Gebiete im Norden UN schildern katastrophale Lage im Gazastreifen
Die Vereinten Nationen berichten von entsetzlichen Zuständen im Norden des Gazastreifens. Dabei wird Israel auch die Behinderung von humanitärer Hilfe vorgeworfen. Ein UN-Büro warnt vor einer möglichen "Vernichtung" der Bevölkerung.
Philippe Lazzarini, Generalkommissar des UN-Palästinenserhilfswerks (UNRWA), wirft Israel die Behinderung humanitärer Hilfe im Norden des Gazastreifens vor. "Die israelischen Behörden verweigern weiterhin humanitären Missionen den Zugang zum Norden mit lebenswichtigen Hilfsgütern wie Medikamenten und Nahrungsmitteln", schrieb Lazzarini auf der Plattform X.
Verletzte könnten nicht versorgt werden, weil die Krankenhäuser nach Angriffen keinen Strom mehr hätten, schrieb er weiter. Notunterkünfte für geflüchtete Palästinenser seien so überfüllt, dass einige Menschen auf den Toiletten unterkommen müssten.
Lazzarini forderte Zugang für Hilfsorganisationen zum Norden des Gazastreifens, einschließlich UNRWA. Die Verweigerung humanitärer Hilfe sei ein Zeichen dafür, wie schwach die moralischen Maßstäbe sind, schrieb er und forderte eine Feuerpause als Anfang für ein Ende "dieses endlosen Alptraums".
Israel weist Aussagen zurück
Auch der Vize-Direktor der UNRWA, Sam Rose, sagte dem Sender CNN: "Im Moment gelangt fast nichts in den Gazastreifen".
Israel wies diesen Vorwurf scharf zurück. "Das ist eine Lüge, Sam Rose, und Sie wissen das", erwiderte die israelische Behörde für Palästinenserangelegenheiten Cogat auf der Plattform X. Seit Mai seien 500.000 Tonnen Hilfsgüter auf 26.000 Lastwagen in den Gazastreifen gelangt, fügte die Behörde hinzu. UNRWA sei unfähig, die Güter zu verteilen und versuche dies durch die Verbreitung von Unwahrheiten zu vertuschen.
Die Angaben beider Seiten ließen sich nicht unabhängig überprüfen. Die Beziehungen zwischen UNRWA und Israel sind angespannt: Israel wirft dem Hilfswerk vor, von der islamistischen Terrororganisation Hamas unterwandert zu sein.
UN-Büro warnt vor Israels Militärschlägen
Das UN-Büro für Menschenrechte in den besetzten palästinensischen Gebieten warnte zudem vor einer möglichen "Vernichtung" der Bevölkerung im nördlichen Gazastreifen. Israels Militäroperationen in dem Gebiet könnten dazu führen, hieß es in einer von den UN verbreiteten Mitteilung.
Israel setze eine Kombination aus "unerbittlichen Angriffen, Zwangsvertreibungen und strengen Beschränkungen der humanitären Hilfe" ein. Für die eingeschlossene Zivilbevölkerung im Norden des Gazastreifens sei das Leben "unmöglich" geworden. Viele Menschen stünden am Rande des Hungertodes.
Die israelischen Streitkräfte hätten Häuser und Schulen zerstört, die als Notunterkünfte gedient hätten. Viele Zivilisten hätten angesichts des nahenden Winters keine Zuflucht mehr. Krankenhäuser hätten unter einem großen Mangel an Treibstoff und medizinischem Material zu leiden. Rettungsteams hätten berichtet, dass sie bei ihren Bergungsversuchen blockiert oder angegriffen werden.
Israel weist Beschuldigungen von UN-Menschenrechtsinstitutionen regelmäßig zurück. Die militärischen Angriffe im Gazastreifen seien nötig, um die Hamas auszuschalten. Die Hamas und andere Extremisten überfielen Israel am 7. Oktober vergangenen Jahres - und töteten 1.200 Menschen, zudem wurden 250 Menschen verschleppt.
UN-Chef verurteilt anhaltende Gewalt
Auch UN-Generalsekretär António Guterres meldete sich zu Wort: Er forderte Israel zu einem Ende von Luftangriffen auf Zivilisten auf. "Der Generalsekretär verurteilt eindeutig den anhaltenden und weit verbreiteten Verlust von Menschenleben in Gaza", teilte Sprecher Farhan Haq mit.
Jüngste Angriffe Israels auf Krankenhäuser im Norden des Küstenstreifens verschlimmerten die Lage weiter, dabei müssten Unbeteiligte geschützt werden, hieß es weiter. Der Generalsekretär fordere sofortigen und ungehinderten Zugang für Rettungsteams, um Leben zu retten.
Hunderte sollen Flüchtlingslager verlassen
Hinzukommt die angespannte Lage im nördlichen Flüchtlingslager Dschabalia: Auf Anordnung der israelischen Armee haben dort Hunderte Einwohner ihre Häuser verlassen müssen. In palästinensischen Berichten war von einer Zwangsevakuierung die Rede. Die Mehrheit der Betroffenen suchte diesen Angaben zufolge Unterschlupf in Notunterkünften in der Region oder in Gaza-Stadt. Die meisten weigerten sich hingegen, in den Süden des Gazastreifens aufzubrechen, hieß es.
Nach der Darstellung eines Sprecher der israelischen Armee hätten seit dem Morgen Hunderte Zivilisten das Gebiet über sichere Routen verlassen. Weiter hieß es, mehrere mutmaßliche Mitglieder terroristischer Organisationen seien festgenommen worden. Das israelische Nachrichtenportal Ynet sprach von einem "Massenexodus" aus Dschabalia, wo es seit Wochen zu heftigen Kämpfen kommt.