Treffen in Brüssel zu Asyl Warum die EU schon wieder über Migration streitet
Eigentlich hatte die EU sich gerade erst auf einen Asylpakt geeinigt - doch nun war Migration schon wieder das bestimmende Thema des Gipfeltreffens. Das hat auch mit dem Rechtsruck in einigen Mitgliedsstaaten zu tun.
Von einer "extrem tiefgründigen Debatte" spricht nach seinem letzten EU-Gipfel als Ratspräsident Charles Michel, "umfassend" nennt sie Kommissionschefin Ursula von der Leyen, "sehr konstruktiv" Bundeskanzler Olaf Scholz: Bis in den späten Abend hinein befasst sich dieser EU-Gipfel am Donnerstag mit der Migration, nachdem die Tagesordnungspunkte Ukrainekrieg und Nahostkonflikt bereits am Vormittag und am Nachmittag abgearbeitet worden waren.
Europas politische Landkarte verändert sich
Obwohl sich die EU gerade erst und nach jahrelangen Verhandlungen auf einen Asylpakt geeinigt hat, steht das Thema nun doch wieder weit oben auf der Tagesordnung. Die Zahl der Ankommenden nimmt zwar ab, aber es geht auch um die, die europäischen Boden wieder verlassen sollen, dies aber nicht tun.
Diese Debatte ist gerade in Deutschland durch Fälle wie den tödlichen Messerangriff von Solingen wieder entbrannt. Außerdem hat sich die politische Landkarte in Europa in den vergangenen Monaten spürbar verändert: In den Niederlanden ist eine Regierung gebildet worden, die vom Wohlwollen des Rechtsaußen Geert Wilders abhängig ist; die neue Regierung in Frankreich ist ebenso abhängig von Marine Le Pens Rassemblement National; in Deutschland hat die AfD bei mehreren Landtagswahlen erfolgreich abgeschnitten, und bei den Europawahlen konnte die Rechtsaußen-Seite des Parlaments ebenfalls erheblich dazugewinnen.
Scholz: Offen bleiben für Arbeitskräfte
Der Versuch, dies alles auszubalancieren, spiegelt sich in den Äußerungen rund um diesen Gipfel wider. Dazu gehört einerseits das klare Bekenntnis zum Asylpakt, inklusive Beschleunigung, wenn es vorher schon geht. "Wir müssen schneller werden", erklärt der Kanzler. Die irreguläre Migration müsse zurückgehen und man habe in Deutschland gerade schon einiges auf den Weg gebracht.
Scholz mahnt aber zugleich, "dass die Europäische Union offen bleibt für die Zuwanderung der nötigen Arbeitskräfte und Fachkräfte, damit unsere Volkswirtschaft trotz der demografischen Herausforderungen, vor denen wir stehen, wachsen kann."
EU will italienisches Modell beobachten
Dazu gehört auch, dass eine gewisse nationale Freiheit für Sonderwege besteht. Den italienischen Versuch mit ausgelagerten Asylverfahren auf albanischem Boden will man beobachten.
Die EU-Kommission soll nun zügig ein Konzept vorlegen, mit dem die Verfahren zur Rückführung gestrafft und beschleunigt werden können, fordern die Mitgliedsstaaten. Von einer verstärkten "Zusammenarbeit mit den Herkunfts- und Transitländern" - also weiteren Abkommen mit Drittstaaten - ist in der Schlusserklärung die Rede und überhaupt von "entschlossenem Handeln auf allen Ebenen".
Scholz gegen Aufnahmezentren außerhalb der EU
Von Aufnahmezentren für Asylverfahren außerhalb der EU - ob nun in Albanien oder Ruanda oder, wie jetzt von den Niederlanden ins Spiel gebracht, Uganda - hält der deutsche Kanzler übrigens nicht viel. Er könne "mit diesen Diskussionen wenig anfangen", sagte er.
Mehr als 300.000 Frauen und Männer seien im vergangenen Jahr irregulär nach Deutschland gekommen, sagt Scholz, von denen einige Schutz gefunden hätten, viele nicht. Mit Blick auf diese Zahlen, die sich ja auch aus anderen Ländern berichten ließen, machten solche Spekulationen "wenig Sinn", findet Scholz.
Solidarität mit Polen
Ausdrücklich wird in der Schlusserklärung die Solidarität mit Polen hervorgehoben, das an seiner Grenze zu Belarus das Asylrecht aussetzen will, weil Belarus gezielt Migranten an diese EU-Außengrenze bringt.
Das sei auch schon den baltischen Staaten und Finnland so gegangen, das seine Grenzen nach Russland ebenfalls geschlossen hat, erinnert Kommissionschefin von der Leyen. "Putin und Lukaschenko wollen Druck auf uns ausüben", sagt von der Leyen, "Sie versuchen, die Sicherheit und territoriale Integrität Europas zu untergraben, das sind hybride Attacken durch staatliche Akteure."