US-Wahl 2024

Ein Mann gibt seine Stimme in Milwaukee US-Bundesstaat Wisconsin)

US-Wahl 2024 Wo der Kampf ums Weiße Haus entschieden wird

Stand: 05.11.2024 07:35 Uhr

Das Wahlsystem der USA bringt es mit sich, dass einzelne Bundesstaaten entscheidend für Sieg oder Niederlage sein können. In diesem Jahr sind sieben Bundesstaaten besonders umkämpft. Wer sind 2024 die Swing States?

Von Eckart Aretz, tagesschau.de

Mindestens 270 Wahlleute müssen Kamala Harris oder Donald Trump auf sich vereinigen, wenn sie Präsidentin oder Präsident der USA werden wollen. Dabei kommt es nicht auf die Mehrheit in den gesamten USA an. Die Wahlleute werden vielmehr in den einzelnen US-Bundesstaaten bestimmt. Der Ausgang kann in den meisten Bundesstaaten verlässlich vorhergesagt werden. Sieben aber gelten 2024 als besonders umkämpft und könnten daher wahlentscheidend sein. Ein Überblick.

Arizona

Gewinner 2020: Joe Biden

Anzahl der Wahlleute: 11

Arizona war einer der US-Bundesstaaten, die 2020 überraschend, aber auch hauchdünn an Joe Biden gingen und so seinen Sieg über den damaligen US-Präsidenten Donald Trump ermöglichten. Nicht einmal 11.000 Stimmen betrug Bidens Vorsprung. Weil die Republikaner das Wahlergebnis in diesem - wie in vielen anderen Bundesstaaten - anzweifelten, wurde bis weit in das Jahr 2021 hinein nachgezählt.

Erst im September 2021 - als Biden längst als Präsident vereidigt war - konnte das damit beauftragte Unternehmen "Cyber Ninjas" ein Ergebnis vorlegen - und es bestätigte den Erfolg Bidens vor allem im besonders umkämpften Wahlbezirk Maricopa County. An der Lüge Trumps von einem Wahlbetrug änderte dies nichts.

Der Verlust von Arizona war auch deshalb schmerzhaft für die Republikaner, weil sie die Präsidentschaftswahlen in dem Bundesstaat seit 1952 verlässlich gewonnen hatten. Lediglich dem Demokraten Bill Clinton war es 1996 gelungen, in Arizona eine Mehrheit zu gewinnen - ansonsten zählte der Bundesstaat verlässlich zu den republikanischen Staaten. Allerdings mit seit 2012 deutlich schwindendem Vorsprung.

Besonders umkämpft sind 2024 die Stimmen der Latinos - sie stellen rund ein Viertel aller Wähler. Ihre Unterstützung aber für die Demokraten sinkt, zeigen Meinungsumfragen. Das liegt auch an dem wichtigen Wahlkampfthema Migration - Arizona hat eine lange Grenze zu Mexiko. Zum Wahltag (5.11.) lag Trump in fast allen Umfragen vor Kamala Harris. (Quelle hier und nachfolgend: 538). Arizona entsendet elf Wahlleute in das Gremium der Wahlleute.

Georgia

Gewinner 2020: Joe Biden

Anzahl der Wahlleute: 16

In Georgia spielte sich nach der Präsidentschaftswahl 2020 ein Politkrimi ab, der die US-Justiz bis heute beschäftigt und Donald Trump eine Gefängnisstrafe einbringen könnte. Biden hatte Georgia mit einem Vorsprung von gerade einmal 0,2 Prozentpunkten noch knapper gewonnen als Arizona. Daraufhin setzten Trump und sein Umfeld - insbesondere sein Anwalt Rudy Giuliani - die Behörden in Georgia unter Druck, um zu einem anderen Ergebnis zu kommen.

In einem legendären Telefonat am 2. Januar 2021 bedrängte Trump Georgias Wahlleiter Brad Raffensperger, die für ihn nötigen 11.780 Stimmen zu "finden". Raffensperger, ein Republikaner wie Trump, weigerte sich, trotz massiver Drohungen, denen auch seine Familie ausgesetzt war. Die Justiz in dem Bundesstaat wirft Trump und 18 weiteren Personen deshalb eine Verschwörung vor, um das Wahlergebnis zu kippen.

Der Verlust von Georgia kam für Trump ähnlich unerwartet wie die Niederlage in Arizona - Georgia war seit 1972 eine Bank für die Republikaner - auch hier mit der Ausnahme von 1992, als mit dem Demokraten Bill Clinton ein Südstaatler für die Demokraten kandidierte. Wahlforscher begründen die Entwicklung hin zum Swing State vor allem mit dem demographischen Wandel in der stark wachsenden Metropolregion Atlanta, die 2020 mehrheitlich für den Demokraten Biden stimmte.

Auch in diesem Jahr wird ein knappes Rennen erwartet. Ob sich Harris aber im gleichen Maß wie Biden auf einen starken Rückhalt bei der schwarzen Bevölkerung verlassen kann, die mittlerweile rund ein Drittel aller Bürger im Bundesstaat stellt, ist ungewiss. Zum Wahltag lag Trump in deutlich mehr Meinungsumfragen knapp vor Harris. Immerhin beruhigend für die Demokraten: Die Aufsicht über die Wahl führt auch 2024 Brad Raffensperger.

Michigan

Gewinner 2020: Joe Biden

Anzahl der Wahlleute: 15

Michigan mit seiner Automobilindustrie rund um Detroit war viele Jahre ein Bundesstaat, der verlässlich für die Republikaner stimmte, um dann ab 1992 zu einem verlässlich "blauen" Bundesstaat zu werden. Donald Trump durchbrach diese Serie 2016 mit nur knapp 11.000 Stimmen Vorsprung vor Hilary Clinton, bevor Joe Biden 2020 mit einer größeren Mehrheit Michigan zu einem Teil der sogenannten "blue wall" machte - der "blauen Mauer", einer Art Kette von Bundesstaaten im Westen sowie rund um die großen Seen und im Nordosten des Landes, die mehrheitlich für die Demokraten gestimmt hatten.

Michigan hatte in den vergangenen Jahren einen hohen Anteil von Wählern, die sich als "unabhängig" hatten registrieren lassen. Sie sind besonders umkämpft, weil sie jeweils eine wichtige Rolle bei den Erfolgen von Trump und Biden in dem Bundesstaat gespielt hatten.

Ebenfalls im Fokus der Wahlstrategen sind Wähler, die der weißen Arbeiterschaft zugerechnet werden. Harris hat deshalb ihre Bemühungen verstärkt, die Gewerkschaften für sich zu gewinnen - bislang mit weniger Erfolg, als erhofft.

Zum Wahltag lag Harris in mehr Umfragen vor Trump - mit einem insgesamt leichten Vorsprung für die Demokratin. Eine signifikante Zahl von Umfragen sah sie aber gleichauf.

Karte: Swing States in den USA bei der Wahl 2024

Nevada

Gewinner 2020: Joe Biden

Anzahl der Wahlleute: 6

Nevadas Bevölkerung wächst schneller als die der meisten anderen Bundesstaaten, und mittlerweile befindet sich die weiße Bevölkerung hier knapp in der Minderheit, auch wenn sie für sich genommen weiterhin die größte Gruppe stellt. Insofern ist Nevadas Bevölkerung diverser als zum Beispiel die Staaten im mittleren Westen oder an den Großen Seen.

Wachstum und Wandel haben dazu geführt, dass Nevada nicht mehr verlässlich für die Republikaner stimmt, sondern zu einem der umkämpften Bundesstaaten geworden ist. Bei den vergangenen vier Präsidentschaftswahlen siegten die Demokraten. Bei den Gouverneurswahlen waren allerdings bis auf 2018 in den vergangenen Jahren immer die Republikaner erfolgreich.

In Nevada richtet sich der Blick vor allem auf den Bezirk Clark County, der mit dem Großraum Las Vegas zu den größten in den USA gehört und wo rund 75 Prozent der Bevölkerung von Nevada leben. 39 Prozent der Bevölkerung sind laut dem Zensus von 2020 hier weiß, 31 Prozent sind Latinos. Viele sind in der Unterhaltungsbranche beschäftigt. Das verleiht dem Wahlkampfthema "Trinkgelder", das erst Trump und dann Harris aufgegriffen haben, eine besondere Bedeutung.

Anders als in den gesamten USA ist die Arbeitslosigkeit in Nevada zuletzt gewachsen und lag im September mit 5,6 Prozent über dem US-Durchschnitt von 4,1 Prozent. Umfragen haben gezeigt, dass die wirtschaftliche Lage von Wählern am häufigsten als das Thema genannt wird, das ihnen am wichtigsten ist. Zum Wahltag lag Harris in mehr Umfragen minimal vor Harris, im Landesschnitt führte aber Trump hauchdünn.

North Carolina

Gewinner 2020: Donald Trump

Anzahl der Wahlleute: 16

Nimmt man den Ausgang der Präsidentschaftswahlen in North Carolina seit 1968 zum Maßstab, dann ist der Bundesstaat kein Swing State. Nur zwei Mal gelang es den Demokraten, in North Carolina zu gewinnen - 1976 und 2008. Ansonsten war North Carolina für die Republikaner das, was man gemeinhin eine sichere Bank nennt.

2020 trennten Trump und Biden allerdings nur 0,3 Prozentpunkte, und das ließ bei den Wahlstrategen der Demokraten die Hoffnung wachsen, 2024 North Carolina zu einem blauen Staat zu machen. Deutlich mehr Meinungsumfragen deuten allerdings auf einen Sieg von Trump hin - zum Wahltag führte er dort knapp vor Harris.

Rund 61 Prozent der Bevölkerung von North Carolina sind weiß. Demoskopen halten es für entscheidend, dass Harris schwarze und Latino-Wähler (Bevölkerungsanteil 22 Prozent / 11 Prozent) mobilisiert, um den Bundesstaat zu gewinnen.

Frauen stellen mit 51 Prozent die Mehrheit der Bevölkerung und stimmten 2020 mit deutlicher Mehrheit (60 Prozent) für Trump. Das könnte dem Thema Abtreibung in diesem Jahr ein zusätzliches Gewicht verleihen. North Carolina hat allerdings ein im Vergleich liberaleres Abtreibungsrecht, sodass die Republikaner darauf bauen, dass andere Themen wie die Inflation eine entscheidendere Rolle bei der Stimmabgabe spielen werden.

Pennsylvania

Gewinner 2020: Joe Biden

Anzahl der Wahlleute: 19

Allein die Anzahl der Wahlleute macht Pennsylvania zu einem der am meisten umkämpften Bundesstaaten. Die Republikaner hoffen, dass Trump den Bundesstaat für sie zurückgewinnen kann, so wie es ihm schon 2016 gelungen war, bevor Biden 2020 Pennsylvania wieder zu einem "blauen" Bundesstaat machte. Für beide Kandidaten gilt: Verlieren sie Pennsylvania, wird ein Wahlsieg sehr unwahrscheinlich. Folglich fließt massiv Geld in den dortigen Wahlkampf.

Die Bevölkerung in dem Bundesstaat unterscheidet sich vom US-Bundesdurchschnitt in zwei wesentlichen Aspekten: Der Anteil der weißen Bevölkerung ist höher (71 Prozent / 58 Prozent) und die Bevölkerung ist etwas älter (mindestens 65 Jahre: 20 Prozent / 18 Prozent). Trumps Sieg 2016 beruhte vor allem auf seinem Erfolg bei weißen Arbeitern - und Bidens Erfolg 2020 ebenso. Deshalb sind die wirtschaftliche Lage und die Wirtschaftsprogramme der Kandidaten in Pennsylvania von überragender Bedeutung.

Dies dürfte auch ein Grund dafür gewesen sein, dass Harris ihre Position zum Fracking geändert hat - während ihrer ersten Präsidentschaftskandidatur 2019 lehnte sie Fracking noch ab, mittlerweile betont sie, sie werde die Technik nicht verbieten. Die Fracking-Industrie spielt in Teilen Pennsylvanias eine wichtige Rolle. Trump hat im Wahlkampf versprochen, die ersten Tage seiner Präsidentschaft unter anderem unter das Motto "Drill, drill, drill" ("Bohren, bohren, bohren") zu stellen - also die Ausbeutung von Öl- und Gasvorkommen deutlich zu erhöhen, um die Energiepreise zu dämpfen.

Wahlstrategen schauen in Pennsylvania vor allem auf den kleinen Bezirk Erie im Nordwesten Pennsylvanias. Zwar leben hier nur zwei Prozent der gesamten Bevölkerung des Bundesstaates. Und dennoch nennen Demoskopen Erie County einen "Leithammel-Bezirk in einem Leithammel-Staat". Denn so wie Erie abstimmt, stimmt in der Regel auch Pennsylvania ab. Im gesamten Bundesstaat war die Zahl der Umfragen, die Harris oder Trump vorne sahen, fast gleich - mit in einem im Schnitt kleinen Vorsprung für Harris.

Wisconsin

Gewinner 2020: Joe Biden

Anzahl der Wahlleute: 10

Welche Bedeutung die Strategen der jeweiligen Kandidaten einzelnen Bundesstaaten beimessen, lässt sich unter anderem daran erkennen, wohin sie die Nominierungs-Parteitage vergeben. Die Republikaner entschieden sich in diesem Jahr für Milwaukee, der größten Stadt von Wisconsin. Damit setzten sie ein deutliches Zeichen, dass sie den Bundesstaat zurückgewinnen wollten, den Biden 2020 seinerseits für die Demokraten zurückgewonnen hatte.

Die Botschaft kam bei den Demokraten und Kamala Harris an: Gleich nach ihrer Nominierung zur Präsidentschaftskandidatin hielt sie ihre erste Wahlkampfveranstaltung als Präsidentschaftskandidatin in einem Vorort von Milwaukee ab.

Wisconsin hat in den vergangenen Jahrzehnten immer mal wieder für republikanische Kandidaten gestimmt, war aber seit 1988 durchgängig an die Demokraten gegangen. Dass Trump 2016 in dem Bundesstaat erfolgreich war, führten Wahlforscher unter anderem auf die Wählergruppe weißer Arbeitnehmer zurück, die in dem Bundesstaat mit einem vergleichsweise geringen Anteil von nicht-weißen Wählern eine wichtige Rolle spielt. Diese konnte Biden 2020 zum Teil wieder für sich zurückgewinnen.

Kann Harris daran anknüpfen oder Trump Wisconsin zurückerobern? Zum Wahltag lagen beide Kandidaten war die Zahl der Umfragen, die Harris vorne sahen, deutlich größer als die, die Trump einen Sieg prognostizierten - mit einem insgesamt kleinen Vorsprung für die Vizepräsidentin.

So funktioniert das Wahlsystem der USA

Ute Konrad, ARD-aktuell, tagesschau, 05.11.2024 12:00 Uhr

Der Sonderfall Nebraska

Gewinner 2020: Donald Trump

Anzahl der Wahlleute: 5

Nein, Nebraska ist gewiss kein Swing State. Donald Trump kann den Staat gelassen als verlässlich republikanisch verbuchen - so wie stets in den vergangenen 64 Jahren. Trumps Vorsprung auf Harris betrug Ende Oktober satte 18 Prozentpunkte.

Doch anders als in fast allen anderen Bundesstaaten (weitere Ausnahme: Maine) heimst der Sieger nicht alle Wahlleute ein. Drei der fünf Wahlleute werden direkt in Bezirken gewählt. Und so richten sich die Blicke auf den Bezirk Omaha, denn hier stimmten die Wähler 2008 und 2020 mehrheitlich für die Demokraten.

Wiederholt sich dieser Erfolg in diesem Jahr? Umfragen deuten darauf hin. Bleibt es dabei, könnte eine vielleicht entscheidende Stimme mitten aus dem konservativen Nebraska an Kamala Harris und die Demokraten gehen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 08. Oktober 2024 um 07:51 Uhr.