Nach Machtwechsel in Polen Duda warnt vor "Terror der Rechtsstaatlichkeit"
Die neue Regierung in Polen hat begonnen, umstrittene Justizreformen ihrer Vorgänger rückgängig zu machen. Der größte Gegenspieler ist Präsident Duda.
Ein verwackeltes Handyvideo. Zu sehen ist der neue polnische Justizminister Adam Bodnar. Hinter der Kamera: der stellvertretende Generalstaatsanwalt Robert Hernand. "Bei allem Respekt vor Ihnen, Herr Minister, wir sind der Meinung, ihr Handeln ist rechtswidrig und wir informieren Sie, Herr Minister, dass wir entsprechende Schritte unternehmen werden", sagt Hernand.
Polnische Staatsanwälte verklagen ihren Vorgesetzten, den Generalstaatsanwalt und Justizminister Adam Bodnar. Dieser Vorgang zeigt, wie hart der Kampf um die Rechtsstaatlichkeit in Polen nach dem Regierungswechsel ausgefochten wird. Bodnar hatte zuvor die Nummer Zwei der polnischen Staatsanwaltschaft, Landesstaatsanwalt Dariusz Barski entlassen. Barski war ein Vertrauter des früheren Justizministers Zbigniew Ziobro und eng mit der Instrumentalisierung der Justiz durch die nationalpopulistische PiS-Regierung verbunden.
Präsident Duda sieht sich als das letzte Bollwerk
Doch die PiS hatte vor ihrer Abwahl im Oktober vorgebaut und die Regeln geändert: Um den Landesstaatsanwalt zu entlassen, braucht es jetzt das Einverständnis von Staatspräsident Andrzej Duda, der sich immer mehr als letztes Bollwerk der PiS mausert. Duda trat am Sonntag ungewohnt wütend auf: "Das soll eine Warnung sein an alle Politiker der Republik, insbesondere an die jetzt regierenden, wohin die Arroganz der Macht führt. Oder wie ich es nenne: 'der Terror der Rechtsstaatlichkeit.'"
Der "Terror der Rechtsstaatlichkeit" - Dudas Worte gelten vielen in Polen als entlarvend. Hatte der Präsident doch acht Jahre lang fast jeden Eingriff der PiS-Regierung in die Gerichte gedeckt. Sein Gegenspieler, Justizminister Bodnar, argumentiert: der Landesstaatsanwalt sei im eigentlichen Sinne gar nicht entlassen worden, weil bereits seine Berufung 2022 unrechtsmäßig gewesen sei.
Der Kampf um die Justiz ist nur einer von vielen
"Mein Hauptziel ist, dass die Staatsanwaltschaft ein unabhängiges Organ wird, das den Bürgern bei der Kriminalitätsverfolgung und der Überwachung der Rechtsstaatlichkeit dient", erklärte Bodnar am Montag. Der von ihm eingesetzte neue Landesstaatsanwalt werde die Funktion nur vorübergehend haben, bis in einem offenen Wettbewerb ein Nachfolger gefunden wird.
Der Streit um die Staatsanwaltschaft und die Rechtsstaatlichkeit ist einer von vielen, in denen die neue Regierung um Premierminister Donald Tusk mit den von der PiS geschaffenen Strukturen kollidiert.
Ex-Präsident: "Minenfeld für die Demokratie"
Das war absehbar, meint Aleksander Kwaśniewski, der bis 2005 polnischer Präsident war: "Acht Jahre lang hat die PiS - häufig auch außerhalb der Verfassung oder an ihrer Grenze - Änderungen an den staatlichen Strukturen vorgenommen und Sicherungen eingebaut für den Fall, dass sie die Macht verliert", sagt er.
"Für die einen war das ein Teil der Reformen, für die anderen ein Minenfeld in der polnischen Demokratie." Das von der Tusk-Regierung begonnene Minenräumen sei außergewöhnlich schwierig und riskant, "denn Minen können explodieren", sagt Kwaśniewski. "Ein Teil ist wohl schon explodiert."
Tusk geht auf Konfrontationskurs
Noch will die neue Regierung nicht einknicken. Justizminister Bodnar kündigte an, er werde per Gesetz eine weitere Erfindung der PiS auflösen: die Personalunion von Justizminister und Generalstaatsanwalt. Regierungschef Tusk erklärte nach einem Treffen mit dem Präsidenten, er strebe genau das an, was Duda "Terror der Rechtsstaatlichkeit" nennt - eine Herrschaft des Rechts.