische Gewicht der USA in die Waagschale geworfen, hat Außenminister Antony Blinken und CIA-Chef William Burns unzählige Male in die Nahost-Region geschickt, um eine weitere Eskalation zu vermeiden - auch um das Thema aus dem Wahlkampf herauszuhalten und Vizepräsidentin Kamala Harris nicht zu schaden. Netanyahu hat Biden immer wieder düpiert.
"Ich sehe keine Basis für eine diplomatische Lösung, weil sich die Interessen der Konfliktparteien nicht überschneiden", sagt Richard Haass. Dies gelte für den Gaza-Streifen, für den Libanon und für den Konflikt Israel-Iran. An die viel zitierte Regel, "Die Lage muss schlechter werden, bevor sie besser wird", mag Haass nicht glauben. Seine Regel zur Nahost-Region lautet: "Es wird meist schlechter, bevor es noch schlechter wird."