US-Wahl 2024
US-Wahlkampf in Pennsylvania Unentschlossen in den Swing States
Das Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen den US-Präsidentschaftskandidaten Harris und Trump wird sich in den Swing States entscheiden. Kurz vor der Wahl ist hier noch alles offen, denn einige Wähler haben sich noch nicht entschieden.
Es ist "Family Fall Fest", Herbstfest in West Bradford, einer Kleinstadt im Speckgürtel von Philadelphia. Die Band der örtlichen Musikschule School of Rock sorgt für Stimmung - es gibt Hotdogs, Kürbisse zum Bemalen und kurze Touren mit dem traktorgezogenen Heuwagen. Politik spielt kurz mal keine Rolle - und Grace und Libby sind froh drüber.
Als Erstwählerinnen werden sie von den Kandidaten besonders intensiv umworben: "Die Textnachrichten, die ich bekomme - unzählbar", sagt Grace. Sie zieht ihr Handy raus und liest vor: "Grace, wen willst Du wählen? Grace, hast Du eine Plan für die Wahl? Grace, wenn Du nicht Schlange stehen willst, melde Dich hier an! - Es werden immer mehr!"
Dabei haben sich die beiden 20-Jährigen längst entschieden. Sie werden die Kandidatin der Demokraten, Kamala Harris, wählen - weil die für die Rechte von Frauen und die LGBTQ+-Community, zu denen sie sich zählen, eintrete.
Aber die meisten in ihrer Familie sähen das ganz anders, erzählt Libby: "Meine Eltern, sogar mein Bruder leider, viele Tanten und Onkel - sie werden alle Donald Trump wählen", sagt die Studentin mit dem Nasenpiercing. "Das ist zwar enttäuschend, aber dieses Recht hat man eben."
Gespaltenes Land, gespaltene Familien
Die School of Rock ist beim Lieblingslied von Rob angekommen: "You can do magic" von der 80er-Jahre-Folk-Band "America". Der 18-Jährige, das kinnlange braune Haar wie ein Vorhang vor dem Gesicht, zupft den Bass. Sein Vater Chris steht weit rechts von der Bühne, seine Mutter Leah links. Die politische Spaltung in Pennsylvania trennt auch ihre Familie. Leah, Rob und seine Schwestern wollen Harris wählen. Der Vater nicht.
"Wir sind seit 25 Jahren zusammen", sagt Leah Fox. "Und wir reden einfach nicht über Politik. Weil wir verheiratet bleiben wollen." Die Mitfünfzigerin ist zwar im Wählerverzeichnis als Republikanerin registriert. Aber Trump wählen, das könne sie nicht: "Ich wusste schon ziemlich von Anfang an sicher, dass er ein Problem ist", sagt Leah Fox über den Kandidaten der Republikaner.
Sie habe lange in einem Tech-Konzern gearbeitet. Deshalb kenne sie Männer wie Trump: "Sie mögen kurzfristig Erfolg haben. Aber um sich herum machen sie alles kaputt. Das kann ich nicht unterstützen."
Wie bei den beiden vergangenen US-Wahlen, ist das Rennen im US-Bundesstaat Pennsylvania auch diesen November wieder ausgesprochen knapp.
Republikaner, die für Harris werben
Die Wahl 2016 gewann Trump in Pennsylvania mit nur 1,2 Prozentpunkten Vorsprung; 2020 gewann der demokratische US-Präsident Joe Biden dann genauso knapp.
Besonders eng war es für die Demokraten beide Male in Bucks County, nördlich von Philadelphia, wo an den Bauernhöfen am Straßenrand vor allem Trump-Schilder stehen - und in den Vorgärten der Kreisstadt Doylestown primär Schilder für Harris. Auch diesmal wird es wohl ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Die Wechselwählerin Leah Fox will nichts dem Zufall überlassen.
Am Tag nach dem Herbstfest steht sie deshalb mit Greg Page in einem weitläufigen Mittelschichtsviertel mit sehr großen Gärten und sehr hohen Bäumen. Die beiden Republikaner machen hier Haustürwahlkampf für Harris. Fox ist zum ersten Mal dabei. Page, der knapp drei Autostunden entfernt im US-Bundesstaat Virginia lebt und als junger Jurist in der Reagan-Regierung gearbeitet hatte, verbringt schon das achte Wochenende hier.
Trump ist für den 67-Jährigen kein richtiger Republikaner: "Das waren für mich Leute wie Reagan, Lincoln oder Theodore Roosevelt." Die wichtigsten Themen seien für ihn Respekt für Demokratie und Unterstützung für die Ukraine: "Und wenn einem das wichtig ist, kann man nur Harris wählen", sagt Page und marschiert zur ersten Haustür. Erst tut sich nichts außer Hundegebell, dann kommt ein etwas ungehaltener Mittfünfziger raus und ruft: "Was wollen Sie? Kann ich Ihnen helfen?" Die Haustürwahlkämpfer haben ihn beim Gucken des Football-Spiels gestört, er schickt sie weg.
"Auf deine Stimme kommt es an!"
Ein paar hundert Meter weiter haben die beiden "Republicans for Harris" mehr Glück: Scott kommt mit seinen beiden kleinen Kindern raus. Der 40-jährige Lehrer ist nicht nur ein sogenannter "independent", also parteilos. Er hat gehört auch zu den drei Prozent der Wähler in Pennsylvania, die sich laut Demoskopen immer noch nicht entschieden haben. "Auf deine Stimme kommt es an!", erklärt ihm Fox an der Tür.
Und Page informiert ihn darüber, wie viele von Trumps Regierungsmitglieder sich inzwischen vom Ex-Präsidenten abgewandt hätten, darunter auch ehemalige Militärangehörige. "Und denen droht Trump jetzt mit einem Prozess vor einem Militärgericht", sagt Page. "Können sie das glauben?" "Ich weiß nicht, was ich glauben soll", sagt Scott. Festlegen, ob und wen er nun wählt, will er immer sich noch nicht.
Page lässt sich dadurch nicht entmutigen. Bis zur Wahl wird der Anwalt weiter jedes Wochenende hier an Türen klopfen. In Umfragen liegt Harris momentan zwar immer noch minimal vor Trump, aber ihr Vorsprung ist zuletzt eher geschrumpft. Umso wichtiger findet Greg Page seinen Einsatz: "Wenn man nur 1.000 bis 2.000 Leute erreicht, dann kann man die Wahl noch beeinflussen. Das ist schon aufregend!"
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