Ringen um EU-Gipfel-Erklärung Polen und Ungarn forcieren Streit über Asylreform
Beim EU-Gipfel sorgt die Asyl- und Migrationspolitik erneut für Streit. Polen und Ungarn wollen den jüngsten Beschluss der EU-Innenminister rückgängig machen. Eine gemeinsame Position in der Abschlusserklärung des Gipfels verhinderten sie bislang.
Auf dem EU-Gipfel streiten die Mitgliedsstaaten weiter über die Asyl- und Migrationspolitik. Polen und Ungarn verhinderten vorerst die Formulierung einer gemeinsamen Position im Abschlussdokument des Gipfels, wie Diplomaten am frühen Morgen bestätigten. Die Staats- und Regierungschefs verließen das Ratsgebäude gegen halb zwei Uhr morgens, ohne sich auf eine Abschlusserklärung geeinigt zu haben.
Am Donnerstagabend forderte Polen beim Gipfel, die Pläne für eine Asylreform zu überarbeiten und somit die Entscheidung der EU-Innenminister von Anfang Juni rückgängig zu machen. Die damals von der Mehrheit des EU-Staaten beschlossene Regelung sieht vor, dass die Aufnahme von Flüchtlingen künftig nicht mehr freiwillig, sondern verpflichtend sein soll. Länder, die keine Geflüchteten aufnehmen wollen, sollen Ausgleichszahlungen in Höhe von 20.000 Euro je Migranten leisten.
Ablehnung von Flüchtlingsaufnahme und Ausgleichszahlungen
Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban bekräftigte bereits im Vorfeld des Treffens, dass sein Land sich an der geplanten Verteilung von Flüchtlingen in der EU nicht beteiligen und auch keine Ausgleichszahlungen leisten wolle. Ähnlich hatte sich zuvor bereits die polnische Regierung geäußert.
Beide Länder stellen sich damit gegen die Pläne für eine weitreichende Reform des europäischen Asylsystems, die vor knapp drei Wochen per Mehrheitsentscheidung bei einem EU-Innenministertreffen auf den Weg gebracht worden war. Polen und Ungarn hatten als einzige Staaten gegen die geplante Verteilung von Geflüchteten in der EU gestimmt. Die schwedische EU-Ratspräsidentschaft hatte entschieden, bei dieser Abstimmung eine qualifizierte Mehrheit gelten zu lassen.
Der Streit auf dem EU-Gipfel hat keine unmittelbaren Folgen für das laufende Gesetzgebungsverfahren. Über die von den Innenministern per Mehrheitsbeschluss gebilligten Asylkompromiss wird es nun im nächsten Schritt Verhandlungen mit Vertretern des Europaparlaments geben.
Scholz wollte vermitteln
Polen forderte nun, dass jedes EU-Land selbst darüber entscheiden sollte, wie es Länder mit besonders hohen Migrationszahlen unterstützt. Die Aufnahme von Schutzsuchenden sollte freiwillig sein, heißt es in einem Textvorschlag für die Abschlusserklärung des EU-Gipfels, der der Nachrichtenagentur dpa vorlag.
Bundeskanzler Olaf Scholz hatte nach Angaben von Diplomaten im kleinen Kreis versucht, Polen und Ungarn Zugeständnisse abzuringen. Bei seiner Ankunft beim Gipfel hatte er den polnischen und ungarischen Wunsch nach einer Neuverhandlung zurückgewiesen und den Asylkompromiss als "Durchbruch" bezeichnet.
Polen hat derzeit mehr als eine Million Flüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen. Das Land weigert sich aber seit langem, Flüchtlinge aufzunehmen, die über Italien oder Griechenland in die EU kommen.
Der Gipfel soll um 9.30 Uhr fortgesetzt werden. Heute sollen erneut Migration sowie China und wirtschaftlichen Themen auf der Tagesordnung stehen.