Nach israelischem Luftangriff Irans Religionsführer reagiert gemäßigt
In strategischen Fragen hat Irans Staatsoberhaupt Chamenei das letzte Wort. Seine erste Reaktion auf Israels Angriff fällt ungewöhnlich moderat aus. Israels Premier spricht hingegen von einem "präzisen und mächtigen" Schlag.
Irans Religionsführer Ajatollah Ali Chamenei hat nach dem israelischen Angriff auf iranische Militäranlagen ein überlegtes Vorgehen angemahnt. "Es soll das getan werden, was dem Wohl dieses Volkes und Landes entspricht", sagte Chamenei laut der Staatsagentur IRNA bei einer Veranstaltung in Teheran. Die Angriffe von vor zwei Nächten sollten "weder überbewertet noch unterschätzt werden".
Auf dem Onlinedienst X nannte Chamenei den Angriff eine "Fehlkalkulation". Die iranische Regierung müsse nun entscheiden, was getan werden müsse, "um dem Feind die Macht des iranischen Volkes zu demonstrieren", so das 85-jährige Staatsoberhaupt.
Iran behält sich Recht auf Gegenangriff vor
Chameneis Worte fallen vergleichsweise moderat aus. Nach der Tötung iranischer Generäle oder Anführer der mit dem Iran verbündeten Hisbollah und Hamas hatte er in den vergangenen Monaten Rache gegen Israel geschworen. Seine Äußerungen gelten als letztes Wort, an dem sich sowohl Regierung als auch Militär orientieren.
Iranische Regierungsvertreter und Medien spielten den Angriff in den vergangenen Tagen herunter und betonten die Verteidigungsfähigkeit des Landes. Eine direkte Reaktion hat die Regierung bisher nicht angekündigt. Der Iran behalte sich das Recht vor auf Israel "kriminelle Aggression" zu antworten, schrieb der Außenminister des Landes heute an den UN-Generalsekretär, wie sein Ministerium in Teheran mitteilte.
Bei dem israelischen Angriff waren nach offizieller Darstellung vier Soldaten getötet und mehrere Militärstandorte wie Radaranlagen beschädigt worden. Der iranische Präsident Massud Peseschkian würdigte die getöteten Soldaten und lobte ihre Bemühungen, "ihr Land ohne Angst zu verteidigen".
Netanyahu: Angriff hat seine Zeile erreicht
Israel erklärte seinen Angriff zur Antwort auf den iranischen Raketenbeschuss Israels vor knapp vier Wochen, den zweiten direkten Angriff innerhalb von sechs Monaten. Israels Militär und seine Verbündeten im Westen warnten Teheran vor einer erneuten Reaktion.
Der israelische Regierungschef Benjamin Netanyahu äußerte sich auf einer Gedenkveranstaltung für die Opfer des Hamas-Massakers am 7. Oktober vergangenen Jahres erneut zu dem Angriff. Dieser sei "präzise und mächtig" gewesen und habe "alle seine Ziele erreicht". Die Luftwaffe habe zahlreiche Ziele im Iran angegriffen. "Wir haben die Verteidigungsfähigkeit des Iran schwer beschädigt, ebenso wie ihre Fähigkeit, Raketen herzustellen, die gegen uns gerichtet sind."
Proteste unterbrechen Gedenkveranstaltung
Israel befinde sich in einem existenziellen Kampf gegen die "Achse des Bösen" unter Führung des Iran, sagte Netanyahu. Israels Feinden müssten dabei einen "sehr hohen Preis" zahlen. Der israelische Premierminister wandte sich auch direkt an das iranische Volk: "Unser Kampf ist nicht gegen euch, sondern gegen das tyrannische Regime, das euch unterdrückt und die ganze Region bedroht."
Netanyahu wurde bei der landesweit live übertragenen Gedenkfeier auf dem Herzlberg in Jerusalem von Demonstranten unterbrochen. Sie riefen "Schande über Sie", woraufhin der Regierungschef seine Ansprache kurz nach deren Anfang stoppen musste. Viele Israelis machen Netanyahu dafür verantwortlich, dass noch nicht alle Geiseln der Hamas-Terrormiliz im Gazastreifen befreit wurden.
Satellitenbilder von Planet Labs PBC zeigen anscheinend beschädigte Gebäude auf dem iranischen Stützpunkt Parchin
Satellitenbilder sollen Schäden zeigen
Bei dem israelischen Angriff wurden offenbar Einrichtungen auf einem geheimen Militärstützpunkt südöstlich von Teheran und auf einem weiteren Stützpunkt beschädigt. Satellitenfotos von Planet Labs PBC zeigen ein anscheinend komplett zerstörtes Gebäude und mehrere beschädigte auf dem Stützpunkt Parchin.
Die Internationale Atomenergiebehörde vermutet, dass der Iran dort in der Vergangenheit Tests mit Sprengstoff für mögliche Atomwaffen vorgenommen hat. Nach Angaben der israelischen und US-Regierung wurden bei den Luftangriffen ausschließlich "militärische Ziele" ins Visier genommen, keine Atom- oder Ölanlagen. Der Iran bestreitet, an Atomwaffen zu arbeiten, und beteuert, mit seinem Atomprogramm nur friedliche Absichten zu verfolgen.
In Chodschir, einem Stützpunkt 20 Kilometer von der Innenstadt von Teheran entfernt, waren auf den Bildern mindestens zwei beschädigt Gebäude zu sehen. Dort befinden sich Analysten zufolge ein unterirdisches Tunnelsystem und Einrichtungen für die Raketenherstellung. Das iranische Militär hat bislang keine Schäden auf den beiden Stützpunkten eingeräumt.