US-Wahl 2024
US-Wahl 2024 "Es ist das Geld, die Macht, die Maskulinität"
Georgia war einer der US-Bundesstaaten, den die Demokraten 2020 überraschend gewannen. Ob Harris diesen Erfolg wiederholen kann, hängt nicht zuletzt von den schwarzen Wählern ab. Wie kommt sie dort an?
Eigentlich ist Evans Primus Musiker. Der 33-Jährige, stets schick gekleidet, spielt sonntags oft die Orgel beim Gottesdienst in der Litman Cathedral in Albany im Süden von Georgia.
Doch zurzeit steckt Evans noch mehr Energie in den Wahlkampf für Kamala Harris. Er weiß, wie knapp das Rennen ist und dass die Demokratin nur gewinnen kann, wenn sie die schwarze Wählergruppe nahezu komplett auf ihre Seite zieht.
Dabei gibt es ein besonderes Problem: schwarze Männer. Viele zögern, für eine Frau zu stimmen.
"Das ist ein Riesenthema, es ist gerade hier im Süden ein kulturelles Problem", sagt Primus. Auch er selbst sei so erzogen worden: dass der Mann sagt, wo es lang geht. "Aber jetzt denke ich nicht mehr so", betont er.
Mit PS-Stärke Wähler ansprechen
Auch Gillian Wallace hat kein Problem, Harris zu wählen. Er trägt Lederjacke, Sonnenbrille und ist nach 40 Jahren als Berufssoldat gerade pensioniert worden. "Ob Frau oder Mann, es geht um Qualifikation. Wer führt, der führt", meint er.
Wallace gehört zur "Viper"-Motorradgruppe und steht bereit, einen Autokorso durch Albany anzuführen. Kurz darauf setzt sich die Riesenschlange von Motorrädern - vor allem Harley-Davidson-Maschinen - und Autos in Bewegung, mittendrin ein Bus der Organisation "Black Voters Matter".
Georgia hat mit 33 Prozent einen besonders großen schwarzen Bevölkerungsanteil. Und hier in Albany sind 75 Prozent der Bevölkerung schwarz.
Wer ein Problem mit Harris hat
Organisiert hat den Autokorso Kanisha Jones. Die 46-Jährige mit rot gefärbtem, kurzem Haar sprüht vor Energie - und lehnt sich immer wieder gefährlich weit aus dem Seitenfenster des Pickup Trucks, den Primus steuert. Sie ruft den Passanten am Straßenrand und in den Vorgärten der Wohnsiedlungen zu: "Geht wählen, wir lieben Euch, aber geht wählen!"
Auch in Georgia ist "early voting", also vorzeitiges Wählen, vor dem 5. November möglich, per Brief oder persönlich im Wahllokal.
Es geht durch die besonders arme East Side von Albany - hier dominieren Straßengangs, die Kriminalitätsrate ist hoch. Für das ganze Viertel gebe es nur zwei Polizeistreifen, sagt Kanisha Jones.
Später folgt ein Wahlkampf-Stopp in einem Barbershop, einem Friseurladen. Dort wird Tyquan Scott gerade das Haupthaar sehr kurz rasiert, der Bart bleibt etwas länger. Hat er ein Problem mit Kamala Harris? Ja. "Sie kämpft vor allem für Frauen- und Transgender-Rechte", meint er.
Und Friseurin Shan Trivia meint, viele Leute würden Donald-Trump-Bashing betreiben, ihn nur schlecht machen. Aber Trump kämpfe für die Leute.
Der Riss geht auch durch Familien
Eine Haltung, die kurz darauf an einer Straßenkreuzung ein 20-Jähriger bestätigt, der sich nur "King", also König nennt - sein Nachname ist sein Spitzname geworden. "Es ist das Geld, die Macht, die Maskulinität" - das alles mache Trump für viele attraktiv, meint King.
Er selbst ist noch unentschieden, wen er wählen soll - seine Mutter wählt Harris, sein Vater Trump.
Die Zweifel nicht überhandnehmen lassen
Nach dem Ende des Autokorsos ist Kanisha Jones begeistert "von der Energie der freiwilligen Helfer". Und auch Evans Primus glaubt weiter an den Wahlsieg von Kamala Harris:
"Wir werden fünf Millionen Stimmen Vorsprung holen", sagt er und lacht ein wenig verlegen. Er weiß, dass das alles andere als sicher ist.
Mehr zu diesem Thema sehen Sie heute auch in den tagesthemen - um 22.15 Uhr im Ersten.
Vor den US-Wahlen haben sich unsere Korrespondenten auf Reisen in vier besonders umkämpfte Bundesstaaten begeben - neben Georgia nach Arizona, Pennsylvania, North Carolina. Sie schildern von dort, wie um die verschiedenen Wählergruppen gekämpft wird.