Wirtschaft in Deutschland Arbeitgeberpräsident kritisiert Kurs der Ampel
Beim Arbeitgebertag musste die Bundesregierung Kritik einstecken: Zwar habe es Fortschritte gegeben, doch das reiche nicht, sagte Präsident Dulger. Kanzler Scholz versprach Entlastung - vor allem beim Lieferkettengesetz.
Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger hat den Kurs der Ampel-Regierung scharf kritisiert und bessere Bedingungen für die Wirtschaft gefordert. "Die Wirtschaft schrumpft. Die Arbeitslosigkeit steigt. Der Standort Deutschland hat für Investoren an Attraktivität verloren", beklagte der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) beim Arbeitgebertag in Berlin.
"Im Vergleich zu den vergangenen Monaten scheint das Problembewusstsein in dieser Bundesregierung zumindest gestiegen zu sein", so Dulger. In den Bereichen Fachkräftezuwanderung und Entbürokratisierung habe es Fortschritte gegeben. Doch das sei nicht genug. "Wettbewerbsfähigkeit muss man sich erarbeiten. Das kann man nicht herbei subventionieren", sagte er.
Scholz: Lieferkettengesetz "kommt weg"
Kanzler Olaf Scholz sagte der Wirtschaft wiederholt Entlastung von Bürokratie zu. "Das haben wir ja gesagt, das kommt weg", sagte der SPD-Politiker mit Bezug auf das sogenannte Lieferkettengesetz. "Dieses Jahr noch."
Dulger konnte er damit noch nicht überzeugen: "Ich glaube Ihnen das, wenn die Tinte trocken ist und es bei mir auf dem Lieferschein steht." Der Arbeitgeberpräsident drängte auf weitere Fortschritte. "Wir haben mehrfach darum gebeten, dieses Gesetz entweder zu lockern oder außer Kraft zu setzen. Der Wirtschaftsminister hat uns das auch mehrfach bestätigt, dass er verstanden hat, worum es geht und dass er sich sofort an die Arbeit machen wird. Aber erreicht, geliefert hat er nichts", bemängelte Dulger mit Blick auf Robert Habeck, der hier Fehler eingeräumt hatte.
Unternehmen kritisieren bürokratischen Aufwand
Das europäische Lieferkettengesetz wurde im Frühjahr verabschiedet. Die EU-Staaten haben gut zwei Jahre Zeit, die neuen Regeln in nationales Recht umzusetzen. Ziel des EU-Lieferkettengesetzes ist es, Menschenrechte weltweit zu stärken. Große Unternehmen sollen zur Rechenschaft gezogen werden können, wenn sie von Menschenrechtsverletzungen wie Kinder- oder Zwangsarbeit profitieren. Unternehmen beklagen durch das Gesetz jedoch einen hohen bürokratischen Aufwand und Nachteile gegenüber ausländischen Wettbewerbern.
Die Koalitionsspitzen hatten bereits im Juli auf Druck der FDP vereinbart, das Lieferkettengesetz aufzuweichen, als Teil der Wachstumsinitiative zur Belebung der Konjunktur. Die Vorschriften sollen dann für deutlich weniger Firmen gelten als bisher. Zwei Drittel der Unternehmen sollen nicht mehr unter die deutschen Vorschriften zur Prüfung von Menschenrechts- und Umweltverstößen entlang ihrer Lieferkette fallen.
Dulger kritisiert Bürgergeld und Rentenpaket II
Neben Digitalisierung, geförderten Unternehmensgründungen und begrenzten Sozialabgaben sieht Dulger Handlungsbedarf auch beim Bürgergeld. Die "missratene Bürgergeldreform" müsse korrigiert werden. Dulger zufolge bremst sie mehr, als sie nützt.
"Das Rentenpaket II gehört ins Museum für verkorkste Reformen", verlangte er. Anreize für Frühverrentung sollten abgebaut werden, Arbeit müsse auch über das Renteneintrittsalter hinaus attraktiv sein. Dulger sprach sich zudem für geregelte Migration in den Arbeitsmarkt aus.
"Gemeinsam aus unguter Lage rauskommen"
Scholz verteidigte in seiner Rede die Wirtschaftspolitik seiner Regierung. Die Wachstumsinitiative setze "an entscheidenden Wachstumsfaktoren an", das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz gehe das Problem der fehlenden Arbeitskräfte "entschlossen an", beim Bürgergeld werde "zielgenau" nachgesteuert.
Scholz appellierte mit Hinweis auf seinen geplanten Pakt für Industriearbeitsplätze, dass das Land nicht schlecht geredet werden dürfe. "Wir müssen gemeinsam rauskommen aus dieser unguten Lage, in der schlechte Zahlen zu schlechter Stimmung führen - und schlechte Stimmung zu noch mehr schlechten Zahlen", sagte Scholz mit Blick auf die lahmende Konjunktur.
Habeck verteidigt Subventionspolitik
Auch Wirtschaftsminister Habeck verteidigte beim Arbeitgebertag die Subventionspolitik der Bundesregierung. Sie habe das Ziel, vor allem die energieintensive Industrie hierzulande zu unterstützen, klimaneutral zu produzieren. "Ich will den energieintensiven Mittelstand in Deutschland halten", betonte Habeck.
Dennoch räumte er ein: Die Zahlen und Prognosen in Bezug auf die Konjunktur seien "alles andere als zufriedenstellend". Die Herausforderungen seien insbesondere mit Blick auf das mittelfristige Potenzialwachstum groß. "Das heißt, bei Vollauslastung und optimalen Rahmenbedingungen würden wir nur noch ein halbes Prozent wachsen können", sagte Habeck. Die Herausforderungen seien damit "fundamentaler als wir es uns bisher eingestanden haben".