Mangelnde Nachfrage "Der E-Auto-Gebrauchtmarkt in Deutschland ist tot"
Immer mehr Reichweite, dank besserer Akkus: Die Innovationssprünge bei Elektroautos sind vor allem bei der Batterietechnologie vor groß und kommen in kurzen Abständen - zulasten gebrauchter Stromer.
Die Stimmung von Tanja Herges sinkt Richtung Gefrierpunkt, wenn es um gebrauchte E-Autos geht. Aktuell hat die Gebrauchtwagenverkäuferin aus dem saarländischen St. Ingbert zwei solcher Fahrzeuge mit rein elektrischem Antrieb auf dem Hof stehen. Dort werden sie vermutlich noch länger stehen, denn: "Der E-Auto-Gebrauchtmarkt in Deutschland ist tot. Nachfrage gleich null", sagt Herges.
Deshalb wird sie versuchen, die beiden Strom-Autos ins Ausland zu verkaufen. "In den skandinavischen Ländern und der Schweiz gibt es für die Autos durchaus noch Nachfrage. In Deutschland fehlt einfach das Vertrauen", so Herges.
Kaum Besitzerwechsel bei gebrauchten E-Autos
Nur rund 97.000 gebrauchte Elektroautos wurden in Deutschland im vergangenen Jahr nach Angaben des Kraftfahrtbundesamtes verkauft. Das sind gerade mal 1,6 Prozent des gesamten Gebrauchtwagenmarktes. Woran liegt diese Skepsis? Ein Grund: Die hohen Preise. Im November 23 wurden gebrauchte E-Autos im Schnitt für rund 38.000 Euro auf der Plattform mobile.de angeboten - das sind fast 10.000 Euro mehr, als für gebrauchte Diesel oder Benziner durchschnittlich verlangt wird.
Den meisten potenziellen Käufern ist das viel zu teuer. Sie wollen nach einer Marktanalyse von mobile.de im Durchschnitt rund 14.000 Euro weniger ausgeben. Da passen Angebot und Nachfrage kaum zusammen. Bei Verbrennern ist der Abstand zwischen dem, was die Autos kosten, und dem, was die Händler verlangen, mit etwa 8.500 Euro deutlich geringer. "Wir gehen davon aus, dass die Preise sich im laufenden Jahr weiter reduzieren müssten, um den Konsumentenerwartungen wieder zu entsprechen", sagt mobile.de-Sprecher Nils Möller.
E-Gebrauchtwagenpreise sinken im Schnitt stärker
Schon Ende 2023 waren die tatsächlichen Verkaufspreise unter Druck geraten. Drei Jahre alte E-Autos wurden laut Branchenverband DAT 4,3 Prozent billiger verkauft als zu Jahresbeginn. Bei gleich alten Benzinern (0,5 Prozent) und Dieseln (2,7 Prozent) war der Preisrückgang geringer.
Da einige Hersteller bei neuen E-Autos mittlerweile immer höhere Rabatte anbieten, werden auch die Gebrauchtwagenpreise weiter abrutschen. Doch dadurch könnte die Zurückhaltung der Kunden eher noch weiter ansteigen, denn der Wiederverkaufswert in ein paar Jahren ist aktuell nicht realistisch zu beziffern. Deshalb entscheiden sich laut mobile.de beim gebrauchten E-Wagenkauf im Vergleich zu Verbrennern auch vier Mal so viele Kunden für ein Leasingmodell.
Nach wie vor hohe Preise und unklarer Restwert, dazu auch eine noch geringe Modellvielfalt bei den Gebrauchten: Da rollt ein großes Problem auf die Händler zu, denn die Zahl der Leasingrückläufer und gebrauchten Geschäftswagen wird in diesem Jahr deutlich steigen. Jedes Auto, das beim Händler auf dem Hof steht, belastet die Bilanz - besonders Elektrische, erläutert Gebrauchtwagenhändlerin Herges. "Die Restwerte, die am Anfang des Leasings festgelegt wurden, haben gestimmt. Die passen aber zum jetzigen Markt nicht mehr. Das heißt, es ist von Anfang an klar, du machst ein Minusgeschäft."
Der Akku, die große Unbekannte
Der größte Unsicherheitsfaktor für Kunden ist der Antrieb selbst - vor allem der Akku. Er ist das Kernelement des Autos und kann fast die Hälfte des Wertes ausmachen. Die meisten Hersteller geben darauf mittlerweile acht Jahre Garantie. Dennoch empfiehlt der ADAC vor einem Kauf eines gebrauchten E-Autos, den "state of health", also den "Gesundheitszustand" der Batterie prüfen zu lassen. "Dann wissen Sie relativ genau, ob Sie da jetzt die Katze im Sack kaufen oder ob das Auto noch gut ist", erläutert ADAC-Sprecher Micha Gebhardt.
Bisher gibt es beim Batterie-Gesundheitsstatus noch keine einheitlichen Prüfstandards. Oft können die Händler nur ihre eigene Marke auslesen. Aber es gibt erste Systeme, die fast alle Modelle überprüfen können. Bis Mitte des Jahres will der KfZ-Dachverband sich auf eine einheitliche Schnelltest-Lösung für alle Händler und Werkstätten festlegen. Experten empfehlen, beim Gebrauchtwagenkauf auf ein Batterie-Zertifikat zu bestehen.
Auch beim Laden hakt es noch
Neben dem Preis und der Batterie hapert es in Deutschland nach Angaben des KfZ-Dachverbands auch nach wie vor an einer leistungsstarken Ladeinfrastruktur. Auch ein Grund, warum E-Autos sich beim Übergang in den Privatsektor so schwer tun und immer noch eher ein Nischenprodukt sind. Seit Einführung der Umweltprämie wurden laut offizieller Statistik 80 Prozent der Förderanträge von Unternehmen gestellt. Wegen der Steuervorteile waren elektrische Firmenwagen besonders attraktiv.
Dabei hatte die Bundesregierung eigentlich sehr ambitionierte Pläne. Bis 2030 sollten auf deutschen Straßen 15 Millionen E-Autos rollen, kündigte Bundeskanzler Olaf Scholz im Dezember 2021 an. Ohne einen funktionierenden Gebrauchtmarkt - da sind sich die Experten einig - ist dieses Ziel utopisch.