Wirtschaftspolitik der Ampel Viel Lärm um zwei Gipfel
Der Kanzler lädt zum Industriegipfel - doch die Koalitionspartner bleiben außen vor. Dass die FDP nun zu einer Konkurrenzveranstaltung bittet, hat den Ton zwischen SPD und Liberalen erneut verschärft.
Besonders in der Wirtschaftspolitik wird der unterschiedliche Kurs der drei Ampel-Koalitionäre gerade deutlich. Sinnbildlich dafür stehen zwei Termine, die für den morgigen Dienstag anberaumt sind. Zum einen hat Kanzler Olaf Scholz ins Kanzleramt geladen. Dort trifft er am Nachmittag Industrieverbände, Gewerkschaften und ausgewählte Unternehmen zu einem Industriegipfel, um über Wege aus der Wirtschaftsflaute zu sprechen. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) bleiben außen vor.
Die FDP-Fraktion im Bundestag bittet nun ihrerseits zu einem weiteren Wirtschaftstreffen, das bereits am Vormittag stattfinden soll. Geladen sind Arbeitgeberverbände (BDA), Industrie und Handelskammer (DIHK), der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) und Familienunternehmen. Lindner ist Gast in dieser Runde, auch FDP-Fraktionschef Christian Dürr nimmt daran teil.
Esken: "Schon ein bisschen kindisch"
SPD-Co-Chefin Saskia Esken kritisierte das Alternativtreffen. Natürlich sei es normal, dass Parteien mit der Wirtschaft redeten. "Dass es aber an dem Tag stattfindet, wo der Bundeskanzler zu seinem Industriegipfel ins Bundeskanzleramt eingeladen hat, ist schon ein bisschen kindisch", sagte Esken den TV-Sendern RTL/ntv.
Inhaltlich sprach sie sich für mehr private Investitionen neben staatlichen Maßnahmen aus. "Es gibt eine Menge Vermögen, das in Deutschland auf der hohen Kante liegt, derzeit nicht investiert wird", sagte sie bei RTL und ntv. Esken sprach sich auch weiter für eine Reform der Schuldenbremse aus. "Investitionen, die sich rentieren, die auch über Jahre wirksam werden, die müssen über Schulden, über Kredite finanzierbar werden."
Miersch und Dröge drängen auf Lösungen
SPD-Generalsekretär Matthias Miersch mahnte vor den Gesprächen mehr Lösungsorientierung an. "Alberne Ränkespiele müssen aufhören. Ich erwarte, dass meine Koalitionspartner jetzt konzentriert und lösungsorientiert arbeiten", sagte Miersch den Zeitungen der Mediengruppe Bayern. "Verschiedene Ansätze können Durchbrüche bringen, wenn es echte Bereitschaft zur Zusammenarbeit gibt."
Ähnlich äußerte sich die Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge. "Wir brauchen keine Konkurrenz-Gesprächskreise von Finanzminister und Kanzler, sondern gemeinsame Lösungen in der Bundesregierung", sagte sie der Nachrichtenagentur dpa.
Kubicki attackiert den Kanzler
Vonseiten der FDP hingegen richtet sich scharfe Kritik an Scholz' Industriegipfel. FDP-Vize Wolfgang Kubicki verteidigte die Veranstaltung seiner Partei und stellte dabei gar die Kompetenz des Regierungschefs infrage: "Da es der deutschen Wirtschaft hundsmiserabel geht, macht ein Austausch mit Wirtschaftsvertretern immer Sinn", sagte Kubicki der Süddeutschen Zeitung. "Es ist gut, dass die FDP diese Gespräche führt. Wir dürfen das keinesfalls Dilettanten überlassen."
FDP-Fraktionschef Dürr sagte im ZDF, es gehe nicht um eine "Parallelveranstaltung". Angesichts der großen Probleme der Wirtschaft sei der FDP aber "die industriepolitische Perspektive für die Großindustrie ein bisschen zu eng." Forderungen aus der SPD nach mehr staatlichen Investitionen wies Dürr zurück. Nicht mehr Steuerzahlergeld sei die Lösung, sondern Entlastungen und ein echter Bürokratieabbau. Bei staatlichen Investitionen sei das Land schon besser geworden. 90 Prozent der Investitionen würden aber von privaten Unternehmen getragen. Für diese müssten die Rahmenbedingungen verbessert werden.
Merz sieht Regierung am Ende
CDU-Chef Merz warf der Bundesregierung mit Blick auf die beiden separaten Treffen "Kindergartenspiele" vor. "Nein, diese Regierung ist nicht mehr handlungsfähig. Sie ist am Ende", sagte Merz am Sonntagabend in der ARD. "Und das werden wir in den nächsten Tagen auch nochmal durch diese Gipfel und wie sie alle heißen, eindrucksvoll bestätigt bekommen. Da geht leider nichts mehr."
Wirtschaft fordert gemeinsame Strategie
Und was sagen die, um die es morgen geht? Die Wirtschaft dringt auf eine stärkere Senkung der Energiekosten als bisher geplant. "Niedrigere Preise für wenige Großbetriebe und bürokratische Förderprogramme allein sind dafür kein ausreichendes Konzept", sagte der Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Peter Adrian, der Rheinischen Post.
Der BDI fordert, dass die Bundesregierung in der Wirtschaftspolitik an einem Strang zieht. Statt "unterschiedlicher Thesenpapiere und Gesprächsformate" sei eine "gemeinsame wirtschaftspolitische Strategie" nötig, die Wachstumskräfte stärke, heißt es aus dem Verband. Dafür müssten die staatlichen Rahmenbedingungen verbessert und Unternehmen von Fesseln befreit werden, die derzeit Investitionen ausbremsten.
Besondere Brisanz erhält der Industriegipfel durch die Zuspitzung der Krise des größten deutschen Autokonzerns VW. Nach Informationen des ARD-Hauptstadtstudios wird auch VW-Chef Oliver Blume anwesend sein. "Wir erhoffen uns konstruktive Beratungen, an deren Ende konkrete Maßnahmen stehen, die die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland fördern und die Rahmenbedingungen für den Hochlauf der E-Mobilität verbessern", sagte ein VW-Sprecher.
Scholz und die "industriepolitische Agenda"
Dass bereits nach der morgigen Runde bei Scholz konkrete Lösungen präsentiert werden, ist allerdings eher unwahrscheinlich. Die Inhalte sollen nach den Vorstellungen des Kanzlers vertraulich bleiben. Eine Pressekonferenz nach dem Treffen wird es nicht geben.
Scholz hatte den Gipfel vor knapp zwei Wochen in einer Regierungserklärung im Bundestag angekündigt. Er soll der Auftakt für mehrere Gespräche mit Wirtschaftsvertretern sein. Das Ziel des Kanzlers: "Eine neue industriepolitische Agenda". "Das, was dabei rauskommt, werde ich diesem Parlament vorschlagen, auch auf den Weg zu bringen, damit es vorangeht in Deutschland", hatte er versprochen.
Ergebnisse seien von dem Treffen nicht zu erwarten, sagte auch der stellvertretende Regierungssprecher Wolfgang Büchner. Der Kanzler wolle vielmehr hören, welche Reformen über die von der Ampel-Regierung bereits beschlossenen Schritte hinaus nötig seien, um die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen.
Das Treffen sei nur der Auftakt für eine Reihe von Gesprächen des Kanzlers mit der Wirtschaft. Die Koalitionspartner Grüne und FDP sollten bei späteren Treffen dabei sein, hieß es.