Raketenbeschuss auf Nordisrael Leben im Bunker
Fast täglich schießt die Hisbollah Raketen auf den Norden Israels. Auch in Akko heulen regelmäßig die Sirenen. Einige Menschen sind deshalb in öffentliche Bunker gezogen. Sie haben keine eigenen Schutzräume.
Ilana Atias steigt die Treppen hinab in das, was seit einigen Wochen ihr Zuhause ist: ein öffentlicher Bunker in der Stadt Akko im Norden Israels. Hier lebt die 66-Jährige mit ihren Enkeln. "Wir sind die meiste Zeit hier", erzählt sie. "Zwischendurch gehen wir kurz nach Hause, um zu duschen oder etwas zu Essen zu holen."
Die Luft steht in dem Schutzraum unter einer Synagoge. Küche und Dusche sind nicht im besten Zustand. Auf Tischen an der Wand stehen Instantkaffee, Brot und ein Brettspiel. Ein Fernseher soll für Abwechslung sorgen.
Vor allem in den historischen Häusern in Akkos Altstadt gibt es kaum Schutzräume.
Nur 30 Sekunden, um in den Bunker zu kommen
Atias ist aktuell lieber hier als zu Hause. Denn dort gibt es keinen Schutzraum - also keinen Schutz vor den Raketen und Drohnen der Hisbollah. Bis zum Libanon sind es nur 20 Kilometer. Bei Alarm bleiben den Menschen in Akko 30 Sekunden, um in den Bunker zu kommen.
"Das ist russisches Roulette", sagt Atias. "Hier oder hier. Leben oder Tod. Hier bin ich sicherer, weil es unter der Erde ist. Wir hören die Explosionen, es ist sehr laut. Zu Hause würde ich das nicht aushalten."
Mit dem Golfkrieg im Jahr 1991 wurde es in Israel zur Pflicht, in neuen und sanierten Häusern einen Schutzraum zu bauen. Aber Atias wohnt in einem älteren Haus - wie schätzungsweise 40 Prozent der Menschen in Akko.
Problem vor allem in den alten Stadtteilen
Im Keller der Stadtverwaltung beobachten vier Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf Bildschirmen Straßen und Gebäude, um schnell auf Einschläge reagieren zu können.
Bürgermeister Amihai Ben Shlush zeigt auf einer Videowand auf einige Häuserzeilen. "Besonders in den alten Stadtteilen gibt es viele Häuser, die keinen Schutzraum haben", sagt er. "Das ist ein schwerwiegendes Problem, aber man kann nicht die ganze Welt retten. Wir erklären den Leuten, wo es am sichersten ist."
Immer wieder rufen in der Telefonzentrale im Bunker Bewohner von Akko an. Sie fragen nach Matratzen für ihre Schutzräume oder Belüftungen.
Wenn der Alarm losgeht, haben die Menschen in Akko 30 Sekunden Zeit, sich in Sicherheit zu bringen.
Ältere, Ärmere und Familien leiden am meisten
Ben Shlush fühlt sich gut unterstützt von Armee und Regierung. Er hofft, dass es dabei bleibt. Die Hisbollah schlage heftiger zu als je zuvor, in Akko seien schon 20 Häuser durch Raketentrümmer beschädigt worden.
Die Schulen in der Stadt sind geschlossen. In der Altstadt gibt es nur wenige Geschäfte, die offen sind. Auf den Straßen ist deutlich weniger los als sonst. Und doch versuchen viele Menschen ihrem Alltag nachzugehen.
"Ich denke, dass bestimmte Bevölkerungsgruppen stärker unter dem Raketenbeschuss leiden", sagt Ben Shlush "Wir haben ärmere Bevölkerungsgruppen, denen fällt das schwerer. Und es gibt Familien, die darunter leiden - egal ob arm oder reich."
"Es war noch nie so schlimm wie jetzt"
Nach dem Eindruck des Bürgermeisters tun sich vor allem ältere Menschen schwer damit, in 30 Sekunden in den nächsten Schutzraum zu kommen. Deshalb würden sie lieber in öffentlichen Bunkern schlafen. So wie Ilana Atias und ihre Enkel.
Seit fast einem Monat leben sie jetzt hier unten - seit die israelische Armee mit gezielten Tötungen und einer Bodenoffensive den Druck auf die Hisbollah erhöht hat, die Hisbollah schlagkräftigere Raketen auf Israel schießt, und ihre Drohnen die israelische Flugabwehr überwinden.
"Es war noch nie so schlimm wie jetzt", so Atias. "Nie hat ein Krieg ein ganzes Jahr gedauert. Wir sehen kein Ende und es könnte noch schlimmer werden." Sie bricht wieder in Tränen aus. Ihr macht das alles spürbar zu schaffen. Sie wolle auf jeden Fall hier unten im öffentlichen Bunker bleiben, bis Israel die Hisbollah besiegt habe, sagt Atias.