Scholz beim Arbeitgebertag Chefsache Wirtschaftspolitik?
Betriebe schließen und investieren lieber im Ausland, Deutschland steckt in der Rezession: Beim Arbeitgebertag dürfte Kanzler Scholz viel Kritik zu hören bekommen. Wirtschaftspolitik könnte zu einem zentralen Wahlkampfthema werden.
An deutlichen Worten ließ es Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger nicht fehlen. Die Stimmung in der Breite der Wirtschaft sei gekippt, jedes vierte Unternehmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten erwäge eine Verlagerung ins Ausland.
Und: "Selbst standorttreue Familienunternehmen überlegen, Investitionen zu stoppen oder zu verlagern." Das hatte Dulger beim Arbeitgebertag im Oktober vor einem Jahr gesagt. Heißt: Das bekam damals auch Olaf Scholz zu hören.
Scholz vor einem Jahr noch recht zuversichtlich
Doch der Bundeskanzler zeigte sich da noch recht zuversichtlich. Beim Arbeitgebertag und bei anderen Anlässen verwies er zum Beispiel darauf, dass die Politik beim Ausbau der Energieinfrastruktur eine ganz neue Dynamik entfacht habe.
Die Arbeit der Ampel würde schon noch ihre Wirkung zeigen, so Scholz. Und in Richtung der Wirtschaftsbosse meinte er wenige Monate später, als ehemaliger Hamburger Bürgermeister wisse er, dass die Klage der Gruß des Kaufmanns sei.
Regierung musste Konjunkturprognose korrigieren
Diese Bemerkung kam bei den angesprochenen Verbandsvertretern überhaupt nicht gut an. Sie fühlten sich in ihrer Sorge um die Lage der Wirtschaft nicht ernst genommen. Inzwischen können sie sich bestätigt fühlen: Nachrichten wie die aus der Autobranche haben deutlich gemacht, unter welchem Druck große Teile der Industrie stehen.
Auch die Regierung musste ihre Konjunkturprognose korrigieren: Deutschlands Wirtschaft dürfte in diesem Jahr zum zweiten Mal in Folge schrumpfen. Im Kreis der großen Industrienationen hält Deutschland schon seit längerem die rote Laterne. Vom "kranken Mann Europas" ist - wie schon einmal um die Jahrtausendwende - die Rede.
Auf die Wirtschaft kommt es an
Die Wirtschaft könnte damit zu einem zentralen Thema im kommenden Bundestagswahlkampf werden. Getreu dem Motto eines Beraters von Ex-US-Präsident Bill Clinton, der die eigenen Anhänger 1992 auf den Satz einschwor: "It’s the economy, stupid" - auf die Wirtschaft kommt es an.
Das ist auch verstärkt bei Debatten im Bundestag zu spüren. Erst vor kurzem verband Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) seine Kritik an Scholz mit der schlechten wirtschaftlichen Entwicklung: Wenn Scholz so weitermache wie bisher, könne er Deutschland nicht aus der strukturellen Wachstums- und Beschäftigungskrise herausführen. "Im Gegenteil: Das Jahr 2025 wird dann möglicherweise das dritte Jahr in der Rezession sein, und das werden dann Sie zu verantworten haben und niemand sonst in diesem Land", so der Kanzlerkandidat der Union.
Werksschließungen gehen nicht spurlos an Scholz vorbei
Scholz wiederum klingt inzwischen nicht mehr so zuversichtlich wie noch vor Monaten. Die Überlegungen zu Werksschließungen bei VW, die Probleme von ThyssenKrupp bei der Umstellung auf Grünen Stahl und der vorläufige Stopp neuer Fabriken wie von Intel sind - so wirkt es - nicht spurlos an dem Kanzler vorbeigegangen.
Er geht in die Offensive, wirft den Unions-Parteien CDU/CSU vor, in der Zeit ihrer Kanzlerschaft zu wenig für die Erneuerung des Landes getan zu haben und kündigt an, um jeden Industriearbeitsplatz kämpfen zu wollen. Dazu wolle er mit Wirtschaft und Gewerkschaften eine neue industriepolitische Agenda vereinbaren. Zusätzlich zu den bereits ergriffenen Maßnahmen, wie Scholz betont.
Wachstumsinitiative soll Wirkung zeigen
Der Kanzler verweist dabei unter anderem auf die im Juli vorgelegte Wachstumsinitiative, die nun von der Regierung nach und nach abgearbeitet werde. Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger sagt dazu gegenüber dem ARD-Hauptstadtstudio: "Gut, aber zu wenig." Er erwarte deutlich mehr Ambitionen von der Bundesregierung.
Dazu gehören aus Sicht von Dulger vor allem Fortschritte im Kampf gegen die Bürokratie - "bisher sind das nur Buchstaben auf Papier, da muss deutlich mehr kommen" - und gegen Arbeits- und Fachkräftemangel. In diesem Zusammenhang wirbt Dulger weiterhin für ein Ende der sogenannten Rente mit 63 und für eine grundlegende Reform des Bürgergeldes:
Es muss immer der Leitsatz gelten wer arbeitet, soll mehr haben als der, der nicht arbeitet.
Dulger: Es fehlt an Investitionen
Der Standort Deutschland, da ist sich der Arbeitgeberpräsident zwar noch mit dem Kanzler einig, dürfe nicht schlechtgeredet werden, doch die Probleme dürften auch nicht beschönigt werden: "Es fehlt jetzt an Investitionen, die sich in den 2030er-Jahren auszahlen und für Wachstum sorgen." Dafür müsse Deutschland einfacher und schneller werden, so Dulger.
Beim Arbeitgebertag dürfte Dulger seine Sorgen und Forderungen wieder eindringlich vortragen. Und die Antworten des Kanzlers könnten zeigen, inwieweit Wirtschaftspolitik jetzt wirklich zur Chefsache wird.