Mehrwertsteuer in der Gastronomie Als Hauptgang ein Preisschock
Zum 1. Januar steigt die reduzierte Mehrwertsteuer auf Speisen im Restaurant wieder auf 19 Prozent. Verbraucherschützer warnen vor "Preisschocks", Gastronomen sorgen sich um ihre Betriebe.
Die Gänsekeule mit Klößen, Rotkraut und Maronen-Orangenjus kostet im "Lehmanns", einem Weinlokal in der Mainzer Altstadt, 29,90 Euro. "Das ist viel", findet Betriebsleiter Kamil Ivecen. Er rechnet vor, dass er seinen Gästen das Weihnachtsmahl nicht günstiger anbieten kann, weil wegen der gestiegenen Lebensmittelpreise allein die Zutaten schon die Hälfte dieses Preises ausmachten.
Wenn der Gastronom an das kommende Jahr, die anhaltend hohe Inflation und die Erhöhung der Mehrwertsteuer denkt, bekommt er Magengrummeln. Denn dann, sagt er, werde er die Gänsekeule für mindestens 38 Euro anbieten müssen. "Mindestens 38 Euro! Wer geht denn da noch essen?", fragt sich Ivecen.
Gaststättenverband: Sieben Prozent sollen bleiben
Ivecen hat viel Erfahrung in der Gastronomie und schon einige gut laufende Cafés und Bars in der Studentenstadt Mainz geführt. Er sagt, er wolle "kein Politikerbashing" betreiben, aber das, was die Ampel in Berlin beschlossen habe, sei schlecht. Und zwar nicht nur für die Gastronomen, sondern auch für die Gesellschaft.
Ivecen fürchtet in Deutschland bald "amerikanische Verhältnisse": "Irgendwann können nur noch sehr gut verdienende Leute im Restaurant essen, der Rest kann nur noch zu Fast-Food-Ketten".
Zusammen mit vielen Kolleginnen und Kollegen aus Mainz hat Ivecen eine Petition des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes e.V. (DEHOGA) unterschrieben. Der Bundesverband fordert, die sieben Prozent Mehrwertsteuer auf Speisen beizubehalten, um die Betriebe zu erhalten. Die Befürchtungen in der Branche sind groß.
DEHOGA sieht Arbeitsplätze und Existenzen bedroht
Der Plan, die Mehrwertsteuer wieder auf 19 Prozent zu heben, stelle Restaurants und Hotels nach drei Verlustjahren in Folge vor existentielle Probleme, so der Verband. Durch massive Umsatzeinbußen in der Corona-Krise sei die Zahl der Unternehmen in der Branche ohnehin schon um 16,1 Prozent zurückgegangen. In den Corona-Jahren 2020 und 2021 hätten etwa 36.000 Betriebe aufgegeben.
Nun seien Gastro-Unternehmen wegen der Inflation und hoher Energie- und Lebensmittelpreise erneut stark unter Druck. Nur aufgrund des verringerten Mehrwertsteuersatzes von sieben Prozent sei es gelungen, die enormen Kostensteigerungen nicht eins zu eins an die Kunden weiterzugeben. Dies werde den Betrieben nun nicht länger möglich sein.
Die daraus folgenden Preissteigerungen würden die Gäste vergraulen, so die Befürchtung. Für Gedeon Naumann, DEHOGA-Vorsitzender in Rheinland-Pfalz, steht fest: "Es stehen Existenzen auf dem Spiel - und Tausende Arbeitsplätze."
Wirtschaftsexperten halten Subventsionsende für sinnvoll
Ganz anders sieht das Friedrich Heinemann, Leiter des Forschungsbereichs "Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft" am Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim. Mit dem Ende der Corona-Pandemie sei die "krisenbezogene Begründung" für die Senkung der Mehrwertsteuer auf Speisen weggefallen.
Der Ökonom findet es nicht plausibel, dass es "bei einem Ende der Steuersubvention zu einem Preissprung in vollem Umfang der Steuerdifferenz" kommen wird. Schließlich habe die Gastro-Branche trotz Steuerermäßigungen erhebliche Preissteigerungen durchgesetzt, während die Preise für Strom und Gas wieder sinken würden.
Auch den von der Branche häufig angeführten Arbeitskräftemangel in der Gastronomie lässt Heinemann nicht als Argument für eine Beibehaltung der niedrigeren Mehrwertsteuer gelten. "Die deutsche Wirtschaft ist in allen Sektoren mit einem wachsenden Arbeitskräftemangel konfrontiert", so Heinemann. Es sei keine Lösung, ausgewählte Branchen zu subventionieren.
Verbraucherschützer: Geld sparen durch "Essen to go"
Sophie Röckert von der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz indes kritisiert, dass mit der Mehrwertsteueranpassung Restaurantbesuche "immer schwerer erschwinglich" werden. Die Menschen müssten sich darauf einstellen, dass die Preise zum 1. Januar erneut steigen werden.
Für alle, die trotzdem nicht auf den Besuch beim Lieblingsitaliener oder das Stammrestaurant um die Ecke verzichten wollen, hat Röckert einen Tipp: "Wenn man mit Freunden essen geht, ist es eine Überlegung wert, sich Gerichte nach Tapas-Art zu teilen. Auf diese Weise können verschiedene Speisen probiert werden, ohne mehrere vollständige Portionen pro Person zu bestellen." Außerdem gibt die Verbraucherschützerin den Hinweis, dass die Mehrwertsteuer auf Außerhausbestellungen bei sieben Prozent bleiben wird.
Ivecen aus Mainz hat für sich und sein "Lehmanns" schon eine Entscheidung getroffen: Er wird sein Mittagstisch-Angebot Anfang kommenden Jahres aus dem Sortiment nehmen. Seine Idee, frisch gekochtes, regionales Essen zu einem fairen Preis anzubieten, sei schon jetzt an die Grenze gekommen. Mit der Mehrwertsteuersteigerung werde das nicht mehr funktionieren, sagt er. Er setzt jetzt alles daran, seine fünf Angestellten halten zu können - und hofft deswegen vor allem eins: dass ihm seine Gäste treu bleiben.