Wirtschaftspolitik der Regierung Ein Thema, zwei Gipfel und wachsender Frust
Die Bundesregierung möchte über zusätzliche Hilfsangebote für die Wirtschaft beraten. Ein gemeinsames Treffen gibt es aber nicht - sondern zwei konkurrierende Gipfel. Wirtschaftsvertreter sind zunehmend genervt.
Es ist gerade einmal drei Monate her, dass die Ampel-Regierung die sogenannte Wachstumsinitiative beschlossen hat: 49 Einzelmaßnahmen, welche die deutsche Wirtschaft wieder in Fahrt bringen sollen. Von diesen 49 Punkten sind noch längst nicht alle vollständig umgesetzt. Trotzdem ist schon jetzt klar: Das reicht einfach nicht.
"Es ist mehr erforderlich", räumte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) in der vergangenen Woche ein. Doch was genau dieses "mehr" ist, was da noch für die Wirtschaft getan werden muss, darauf kann sich die Ampel zurzeit nicht einigen. "Es mangelt nicht an Ideen", sagte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP). "Woran es gegenwärtig mangelt, ist Einvernehmen in der Regierungskoalition."
Papiere ohne Abstimmung
Das beginnt schon bei den Formalitäten. Wurde die "Wachstumsinitiative" noch von allen drei Ampel-Parteien zusammen erarbeitet, beraten und auf einer gemeinsamen Pressekonferenz vorgestellt, findet zurzeit offenbar keine Zusammenarbeit mehr statt.
So hatte Wirtschaftsminister Habeck zwar ein Impulspapier mit Lösungsansätzen präsentiert, dies aber nicht mit SPD und FDP abgestimmt. Vor allem die FDP lehnte Habecks Vorschläge sofort deutlich ab.
Gipfel sorgt im Vorfeld für Ärger
Nun wagt der Kanzler einen erneuten Vorstoß. Am Nachmittag will Olaf Scholz Vertreter der Industrie und der Gewerkschaften im Kanzleramt empfangen. Inhaltlich soll es um "weitere Maßnahmen" gehen, um den Industriestandort Deutschland zu stärken und zu modernisieren, heißt es von der Bundesregierung. Ein vertrauliches Gespräch soll es werden. Weder über Inhalte noch über die genauen Teilnehmer möchte die Regierung offiziell informieren. Auch eine Pressekonferenz ist bislang im Anschluss nicht geplant.
Trotz der großen Geheimhaltung bringt dieser sogenannte Wirtschaftsgipfel dem Kanzler schon im Vorfeld großen Ärger ein. Auf eine Einladung der Spitzen von Grünen und FDP hat das Kanzleramt nämlich verzichtet, und auch wichtige Wirtschaftsvertreter müssen offenbar draußen bleiben. Vertreter von kleineren Unternehmen, dem Mittelstand, dem Handwerk oder Familienunternehmen wurden ebenfalls nicht eingeladen.
FDP lädt zu eigenem Treffen
Die FDP nimmt das nun zum Anlass und veranstaltet ihr eigenes kleines Wirtschaftstreffen. Nur wenige Stunden vor dem Scholz-Termin haben FDP-Chef Lindner und sein Fraktionschef Christian Dürr ebenfalls zu einem Wirtschaftstreffen eingeladen. Stattfinden soll es im Reichstagsgebäude, also direkt gegenüber vom Kanzleramt. Eingeladen wurden dabei vor allem jene Wirtschaftsverbände, die beim Scholz-Termin nicht berücksichtigt wurden.
"Kindergartenspiele" sind das für den Friedrich Merz. Im Bericht aus Berlin sagte der CDU-Chef, dabei werde sowieso nichts herauskommen. "Diese Regierung ist faktisch nicht mehr handlungsfähig. Sie ist am Ende", so Merz.
Auch bei den Ampel-Parteien selbst wird der Frust immer größer. So findet SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich Lindners Gegengipfel "schlicht albern". Gleichzeitig wirft er dem FDP-Chef vor, die Arbeit des Kanzlers zu blockieren. Auch von den Grünen sind kritische Töne zu hören. Man brauche nun kein "Gipfel-Ping-Pong", so der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Andreas Audretsch.
Bloß nicht zwischen die Fronten geraten
Der Ton wird zunehmend rauer in der Koalition, und auch in der Wirtschaft wird der Frust immer größer. "Der Kanzler gipfelt, der Finanzminister gipfelt, der Wirtschaftsminister schreibt Impulspapiere. Ich kann jeden verstehen, der sagt: Ich blick' da nicht mehr durch und ich kann das auch nicht mehr ernst nehmen", sagt Lutz Kordges, Sprecher vom Bundesverband "Der Mittelstand" (BVMW).
Auch andere Wirtschaftsvertreter sind zunehmend genervt vom ständigen Ampel-Streit. Dass nun auch noch mehrere Wirtschaftsgipfel der Ampel parallel stattfinden, bringt sie in ein Dilemma. Einerseits ist ihnen der Austausch mit der Politik wichtig. An schnellen Lösungen haben sie ein großes Interesse. Andererseits wird die Gefahr immer größer, im Ampel-Streit zwischen die Fronten zu geraten.