Händler klagen über Ladenhüter Die vielen Vorurteile gegen das E-Auto
Hohe Preise, wenig Reichweite, schlechtes Ladenetz: Die Gründe, sich (noch) kein Elektroauto zu kaufen, scheinen vielfältig. Doch ist es wirklich alles so schlimm?
Sie fahren komplett elektrisch, haben eine Reichweite von mehr als 400 Kilometern, lassen sich in nur 15 Minuten aufladen und sehen auch noch schick aus: E-Autos der neusten Generation, wie Martin Kloos sie in seinem Autohaus in Ingelheim präsentiert. Und trotzdem zählen sie zu seinen Sorgenkindern. Fast keiner möchte sie kaufen.
Laut Koalitionsvertrag sollen in sechs Jahren 15 Millionen E-Autos auf den Straßen unterwegs sein. Derzeit sind es gerade Mal ein Zehntel davon, rund anderthalb Millionen. Um jenes 15-Millionen-Ziel zu erreichen, müssten von nun an jedes Jahr 90 Prozent der Neuzulassungen Autos mit Akku an Bord sein. Danach sieht es nicht aus: Im September verzeichnete das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) fast 35.000 neue E-Pkw - bei insgesamt fast 250.000 Neuzulassungen. Also statt 90 nur knapp 17 Prozent.
Was die Autos auf dem Hof den Händler kosten
"Die Nachfrage ist sehr zurückgegangen", erzählt Autohändler Kloos. "Die Leute sind einfach komplett verunsichert aufgrund des abrupten Wegfalls der staatlichen E-Auto-Förderung im vergangenen Jahr." Quasi über Nacht hatte die Bundesregierung Mitte Dezember 2023 die staatliche E-Auto-Förderung von 4.500 Euro abgeschafft. Seitdem erschwerten auch höhere Zinsen die Finanzierung und damit den Absatz. "Die Leute sind natürlich deutlich vorsichtiger geworden", sagt Kloos.
Jene E-Autos, die eigentlich auf der Straße unterwegs sein sollten, aber stattdessen den Verkaufsraum schmücken, bedeuten für manche Händler nicht nur keine Einnahmen. Die Ladenhüter kommen sie auch teuer zu stehen, wie Kloos erklärt. Denn Fahrzeughändler wie er kaufen immer auch sogenannte "Lagerwagen" beim Hersteller, um sie Kunden präsentieren zu können. Drei Monate nach der Bestellung werden bei manchen Herstellern sieben Prozent Zinsen auf den Einkaufspreis fällig.
"Wenn sie sich vorstellen: Wir haben zurzeit fünf Millionen Euro Bestand an Fahrzeugen auf dem Hof. Das lässt sich leicht rechnen, was die Millionen Fahrzeugbestand kosten", so der Autohändler. Die Folge: Verkauf unter Einkaufspreis kommt Händler billiger. "Dass das Auto vom Hof ist, um die Liquidität zu sichern: Das ist das Allerwichtigste."
Das Netz ist besser als sein Ruf
Dass E-Autos nicht in Kolonnen von den Höfen rollen, habe vor allem mit Skepsis zu tun, erklärt Beatrix C. Keim, Automobilexpertin am "Center Automotive Research" (CAR): "Neben der eingestellten Prämie sind es auch viele Mythen und Ungewissheit auf Seiten der Kunden wie der gefühlte Mangel an Ladeinfrastruktur."
Von einem "gefühlten" Mangel spricht Keim, weil sie die Lademöglichkeiten hierzulande deutlich besser bewertet als gemeinhin angenommen: "Es gibt mittlerweile ein gutes Ladeinfrastrukturnetz an Tankstellen und Supermärkten. Laut Statistik sind 30 Prozent aller europäischen Schnellladepunkte in Deutschland. Deutschland hat ein sehr gutes Netz. Aber es ist eben nicht mehr so einfach wie das Tanken an der Tankstelle."
Mehr Transparenz an der Ladesäule, vielleicht auch grenzüberschreitend im europäischen Ausland, würde dem Kunden helfen - um Klarheit darüber zu erlangen, welchen Preis er für den Strom aus der Ladesäule vor ihm zu zahlen hat. Aber: "Vereinheitlichung, Transparenz: Da sind natürlich die Energie-Provider gefragt", sagt Keim.
Umwelt- statt Abwrackprämie?
Immerhin: Das E-Auto wird als Zweitwagen beliebter, wie Verkaufsberater Johannes Lehnert vom Autohaus Roth in Daaden im Landkreis Altenkirchen schildert: "Erstwagen im Privatkundenbereich sind relativ selten anzutreffen, weil die Menschen beispielsweise uneingeschränkten Reisekomfort nutzen möchten - die klassische Urlaubsstrecke von 500 bis 800 Kilometer in einem Stück oder mit einer Pause." Danach wolle die Kundschaft aber nicht irgendwo am Urlaubsort eine Ladestation suchen müssen.
Weiteres Problem: Bei allem Neuland, das die Kundschaft betreten muss, muss sie dafür zunächst auch viel zahlen. Auch wenn die Preise für E-Autos ständig sinken, können sich zu wenige Privatmenschen ein E-Auto als Neuwagen leisten. "Keine Abwrackprämie! Aber eine Umweltprämie für jeden, der sich ein E-Fahrzeug kaufen möchte, wäre ratsam", wünscht sich Keim von der Politik.
Kaufhemmnis Akku
Die könnte auch den E-Gebrauchtwagenmarkt ankurbeln. Zwar sind bereits günstige Schnäppchen auf Gebrauchtwagenportalen zu finden; doch auch auf diesem Markt ist ausgerechnet das Herzstück des E-Autos das größte Kaufhindernis: der Akku. Wie sehr hat ihn der Vorbesitzer geschunden, was ist das Auto ohne intakten Energielieferanten noch wert?
Es gilt, Vertrauen zu schaffen. Im Autohaus Roth in Daaden im Westerwald überprüfen Mitarbeiter aufwendig die Akkus von E-Autos und lassen die Ergebnisse unabhängig vom TÜV Rheinland bestätigen. Chef Mike Heirman erklärt, dass sie gebrauchte Akkus sehr genau "durchmessen" können: "Die Ergebnisse sind eigentlich erstaunlich gut."
Käufer, aber auch Fachleute wie er trauten den Akkus deutlich weniger zu, als es tatsächlich der Realität entspreche: "Wenn wir dann ein Testergebnis vorlegen können, dann haben wir schwarz auf weiß etwas, was durch den TÜV bestätigt ist. Und somit hat der Kunde ein deutlich besseres Gefühl, ein gebrauchtes E Auto zu kaufen und zu wissen, der Akku hat noch eine entsprechende Leistung."
Mehr Klarheit würde helfen
Scheint damit die eine Vertrauenslücke gefüllt, tut sich mittlerweile schon die nächste auf: Nach dem Aus der staatlichen Zuschüsse und den Hiobsbotschaften vom Absatzmarkt sorgen nun die kürzlich beschlossenen EU-Strafzölle auf chinesische Elektroautos für Unruhe in den Autohäusern. Martin Kloos in Ingelheim, der auch chinesische E-Autos anbietet, kann derzeit keine neuen elektrischen Fahrzeuge bestellen: "Keiner weiß, was Sache ist: Wenn wir über 35 Prozent Zoll reden, wer soll die Autos noch kaufen?"
Die Branchenexpertin Beatrix Keim glaubt nicht, dass die Strafzölle chinesische Autos merklich verteuern: "So wie ich das einschätze, werden sie nicht komplett weitergegeben, sondern nur jene zehn Prozent, die jetzt schon auf jedes eingeführte Fahrzeug erhoben werden. Die Margen der chinesischen Hersteller sind noch hoch."
Umweltprämie, Abwrackprämie, Strafzölle, Klimakatastrophe: viele Variablen. Und die mögen Unternehmer gar nicht. Martin Kloos hofft auf einen Kurswechsel in der Politik: "Eine langfristige Planbarkeit wäre super, einfach für mich als Unternehmer. Und für meine Mitarbeiter eine Perspektive und einen mittelfristigen Ausblick, dass man weiß: Was passiert die nächsten drei Jahre?"