Mehrwertsteuererhöhung Teures Essen, verärgerte Gastronomen
Zum Jahresbeginn steigt die Mehrwertsteuer in der Gastronomie wieder auf 19 Prozent. In der Branche herrscht großer Frust. Auch weil nicht abzusehen ist, wie Gäste auf die steigenden Preise reagieren werden.
Michael Näckel sitzt in seinem Restaurant in Berlin-Friedrichshain und trinkt einen Tee. Mit ruhiger Stimme zählt er auf, was in den vergangenen Jahren alles teurer geworden ist: Energie, Personalkosten, Grundnahrungsmittel. "Ganz normales Öl lag früher bei circa zehn Euro für zehn Liter. Zwischendurch ging das hoch bis 40 Euro, momentan sind es rund 15 Euro."
Näckel ist Gastronom und Geschäftsmann. Drei Restaurants gehören zu seiner "Papaya"-Kette, alle in guter Lage - dazu gibt es noch eine Niederlassung im "Kaufhaus des Westens". Wirtschaftlich gehe es seinem Unternehmen momentan eigentlich recht gut, so Näckel.
Einstiegsgehalt über dem künftigen Mindestlohn
Doch 2024 könne das anders aussehen, sagt er und nippt an seinem Tee. Dann, wenn der Staat die Mehrwertsteuerabsenkung auf sieben Prozent für Speisen in Restaurants zurücknimmt - und wieder 19 Prozent fällig werden. Niemand kann sagen, wie die Gäste reagieren werden, doch die Sorgen sind groß: "Ich befürchte, dass wir im ersten Quartal 2024 große Einbrüche sehen werden."
Näckel schaut ernst. Die Mehrwertsteuerabsenkung habe er unter anderem an sein Personal weitergegeben: "Wir liegen mittlerweile bei 13 Euro die Stunde als Einstiegsgehalt. Und damit auf einem Lohnniveau, das bereits jetzt über dem zukünftigen gesetzlichen Mindestlohn des Jahres 2025 liegt."
Wut auf Scholz und die Ampel
Ein paar Kilometer weiter östlich, im brandenburgischen Eggersdorf, betreibt Ute Homann "Das gefleckte Schwein". Hier gibt es deutsche Küche, aber auch Pizza und Burger. Homann bietet das an, was die Gäste wünschen.
Sie schätzt, dass sie die Preise sogar um 15 Prozent erhöhen muss, denn auch Löhne und Energiepreise seien gestiegen. Doch auch sie hat Sorge vor der Reaktion der Kundschaft: "Direkt zum 1. Januar werden wir die Preise nicht ändern. Weil wir uns immer noch fragen: Wie werden die Gäste reagieren?"
Eigentlich wollte sie das Geschäft in absehbarer Zeit an ihren Sohn übergeben, erzählt sie. Doch die Zukunftsaussichten seien ungewisser denn je in ihren über 30 Jahren Berufserfahrung.
Der Gasthof "Das gefleckte Schwein" in Brandenburg - hier sollen die Preise zum Jahresbeginn erstmal stabil bleiben.
Ein Wahlkampfversprechen der SPD
1990 hatte sie klein angefangen, mit einem Imbiss und Eisverkauf, später dann immer wieder ausgebaut. Homann ist fassungslos über die Mehrwertsteuererhöhung: "Wir sind stinksauer. Unsere unfähige Regierung verspricht uns erst, dass die sieben Prozent nie wieder abgeschafft werden - und dann tut sie es doch."
Homann spielt auf eine in der Branche mittlerweile berüchtigte Äußerung von Olaf Scholz an. Als er noch SPD-Spitzenkandidat war, sagte er in einer ARD-Talkrunde über die Mehrwertsteuersenkung auf sieben Prozent: "Das schaffen wir nie wieder ab."
Bis vor kurzem sah es auch so aus, als ob es dabei bleibe. Ingrid Hartges, Hauptgeschäftsführerin des Hotel- und Gaststättenverbands (DEHOGA) sagt: "Politiker aller Parteien hatten uns sehr viel Hoffnung gemacht - dann kam das Urteil aus Karlsruhe und damit die Kehrtwende."
Drei Milliarden Euro mehr Steuern?
Das Urteil der Karlsruher Verfassungsrichter, dass der Nachtragshaushalt der Bundesregierung verfassungswidrig war, hat die Koalition in enormen Zugzwang gesetzt. Sie braucht Geld - unter anderem auch durch eine höhere Mehrwertsteuer in der Gastronomie. Rund drei Milliarden Euro mehr Steuereinnahmen soll das bringen.
Michael Näckel sagt: "Ich habe große Zweifel, dass die rund drei Milliarden, die der Staat sich von der Erhöhung der Mehrwertsteuer verspricht, überhaupt zusammenkommen werden." Denn vermutlich würden weniger Gäste kommen - und diese dann auch noch mehr aufs Geld gucken. Das würde sich schließlich auch in niedrigeren Steuereinnahmen bemerkbar machen.
Lieferdienste zahlen weniger
DEHOGA-Geschäftsführerin Ingrid Hartges sagt, die Branche fühle sich von der Bundesregierung regelrecht ungerecht behandelt. Der Grund: Lieferdienste müssten nur sieben Prozent Mehrwertsteuer abführen. Hartges: "Das ist eine Ungleichbehandlung gegenüber der Gastronomie. Wir verlangen, dass Essen in Deutschland einheitlich mit sieben Prozent besteuert wird."
Langfristig sei das letzte Wort noch nicht gesprochen, sagt Hartges. Ihr Verband wolle weiter für die sieben Prozent kämpfen. Ihre Argumente, so findet sie, "waren gut und werden gut bleiben."