Logo des Internationalen Währungsfonds
hintergrund

Jahrestagung von Weltbank und IWF Ausufernde Staatsschulden als globale Gefahr

Stand: 22.10.2024 09:20 Uhr

Vor allem die ärmsten Länder der Welt drohen von den hohen Zinsen für ihre Staatsschulden erdrückt zu werden, warnt der Internationale Währungsfonds. Was heißt das für die Arbeit von IWF und Weltbank?

Seit Montag findet die Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank statt. Ein wichtiges Thema auf der Agenda: der hohe Schuldenstand vieler Staaten. Laut dem IWF wird die weltweite Staatsverschuldung Ende dieses Jahres die Marke von 100 Billionen Dollar (93 Prozent des globalen BIP) überschreiten.

Bis zum Ende des Jahrzehnts werde der Schuldenstand weiter ansteigen - getrieben vor allem von noch mehr Schulden Chinas und der USA, prognostiziert der IWF in seinem gerade neu erschienenem "Fiscal Monitor".

IWF und Weltbank sind Einrichtungen der Vereinten Nationen. Eine ihrer wichtigsten Aufgaben ist es, Ländern in finanzieller Notlage zu helfen und sie durch Kredite, die an Auflagen gebunden sind, wieder zu stabilisieren. Doch die Schuldenkrise im Globalen Süden ist in den vergangenen Jahren nicht besser, sondern schlimmer geworden.

Die Länder aus dieser Gruppe bereiten dem Währungsfonds vor allem Sorgen. Zwar haben diese oftmals Schulden, die deutlich niedriger liegen als in Industrienationen wie Frankreich, Japan, den USA oder England. So hat etwa Mali einen Schuldenstand von rund 50 Prozent des Bruttoinlandsprodukts - England dagegen einen Schuldenstand von mehr als 100 Prozent und die USA sogar von mehr als 125 Prozent.

Viel Geld fließt in Schuldentilgung

Doch IWF-Chefin Kristalina Georgiewa warnte bereits vor dem Jahrestreffen von IWF und Weltbank: "Mit steigenden Schulden schrumpft der fiskalische Spielraum in Ländern mit niedrigem Einkommen überproportional - nicht alle Schuldenlasten sind gleich", sagte sie.

Laut dem 2024 erschienenem Bericht "A World of Debt" der UN-Welthandels- und Entwicklungskonferenz zahlten 2022 die Entwicklungsländer 49 Milliarden Dollar mehr an ihre ausländischen Gläubiger, als sie an neuen Auszahlungen erhielten. Wegen geringerer Kreditwürdigkeit zahlen viele dieser Länder deutlich höhere Zinsen für ihre Schulden als Industrieländer.

Zu wenig Geld für Gesundheit und Bildung

40 Prozent der ärmsten Menschen der Welt sind heute ärmer als vor der Pandemie. Und jedes vierte Land der Welt gibt mittlerweile mehr Geld für Kreditzinsen aus als für die Gesundheit und die Bildung seiner Bürger, sagt Richard Gowan, der Direktor der unabhängigen Denkfabrik "Crisis Group" im ARD-Interview: "Vielen dieser ärmeren Länder fällt es sehr schwer, die dringend benötigten Kredite von der Weltbank und dem IWF zu bekommen."

Einige Länder, vor allem im Globalen Süden, haben, um Schulden abzubauen in den vergangenen Jahren Sparmaßnahmen eingeleitet - die oft gerade die Ärmsten noch deutlich mehr belasteten. Vielen Staaten droht zudem der Zahlungsausfall. Dabei betonen viele internationale Akteure: Gerade jetzt seien viele Investitionen in Maßnahmen gegen den Klimawandel gefordert. Zudem brauche es auch Investitionen, um das Wirtschaftswachstum anzukurbeln, so der IWF.

Kreditkosten für Schuldnerstaaten sollen sinken

Die Vereinten Nationen haben unmittelbar vor ihrer Generalversammlung im September eine Reform der internationalen Finanzarchitektur beschlossen. Stärker als bisher sollen IWF und Weltbank die Entwicklungsländer unterstützen, heißt es im "Pakt für die Zukunft", der unter Federführung von Deutschland und Namibia verhandelt wurde. Vor allem sollen arme Länder einfacher an Kredite kommen, wie UN-Experte Richard Gowan sagt: "Der 'Pakt für die Zukunft' fordert die reichen Länder auf, mehr Geld in die Entwicklungshilfe zu investieren. Und er fordert, dass die Entscheidungsgremien von IWF und Weltbank so reformiert werden, dass sie für Länder des Globalen Südens gerechter werden."

Die Beschlüsse im "Pakt für die Zukunft" sind für die UN-Mitgliedsstaaten nicht bindend. Dennoch sieht Gowan darin eine "sehr starke Botschaft der nicht-westlichen Länder": Der Status Quo der internationalen Finanzarchitektur kann so nicht aufrecht erhalten werden.

Als erste Maßnahme hat der Währungsfonds bereits angekündigt, die Kreditkosten für mehrere Schuldnerstaaten zu senken. Mehrere Länder, die besonders hohe Zuschläge für nicht rechtzeitig bediente Kredite zahlen, werden um 36 Prozent jährlich entlastet. Dass diese Strafzinsen oder "Bereitstellungsgebühren" ganz abgeschafft werden, wie von vielen Organisationen und Ökonomen gefordert, sei jedoch nicht zu erwarten, sagt Experte Richard Gowan.

Doch auch Industrienationen sieht der IWF als gefährdet an, wenn sie weiter ihren Schuldenberg aufhäufen: "Die Erfahrung zeigt, dass hohe Schulden und das Fehlen glaubwürdiger Haushaltspläne negative Marktreaktionen auslösen können", heißt es etwa in einem aktuellen IWF-Beitrag zum Thema Staatsverschuldung. Die Autoren warnen: Je länger man den Schuldenabbau aufschiebe, desto kostspieliger werde dieser. Dazu komme, dass auch Industriestaaten zunehmend anfällig für globale Faktoren seien, die ihre Kreditkosten beeinflussen.

Warnung vor weniger Investitionen

Nur was tun? Für die Industrieländer schweben Autoren von IWF und Weltbank mehrere Säulen vor: "Sozialreformen vorantreiben, die Prioritäten bei den Ausgaben neu setzen und dort, wo die Steuerlast niedrig ist, die Einnahmen erhöhen." Gewarnt wird vor Kürzungen der öffentlichen Investitionen. Dies könnte negative Effekte haben, etwa in Form von Produktionsverlusten, was den langfristigen Wachstumsaussichten schade. Auch beim Thema Sozialkürzungen warnt der IWF: Diese könnten die Ungleichheit erhöhen.

Gleichzeitig soll die Einnahmenseite verbessert werden. Die Optionen reichen hier von höheren Steuern, einer effizienteren Steuerverwaltung bis zum stärkeren Kampf gegen Steuerhinterziehung. Gerade global gesehen gebe es beim Punkt Steuern "ein beträchtliches ungenutztes Potenzial zur Steigerung der Einnahmen", heißt es etwa in einer gemeinsamen Analyse des IWF und der Weltbank aus dem Sommer dieses Jahres.

Bei der Jahrestagung von IWF und Weltbank geht es bis Sonntag auch um die Finanzierung des Kampfs gegen den Klimawandel und die Bekämpfung von Armut.

Mit Informationen von Martin Ganslmeier, ARD-Studio New York.