Kriegsalltag im Libanon Heimat unter Beschuss
Viele Ortschaften liegen in Trümmern, Unterkünfte und Krankenhäuser sind überfüllt, Medikamente fehlen. Die Not der Menschen im Libanon wächst - und immer mehr sind auf der Flucht.
Kinder spielen im Innenhof einer Schule in Libanons Hauptstadt Beirut. Eine Schule, die längst keine Schule mehr ist, sondern ihr neues Zuhause. Bilder der Nachrichtenagentur Reuters zeigen freiwillige Helfer, sie haben Malpapier mitgebracht, die Kinder schreiben in großen bunten Lettern "Lebanon" auf das Papier, malen Herzen - Herzen für ihre Heimat unter Beschuss.
Und immer noch donnern die Kampfflieger über ihre Köpfe und brechen die Schallmauer mit einem lauten Knall. Der Familienvater Majed sagt: "Meine Tochter fragt mich: Papa, wann sieht man den Überschallknall und warum kommt er später? Für mich ist der Knall schon normal, aber die jüngere Generation hat Angst."
Notunterkünfte überfüllt
Majeds Familie hatte Glück im Unglück: Sie hat einen Platz in einer Notunterkunft bekommen. Mehr als 900 dieser Einrichtungen - meist umfunktionierte Schulen - gibt es mittlerweile im Libanon - die meisten völlig überfüllt.
"Die Bäder, die Toiletten sind gar nicht ausgelegt für eine solche Menge von Menschen, die dort 24 Stunden am Tag lebt", sagt Matthew Hollingworth vom Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen. 1,2 Millionen Menschen sind von dieser Krise betroffen.
Viele Ortschaften im Süden sind jetzt kaum mehr als Trümmer. Viele der Vertriebenen berichten, dass sie nicht nur aus Angst vor Zerstörung ihrer Nachbarschaft geflohen sind, sondern weil sie bereits Angehörige verloren haben.
Mindestens 2.000 Tote und 10.000 Verletzte
Denn bei der israelischen Offensive gegen die libanesische Terrororganisation Hisbollah sterben längst nicht nur Kämpfer der Miliz. Rund 2.000 Menschen sind offiziellen Zahlen zufolge insgesamt seit Kriegsausbruch im Libanon gestorben, darunter mindestens 120 Kinder.
Rund 10.000 Menschen wurden verletzt - und das in einem Land, in dem das Gesundheitssystem schon vor dem Kriegsausbruch marode war und das kaum in der Lage ist, die vielen Verletzten richtig zu behandeln. Zumal, wie die Weltgesundheitsorganisation WHO meldet, auch Krankenhäuser und Gesundheitszentren bereits Teil von Angriffen waren.
Notunterkünfte am Strand von Beirut
Hilfsgüter für den Libanon
Angesichts der großen Not fliegen zahlreiche Organisationen Hilfsgüter in den Libanon - auch aus Deutschland. Das Deutsche Rote Kreuz schickte erneut eine Maschine nach Beirut, diesmal mit 150 Rettungsrucksäcken für die Versorgung schwerer Verletzungen.
Das Kinderhilfswerk UNICEF erklärte, Krankenhäuser seien aufgrund der Zunahme der Opferzahlen stark belastet. Es würden dringend mehr medizinische Hilfsgüter benötigt, um sicherzustellen, dass Frauen und Kinder im Libanon lebensrettende Versorgung erhalten.
"Wir hören die Flugzeuge, wenn sie ins Bekaa-Tal fliegen, um dort zu bombardieren. Menschen, die wir vielleicht kennen, das Haus meines Großvaters und meines Onkels sind dort", sagt Mihad. Die 29-Jährige aus Baalbek ist mit ihren Eltern und Brüdern vor den Angriffen geflohen und lebt jetzt bei Bekannten in der Nähe von Beirut. Das Leben auf der Flucht sei schwierig, so Mihad.
Wir erreichen sie am Telefon: "Wir sind ohne irgendetwas aufgebrochen, nur mit Sommerkleidung. Deshalb mussten wir jetzt Wintersachen kaufen. Es gibt hier keine Decken, meine Eltern haben nichts zum Zudecken. Und die Preise für Sachen sind sehr hoch, viel teurer als sonst."
400.000 Menschen haben Grenze passiert
Und die Not steigt - fast täglich fordert Israel weitere Ortschaften zur Evakuierung auf, fliehen weitere Menschen. Rund 400.000 Menschen sollen Berichten zufolge bereits die Grenze zu Syrien passiert haben - damit hätte sich die Zahl in den vergangenen Tagen vervierfacht.
Die Dankbarkeit, dem Krieg vorerst entkommen zu sein, mischt sich bei den Vertriebenen mit der Angst und Verzweiflung, was noch kommen wird im Libanon. Und mischt sich mit der Sehnsucht, einfach irgendwann wieder nach Hause zu können.
So wie bei Hala, einer alten Dame in einem Flüchtlingsheim in Beirut: "Wenn Gott es will, wird er unsere Herzen führen und uns zurück nach Hause bringen. Zu unseren Nachbarn, zu unseren Familien, uns wieder zusammenbringen."
Die alte Dame schlägt die Hände vor das Gesicht. Sie bricht in Tränen aus.