Gazastreifen Leben in Trümmern
Nach einem Jahr Krieg liegt der Gazastreifen größtenteils in Trümmern. Viele Menschen sind tot, die Bevölkerung leidet enorm. Und Experten glauben, dass die Zerstörung langfristige Folgen haben wird.
Es klingt nach normalem Leben in Deir al-Balah, in der sogenannten humanitären Zone in Gaza. Doch die meisten wohnen hier, im Westen des Gazastreifens, in Zelten. Das Gebiet ist mit der Zeit immer kleiner geworden - und immer wieder gibt es israelische Luftangriffe, auch hier.
Nahed Khalaf kommt eigentlich aus Gaza-Stadt. Das Haus, in dem er mal mit seiner Frau und den drei Kindern wohnte, ist zerstört. Jetzt hat er ein kleines Zimmer, immerhin.
"Niemand in Gaza fühlt sich sicher, die Leben von allen sind bedroht. Wenn ich auf der Straße bin und mit den Menschen arbeite, dann bin ich immer wieder in der Nähe der Bomben", sagt er. "Für mich ist das normal geworden, leider. Niemand weiß, was mit ihm passiert, wir sind vom Tod bedroht. Es gibt keine Sicherheit für unsere Leben, nur Krieg."
Nahed Khalaf beschreibt, wie katastrophal die Lage im Gazastreifen ist.
1,9 Millionen Binnenflüchtlinge in Gaza
Um ihn herum gibt es fast nur noch Zerstörung. Der Grad der Zerstörung sei unbeschreiblich, sagt er.
Nach einem Jahr im Krieg gibt es mehr als 42.000 Tote, mehr als 96.000 Verletzte. 15.000 Menschen haben Gliedmaßen verloren und brauchen Behandlung. Die Zahlen stammen vom von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministerium und werden von vielen Organisationen für plausibel gehalten. Sie unterscheiden nicht zwischen Zivilisten und bewaffneten Kämpfern.
Doch Behandlung gibt es kaum für die Menschen: Weniger als die Hälfte der Krankenhäuser in Gaza funktioniert - und auch die nur zum Teil. Die anderen wurden im Krieg komplett zerstört.
Dunkle Flächen: besiedelte Gebiete, Schraffur: militärische Aktivitäten Israels
"Alles wurde von Israel angriffen"
Khalil Aldakra arbeitet im Al-Aksa-Krankenhaus in Deir al-Balah. 1,9 Millionen Menschen in Gaza sind zu Binnenvertriebenen geworden - auch sein Leben ist von einem Jahr Krieg geprägt - und von der großen Zerstörung.
"Das größte Problem ist, dass wir uns nicht sicher fühlen, denn ganz Gaza wurde beschossen und die große Belagerung hat verhindert, dass wir genug Essen, Medizin und Babynahrung haben", erklärt er.
Im Gesundheitswesen bekämen sie kein Gehalt, wie Lehrer und alle Arbeiter. "Manchmal gibt es neun Prozent des Lohns, da ist es schwer zu leben." Sie liefen zur Arbeit, weil es keine Transportmöglichkeiten gebe, vor allem wegen des völligen Mangels an Treibstoff in Gaza, sagt er.
Khalil Aldakra arbeitet im Al-Aksa-Krankenhaus in Deir al-Balah.
Unter den Trümmern sollen noch viele Tote liegen
Chris Whitman leitet das Büro der Hilfsorganisation Medico International in Ramallah, im besetzten Westjordanland. Für ihn ist die Zerstörung des Gazastreifens nach einem Jahr Krieg ohne Beispiel.
"Israel hat mit Absicht große Teile der Infrastruktur, von Wohngebäuden und Bildungseinrichtungen zerstört", sagt er. "Alles wurde von den israelischen Streitkräften angegriffen. Besonders von der Luftwaffe und den Artillerie-Divisionen, manchmal mehrfach."
Die Zahlen, die er aus vielen Analysen und UN-Berichten zusammengetragen hat, verdeutlichen das ganze Ausmaß: Mindestens zwei Drittel der Wohngebäude in Gaza sind demnach zerstört oder schwer beschädigt, 70 Prozent der Schulen - und alle Universitäten. Klär- und Entsalzungsanlagen funktionieren nicht.
Und die Bevölkerung in Gaza leidet - in einem der am dichtesten besiedelten Gebiete der Welt. Die Vereinten Nationen sprechen von 40 Millionen Tonnen Schutt. Unter den Trümmern sollen noch viele Tote liegen. Und Chris Whitman glaubt, dass die Zerstörung der Lebensbedingungen in Gaza sehr langfristige Folgen haben wird.
Der Krieg ist noch nicht zu Ende
Deutlich macht er das am Beispiel der landwirtschaftlichen Flächen, die viele Menschen ernährt haben: "Mindestens 68 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen wurden zerstört", sagt Whitman.
"Wir reden von Flächen, die von Munition getroffen wurden, ein Jahr im Krieg. Dieses Land ist schwer durch Chemikalien verseucht. Und es wird viele, viele Jahre brauchen, dieses Land wieder nutzbar zu machen - wenn das überhaupt gelingt."
In Deir al-Balah, in der sogenannten Humanitären Zone, klingt es nach normalem Leben. Doch eine echte Perspektive haben die Menschen hier nicht. Und der Krieg, der mit dem Terrorüberfall aus dem Gazastreifen auf Israel vor einem Jahr begonnen hat, ist noch nicht zu Ende.