Europäische Zentralbank Leitzinsen sinken zum dritten Mal in diesem Jahr
Vor dem Hintergrund einer sinkenden Inflation hat die EZB erneut die Leitzinsen gesenkt - seit Sommer bereits das dritte Mal. Der am Finanzmarkt richtungsweisende Einlagenzins fällt auf 3,25 Prozent.
Die Europäische Zentralbank (EZB) reagiert auf die nachlassende Inflationsgefahr im Euroraum mit der bereits dritten Leitzins-Senkung seit dem Sommer. Sie beschloss auf ihrer auswärtigen Ratssitzung in Slowenien einstimmig, den am Finanzmarkt maßgeblichen Einlagensatz um einen Viertelpunkt auf 3,25 Prozent nach unten zu setzen. Zu diesem Zins können Finanzinstitute bei der Zentralbank Geld parken. Der Hauptrefinanzierungssatz, zu dem sich Banken Geld leihen können, wurde im selben Umfang reduziert - auf das neue Niveau von 3,40 Prozent.
Dass die EZB Zinsen zwei Monate in Folge kappt, hat es so seit 13 Jahren nicht mehr gegeben. Hinweise auf die künftige Zinsentwicklung im Jahresverlauf vermied die Zentralbank aber. Auch Präsidentin Christine Lagarde wollte sich auf der Pressekonferenz nicht konkret festlegen: "Wir werden weiterhin einen datenabhängigen Ansatz verfolgen." Man werde "von Sitzung zu Sitzung" entscheiden. "Wir sind in jedem Fall bereit, alle unsere Instrumente im Rahmen unseres Mandats anzupassen", so die Französin.
Erfolge im Kampf gegen die Inflation
Finanzexperten hatten mit dem Zinsschritt von 0,25 Prozentpunkten gerechnet. Denn die Konjunktur im Euroraum schwächelt, während die Inflation stärker als erwartet sinkt. Waren und Dienstleistungen verteuerten sich im September nur noch um durchschnittlich 1,7 Prozent gemessen am Vorjahresmonat, wie das Statistikamt Eurostat in einer zweiten Schätzung heute kurz vor dem Zinsentscheid der EZB mitteilte. Das ist die niedrigste Rate seit April 2021. In einer ersten Schätzung hatte Eurostat noch eine Rate von 1,8 Prozent ermittelt.
Endlich wieder unter der Zielmarke
Damit ist die Inflation in der Eurozone erstmals seit über drei Jahren unter die Zielmarke von zwei Prozent gefallen, die die EZB mittelfristig für den Währungsraum anstrebt. Inflationsraten von mehr als zehn Prozent wie im Herbst 2022 gehören mittlerweile der Vergangenheit an. Im August hatte die Rate immerhin noch bei 2,2 Prozent gelegen. Der jetzt deutliche Rückgang ist mit der Entwicklung der Energiepreise zu erklären. Sie fielen im Jahresvergleich um 6,1 Prozent. Ganz am Ziel sehen Ökonomen die EZB aber trotzdem noch nicht: Denn die Kerninflation ohne schwankungsanfällige Preise für Energie und Nahrungsmittel hält sich weiter zäh. Sie sank im September nur leicht um 0,1 Prozentpunkte auf 2,7 Prozent.
"Die heutige Entscheidung der EZB, den Leitzins um 25 Basispunkte zu senken, ist folgerichtig angesichts einer Inflationsrate unter zwei Prozent und schwacher Konjunkturaussichten", meint Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Dennoch sei der Schritt nicht ganz ohne Risiko: Angesichts der Eskalation im Nahen Osten könne der Rückgang der Inflation nun beendet sein. Gleichzeitig sei die Inflation im Dienstleistungsbereich weiter zu hoch. Die EZB müsse nun genau beobachten, ob sich insbesondere der Anstieg der Löhne wie erwartet abschwäche oder nicht.
Gute Nachricht für die schwache deutsche Wirtschaft
Im Juni hatten die Währungshüter um Präsidentin Lagarde die Zinswende eingeleitet und erstmals seit der Inflationswelle die Leitzinsen um 0,25 Prozentpunkte gesenkt. Im September legten sie dann nach. Nur fünf Wochen danach senkten sie nun den Preis des Geldes erneut: Ob das Zinsstakkato im Dezember weiter geht, wovon viele Experten ausgehen, ließ die EZB jedoch vorerst offen. Sie lege sich nicht vorab auf einen Zinspfad fest.
Bei ihrer Geldpolitik muss die Zentralbank einen Spagat bewältigen. Hohe Zinsen machen Kredite teuer. Das kann die Wirtschaft bremsen und die Inflation dämpfen. Zugleich sind teure Kredite eine Last für Unternehmen und Privatleute, die sich Geld leihen. Sinkende Leitzinsen stützen dagegen zeitverzögert die Konjunktur und sind daher eine gute Nachricht für die schwache deutsche Wirtschaft. Unternehmen können bei günstigeren Krediten leichter investieren und Verbraucher sich billiger verschulden - etwa beim Hausbau.
Mit der Zinssenkung habe die EZB den Konjunktursorgen im Euroraum stärker Rechnung getragen, sagte Heiner Herkenhoff, Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes. Er warnte umgehend vor Illusionen: "Leitzinssenkungen werden die hartnäckige, weil strukturelle Wachstumsschwäche nicht beseitigen. Stattdessen braucht gerade Deutschland entschlossene wirtschaftspolitische Weichenstellungen", sagte Herkenhoff. Sparer müssen derweil mit niedrigeren Zinsen bei ihrer Bank rechnen und geringere Renditen etwa bei Lebensversicherungen in Kauf nehmen.