Humanitäre Lage in Gaza USA erhöhen Druck auf Israel
Die US-Regierung ist besorgt wegen der immer schlechter werdenden humanitären Lage im Gazastreifen. Zwei Minister sollen Israel nach Medienberichten ein Ultimatum gestellt haben. Sollte nichts geschehen, könnten Militärhilfen wegfallen.
Die US-Regierung hat Israel laut Medienberichten aufgefordert, die humanitäre Lage im Gazastreifen innerhalb von 30 Tagen spürbar zu verbessern. Andernfalls drohe ein Verstoß gegen US-Gesetze zur militärischen Unterstützung - was möglicherweise auch die amerikanische Militärhilfe für Israel gefährden könnte.
Wie unter anderem der Sender CNN und die "Washington Post" unter Berufung auf amerikanische und israelische Beamte berichten, wurde das am Sonntag versandte Schreiben gemeinsam von US-Außenminister Antony Blinken und Verteidigungsminister Lloyd Austin verfasst. Es richtet sich an den israelischen Verteidigungsminister Yoav Galant sowie den Minister für strategische Angelegenheiten, Ron Dermer.
In dem Brief äußern Blinken und Austin demnach "tiefe Besorgnis" über die Lage in Gaza. Sie fordern "dringende und nachhaltige Maßnahmen" seitens der israelischen Regierung, um die Situation zu verbessern. Die Zivilbevölkerung müsse Zugang zu Lebensmitteln und anderen lebensnotwendigen Gütern haben, heißt es demnach weiter. Die israelische Regierung trage die Schuld an der Verschlechterung der Bedingungen in Gaza. Laut dem Schreiben sei die Menge der Hilfslieferungen seit dem Frühjahr um mehr als 50 Prozent zurückgegangen, mit dem niedrigsten Stand im September seit Jahresbeginn.
Das US-Außenministerium bestätigte inzwischen, dass sich Blinken und Austin in einem Brief an Israel gewandt haben. "Es sei notwendig, dass die israelische Regierung weitere Maßnahmen ergreife", sagte ein Sprecher.
USA liefert Teile für Raketenabwehrsystem
Gleichzeitig verstärken die USA ihre militärische Unterstützung. Das Verteidigungsministerium teilte mit, dass erste Komponenten des Raketenabwehrsystems THAAD sowie US-Militärpersonal in Israel eingetroffen seien. Das System soll die Verteidigungsfähigkeit des Landes stärken.
Diese Doppelstrategie verdeutlicht den Balanceakt der US-Regierung: Einerseits betont Washington immer wieder sein sicherheitspolitisches Engagement und Israels Recht auf Selbstverteidigung. Andererseits steht die US-Regierung unter innenpolitischem Druck. Kriegsgegner kritisieren das militärische Vorgehen Israels im Gazastreifen scharf und fordern einen Stopp von US-Waffenlieferungen an das Land.
Kritiker zweifeln an Einhaltung der Menschenrechte
Das sogenannte "Leahy"-Gesetz spielt dabei eine zentrale Rolle. Es untersagt den USA, Militärhilfen an Länder zu leisten, deren Streitkräfte in schwere Menschenrechtsverletzungen verwickelt sind. Die Kritikerinenn und Kritiker verweisen auf Zweifel, dass Israel diese Vorgabe einhält. Laut Menschenrechtsorganisationen würden demnach etwa durch die Blockade von Hilfslieferungen, Luftangriffe auf Wohngebiete und den Mangel an Schutz für Zivilisten im Gazastreifen grundlegende Menschenrechtsstandards verletzt.
Israel weist diese Vorwürfe zurück und betont, dass seine Operationen den internationalen Gesetzen entsprechen. Die Debatte über den Kurs der USA gegenüber Israel gewinnt auch im Vorfeld der Präsidentenwahl am 5. November an Bedeutung. Die Frist, die Blinken und Austin in ihrem Schreiben gesetzt haben, endet nach dem Wahltag.
UN fordern Hilfe für libanesische Bevölkerung
Nicht nur in Gaza, auch im Libanon - wo Israel ebenfalls kämpft - hat sich die humanitäre Lage verschlechtert. Die Kinderhilfsorganisation und das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen forderten deshalb eine Ausweitung der Hilfen. Familien lebten unter gefährlichen Bedingungen, erklärten die stellvertretenden Exekutivdirektoren von UNICEF, Ted Chaiban, und des Welternährungsprogramms, Carl Skau, in Köln nach einem Besuch im Libanon.
Viele Kinder seien Opfer von Angriffen geworden, hätten Angehörige und ihr Zuhause verloren und könnten nicht mehr zur Schule gehen, heißt es in der gemeinsamen Stellungnahme. Zudem suchten nahezu 190.000 Vertriebene derzeit in über 1.000 Einrichtungen Zuflucht. Weitere Hunderttausende würden bei Familie und Freunden Schutz suchen. Insgesamt seien rund 1,2 Millionen Menschen betroffen.
Angriffe im Libanon gehen weiter
Unterdessen gehen die israelischen Angriffe im Libanon weiter. In mehreren Regionen wurden am Montag insgesamt 41 Menschen getötet, wie das Gesundheitsministerium mitteilte. 124 weitere seien verletzt worden. Die meisten Menschen wurden demnach bei einem Luftangriff im Norden des Landes getötet. Der Angriff im überwiegend von Christen bewohnten Ort Aito traf nach Angaben von Sicherheitskreisen ein Gebäude, in dem Binnenflüchtlinge Zuflucht gesucht hatten.
Nach Darstellung des israelischen Militärs wurde ein Ziel mit Verbindung zur Terrormiliz Hisbollah angegriffen. Der Fall werde untersucht. Alle Angaben konnten nicht unabhängig überprüft werden.
Die Hisbollah-Miliz hat nach eigenen Angaben einen israelischen Panzer und drei Bulldozer im Südlibanon angegriffen. Die Fahrzeuge seien bei dem Raketenangriff nahe dem Grenzort Ramia in Brand geraten, teilte die Miliz mit.
USA kritisieren auch Angriffe auf Beirut
Die US-Regierung kritisierte auch die Angriffe des israelischen Militärs im Gebiet der libanesischen Hauptstadt Beirut. "Wir haben Israel unmissverständlich mitgeteilt, dass wir ihre fast täglichen Angriffe in dicht besiedelten Gebieten in Beirut ablehnen", sagte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats im Weißen Haus, John Kirby. Israel habe zwar das Recht, "gezielte Einsätze" gegen die Infrastruktur der proiranischen Hisbollah-Miliz durchzuführen, müsse dabei aber auch sicherstellen, dass das Leben von Zivilisten, UN-Blauhelmsoldaten und libanesischen Streitkräften nicht gefährdet werde - wie es bereits geschehen sei. "Das ist inakzeptabel, und wir haben die Israelis um nähere Angaben dazu gebeten", sagte Kirby.
Die israelische Armee und die Terrororganisation Hisbollah liefern sich seit dem Überfall der militant-islamischen Palästinenserorganisation Hamas auf Israel vor gut einem Jahr ständige gegenseitige Luftangriffe. In den vergangenen Wochen weiteten die israelischen Streitkräfte ihre Luftangriffe auf die Hisbollah massiv aus. Zudem starteten sie vor rund zwei Wochen Bodeneinsätze mit Tausenden Soldaten im südlichen Libanon gegen Stellungen der Miliz.