Polen Was ist aus der PiS-Partei geworden?
Acht Jahre lang hatte die rechtspopulistische PiS-Partei Polen ihren Stempel aufgedrückt. Seit ihrer Abwahl 2023 ist sie vor allem mit sich selbst beschäftigt - doch ihre Rückkehr ist nicht ausgeschlossen.
Es ist ein schwerer Tag für Jaroslaw Kaczynski. Normalerweise tritt der "Prezes", der mächtige Vorsitzende der rechtspopulistischen PiS-Partei allein vor die Presse. Diesmal hat er als Beistand den Parteivorstand und noch etliche andere hinter sich positioniert. "Ich appelliere an alle polnischen Patrioten", beginnt Kaczynski, "überweisen Sie uns selbst kleine Summen wie zehn Zloty auf unser Konto."
Es ist Ende August, ein knappes Jahr, nachdem die PiS die Parlamentswahlen zwar gewonnen hat, aber sich mangels Koalitionspartner nicht an der Macht halten konnte. Und Kaczynski muss seiner Anhängerschaft gestehen, dass die Partei hochverschuldet ist.
Nur zwei Tage zuvor hatte zudem Sylwester Marciniak, der Vorsitzende der Nationalen Wahlkommission, erklärt, der PiS würden staatliche Beihilfen gestrichen: "Die Wahlkampfzuschüsse hätte über 38 Millionen Zloty betragen. Infolge der Verstöße werden es zehn Millionen weniger sein."
PiS mit finanziellen Problemen?
Das wären Einbußen von umgerechnet gut 2,3 Millionen Euro. Dass die Partei, als sie noch an der Macht war, Steuergelder auch für Parteizwecke eingesetzt hatte, war kein Geheimnis. Jetzt gibt es eine neue Regierung, eine neue Wahlkommission, und die PiS muss sich plötzlich verantworten.
Aber es kommt noch härter: "Ernsthafter ist die Frage der Parteizuschüsse. In den kommenden drei Jahren wird die Partei keine Subventionen mehr erhalten", fährt Marciniak fort.
Umgerechnet gut 32 Millionen Euro hätte die PiS in dieser Legislaturperiode erhalten sollen. Der Großteil davon könnte jetzt wegfallen. Noch sind das nur Ankündigungen. Aber für einen Moment sieht es Ende August aus wie das Ende der Partei.
Machtkämpfe in der PiS
Kaczynski hat nicht nur finanzielle Sorgen. Die liberal-konservative Regierung um Donald Tusk treibt mit Untersuchungsausschüssen und der Staatsanwaltschaft die Abrechnung mit der PiS voran, die sie vor der Wahl versprochen hatte. Kaczynski hat derweil Mühe, die Partei überhaupt zusammenzuhalten.
Denn auch intern drohen Machtkämpfe, die Partei zu zerreißen, sagt der Politikjournalist Grzegorz Osiecki: "Wir beobachten schon seit zwei, drei Jahren eine Art Thronfolgekrieg in der PiS. Er findet hinter den Kulissen statt." Noch vor kurzem habe Kaczynski erklärt, er werde die Führung abgeben. "Aber daran glaubt niemand", sagt Osiecki.
Mit mehreren bisher zentralen Figuren hat sich Kaczynski inzwischen überworfen. Als Kronprinz gilt derzeit Mariusz Blaszczak. Der frühere Verteidigungsminister steht für die massive Aufrüstung des polnischen Militärs, gilt aber vor allem als nahezu bedingungslos loyal zum Parteivorsitzenden.
PiS profitiert vom Justizchaos
Die PiS hat zwar Probleme, gescheitert ist sie aber noch lange nicht. Nur einen Monat nach dem Spendenaufruf kann die Partei verkünden, mehr als 60.000 Menschen hätten eingezahlt. Selbst wenn man herausrechnet, dass alle Mandatsträger der Partei zum Zahlen verpflichtet wurden, ist das eine beeindruckende Zahl.
So seien bereits umgerechnet knapp sieben der acht Millionen Euro Schulden abbezahlt worden. Zudem dürften viele Parteimitglieder beruhigt feststellen, dass trotz aller Skandale, Prozesse, Streitigkeiten und Finanzprobleme die PiS stabil auf etwa ein Drittel der Wählerschaft zählen kann.
Selbst die Ankündigung der staatlichen Wahlkommission, der PiS das Geld zu streichen, könnte sich noch zum Vorteil wenden. Während ihrer Regierungszeit hatte die PiS massiv in die Unabhängigkeit der Gerichte eingegriffen. Jetzt kommt ihr das selbst gestiftete Chaos zu Gute.
Denn über die Partei- und Wahlkampfzuschüsse müsste am Ende der Oberste Gerichtshof entscheiden, und der ist mit indirekt von der PiS ausgewählten, sogenannten Neo-Richterinnen und Richtern besetzt.
Ihre Urteile werden beispielsweise vom polnischen Justizminister nicht mehr anerkannt. Sollte das Oberste Gericht zu Gunsten der PiS und gegen die Wahlkommission entscheiden, dann müsste diese sich verhalten - Urteil anerkennen oder ignorieren.
Also wird im Moment erstmal gar nicht entschieden, das Verfahren steht still. Stand jetzt erhält die PiS die vollen Zuschüsse - zusätzlich zu den gesammelten Spenden.
Kaczynski ist Überlebensgarant und Ballast zugleich
Kaczynski gibt das Zeit, um seine PiS für die Präsidentschaftswahl im Mai 2025 vorzubereiten. Die sei für ihn womöglich die letzte Chance, meint der Politologe Antoni Dudek. Denn die PiS habe sich in den acht Jahren an der Macht verändert, "von einer politischen Sekte zu einer Machtpartei. Und eine Machtpartei ist machtsüchtig."
Sollte der PiS-Kandidat - Kaczynski hat bereits erklärt, eine Frau komme nicht in Frage - scheitern, so vermutet Dudek, dürfte es auch für Kaczynski eng werden.
Wer für die Partei antritt, ist noch nicht klar. Willige Kandidaten gibt es einige, entscheiden wird aber nur einer: der "Prezes“, Jaroslaw Kaczynski.