Regierungschef Polens Tusk will Asylrecht aussetzen
Im Kampf gegen illegale Migration will Polens Regierungschef Tusk das Asylrecht vorübergehend aussetzen. Er werde "hart und rücksichtslos vorgehen", sagt er - und geht damit auf Konfrontationskurs mit der EU.
Polen will die illegale Migration begrenzen und dafür das Recht auf Asyl zumindest vorübergehend aussetzen. Das sei eines der Elemente seiner neuen Migrationsstrategie, sagte der liberalkonservative Regierungschef Donald Tusk der Nachrichtenagentur PAP zufolge. "Ich werde die Anerkennung dieser Entscheidung in Europa einfordern." Details nannte er nicht.
Auf einem Parteitag seiner Bürgerkoalition (KO) betonte Tusk, dass der Staat die 100-prozentige Kontrolle darüber zurückgewinnen müsse, wer nach Polen komme und in den EU-Mitgliedsstaat einreise. Er warf dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und dem belarusischen Machthaber Alexander Lukaschenko vor, den Zustrom von Migranten als Teil eines "hybriden" Angriffs zu koordinieren und durch die Schleusung von Migranten über die polnische Grenze die EU destabilisieren zu wollen. Dies stehe "im Widerspruch zum Wesen des Rechts auf Asyl". Die Vorwürfe werden von Lukaschenko zurückgewiesen.
Gemeinsam mit Tschechien hatte Polen in dieser Woche angekündigt, dass beide Länder in Brüssel "eine sehr ernsthafte, politische Debatte über die Migration" fordern würden, und dies bereits beim nächsten Treffen des Europäischen Rates Mitte Oktober. Beide Länder haben viele ukrainische Flüchtlinge aufgenommen.
Drohungen an die EU
Die neue Migrationsstrategie will Tusk am Dienstag dem Kabinett vorstellen. In Bezug auf den EU-Migrationspakt drohte Tusk an, keine europäischen Ideen respektieren oder umsetzen zu wollen, die die Sicherheit seines Landes gefährdeten. Er werde in der Frage "hart und rücksichtslos vorgehen" und die irreguläre Migration auf ein Minimum reduzieren, kündigte er an. Der Aufbau eines Images von Polen als sicheres Land könne Auslandspolen dazu bewegen, in ihre Heimat zurückzukehren.
Warschau und Prag fordern seit Langem einen besseren Schutz der EU-Außengrenzen. Zugleich kritisieren sie die Wiedereinführung von Binnengrenzkontrollen, wie Deutschland dies getan hat. Am Mittwoch sprachen sich Polen und Tschechien in einer gemeinsamen Erklärung für eine Verschärfung der EU-Migrationspolitik sowie eine "strengere und andere Version des EU-Migrationspaktes" aus, der 2026 in Kraft treten soll.
Klarere Regeln zur Visavergabe
Bereits am Donnerstag hatte der polnische Außenminister Radoslaw Sikorski angekündigt, dass Polen seine Bestimmungen für die Vergabe von Visa verschärfen werde. Künftig werde es keine undurchsichtigen Wege für die beschleunigte Erteilung eines Visums mehr geben, sagte Sikorski.
Das EU- und NATO-Land Polen zieht damit die Konsequenz um korrupte Praktiken bei der Visavergabe unter der früheren nationalkonservativen PiS-Regierung, die das Land von 2015 bis 2023 regierte. Das Programm "Poland Business Harbour", das sich vor allem an Selbstständige der IT-Branche aus dem benachbarten Belarus wendete, sei ausgesetzt worden. Auch die Regeln für die Erteilung von Visa aus humanitären Gründen würden überarbeitet.
Ein Bericht des Obersten Rechnungshofs bestätigte Medienberichte aus dem vergangenen Herbst, wonach polnische Konsulate zu Zeiten der PiS-Regierung in Asien und Afrika gegen hohe Summen Visa ausgestellt haben. Diese großzügige Praxis bei der Erteilung der Einreiseerlaubnis stand in starkem Gegensatz zu der fremden- und migrationsfeindlichen Rhetorik der PiS-Regierung.
Im August 2023 war der damalige Vize-Außenminister Piotr Wawrzyk plötzlich entlassen worden. Er soll nach Medienberichten der Drahtzieher hinter dem System gewesen sein. Im Januar wurde Wawrzyk festgenommen. Gegen ihn wird wegen Korruptionsverdacht ermittelt.
Mit Informationen von Jan Pallokat, ARD-Studio Warschau