Hurrikan "Milton" vor Florida "Extrem ernste Bedrohung"
Evakuierungsanweisungen, Treibstoffengpässe, ausgebuchte Hotels: Hurrikan "Milton" soll heute Abend Florida erreichen. Meteorologen warnen vor einem historischen Sturm. Biden reagiert und passt seine Reisepläne an.
Im US-Bundesstaat Florida laufen die Vorbereitungen auf den herannahenden Hurrikan "Milton" auf Hochtouren: Millionen Menschen wurden aufgefordert, sich in Sicherheit zu bringen. Viele verbarrikadieren ihre Häuser und stellen sich auf das Schlimmste ein.
Der Sturm, der voraussichtlich am Mittwochabend, Ortszeit, auf die Westküste Floridas treffen wird, könnte einer der gefährlichsten in der Geschichte des Bundesstaates werden. Die US-Regierung leitete umfassende Hilfsmaßnahmen ein.
Nach dem Durchzug von "Milton" vor der Küste der Halbinsel Yucatán in Mexiko kam es in dem Gebiet zu Stromausfällen in rund 90.000 Haushalten und einigen Überschwemmungen. Bäume stürzten um. Es habe jedoch keine Todesopfer gegeben, sagte der Gouverneur des mexikanischen Bundesstaates Yucatán, Joaquín Díaz.
Staus, Treibstoffengpässe und ausgebuchte Hotels
Der in die höchste Hurrikan-Kategorie 5 eingestufte Sturm stellt die Einsatzkräfte in Florida vor große Herausforderungen. Prognosen zufolge dürfte er sich zwar abschwächen, bevor er auf Land trifft, doch seine enorme Ausdehnung birgt weiterhin erhebliches Zerstörungspotenzial - besonders in der Region um die Küstenmetropole Tampa. Das Nationale Hurrikanzentrum der USA teilte mit, "Milton" habe derzeit Windgeschwindigkeiten von bis zu 257 km/h.
Das Pentagon erklärte, dass Tausende Nationalgardisten mobilisiert worden seien. Hubschrauber und hochwasserfähige Fahrzeuge stünden für Rettungseinsätze bereit. Notfallzentren im ganzen Bundesstaat wurden mit Vorräten bestückt, um unmittelbar nach dem Sturm schnelle Hilfe leisten zu können.
Tropische Wirbelstürme entstehen über dem Meer, wenn das Wasser mindestens 26 Grad warm ist und stark verdunstet. Ihre Stärke wird nach der von den Meteorologen Herbert Saffir und Robert Simpson entwickelten Skala eingeteilt. Demnach ist in den USA bei einer maximalen Windgeschwindigkeit unter 63 Kilometern pro Stunde von einem Tropentief die Rede. Bei Tempo 63 bis 118 gilt es als Tropensturm, darüber wird Hurrikanstärke erreicht. Ein Hurrikan der Kategorie 1 reicht bis Tempo 153. Stufe 2 gilt bis 177, Stufe 3 bis 208 und Stufe 4 bis 251 Kilometer pro Stunde. Hurrikans der höchsten Kategorie 5 haben eine Windgeschwindigkeit von mehr als 252 Kilometern pro Stunde.
Hurrikans erzeugen zwar enorme Windgeschwindigkeiten, bewegen sich aber oft nur mit etwa 15 Kilometern in der Stunde vorwärts. Das ist verheerend, weil Niederschläge dann stunden- oder tagelang auf fast dasselbe Gebiet niederprasseln.
Oft nehmen Wirbelstürme bei ihrem Zug über das Meer an Stärke zu. Über Land verlieren sie schnell an Kraft, da der Nachschub feuchtwarmer Luftmassen fehlt. Bei Windgeschwindigkeiten unter 120 Kilometern pro Stunde wird ein Hurrikan zu einem Tropensturm herabgestuft.
Floridas Gouverneur Ron DeSantis appellierte mit Nachdruck an die Bevölkerung, die Evakuierungsanweisungen ernst zu nehmen. Viele, die das Gebiet verlassen wollten, stießen jedoch auf Schwierigkeiten: Der Sender CNN berichtete von Staus, Treibstoffengpässen und ausgebuchten Hotels.
Zahlreiche Flughäfen stellten den Betrieb ein. Die US-Regierung sprach eine Warnung an Fluggesellschaften aus, nachdem Berichte über Wucherpreise auf sozialen Medien die Runde gemacht hatten. Verkehrsminister Pete Buttigieg kündigte an, dies genau zu beobachten. Auch die Freizeitparks Disney World, Universal und SeaWorld in Florida kündigten Schließungen an.
Biden: "Eine Frage von Leben und Tod"
"Milton" habe das Potenzial, einer der zerstörerischsten Stürme zu werden, die jemals in dieser Region verzeichnet wurden, warnte das Hurrikanzentrum und wies eindringlich darauf hin, dass viele Küstengebiete durch den vorübergehenden Anstieg des Meeresspiegels überflutet werden könnten. Lebensgefährliche Sturmfluten mit bis zu fünf Meter hohen Wellen, zerstörerische Winde und heftige Regenfälle seien zu erwarten. Zudem bestehe die Gefahr von Tornados.
"Es ist eine Frage von Leben und Tod", warnte US-Präsident Joe Biden. Auch die Bürgermeisterin von Tampa, Jane Castor, sprach im Sender CNN eine eindrückliche Warnung an die Bevölkerung aus: "Ich kann ohne jegliche Dramatisierung sagen: Wenn Sie sich dafür entscheiden, in einem der Evakuierungsgebiete zu bleiben, werden Sie sterben."
Hurrikan "Helene" vor zwei Wochen sei ein Weckruf gewesen, sagte Castor laut CNN. Aber im Vergleich sei die potenzielle Bedrohung durch Hurrikan "Milton" buchstäblich katastrophal.
Sichtlich berührter Meteorologe
Ein Video eines mit Tränen kämpfenden Meteorologen im US-Sender NBC6 wird online tausendfach abgerufen. "Es ist einfach ein unglaublicher, unglaublicher, unglaublicher Hurrikan", sagte der sichtlich erschütterte John Morales in einer Livesendung. Mit zittriger Stimme nannte er meteorologische Daten zum Sturm und sagte dann: "Ich bitte um Entschuldigung. Das ist einfach entsetzlich."
Stunden nach der Ausstrahlung meldete sich Morales beim Sender NBC6 zu Wort. Das extreme Wetter, das durch die globale Erwärmung verursacht werde, habe ihn verändert. "Offen gesagt, sollten auch Sie erschüttert sein." Er forderte die Menschen auf, sich für den Kampf gegen den Klimawandel einzusetzen.
Wahlkampf mit Extremwetter
Längst sind die Stürme "Helene" und "Milton" auch Teil des Wahlkampfs geworden. Biden sagte seinen Staatsbesuch in Deutschland vorerst ab, um sich auf die Krise zu konzentrieren. Schon Tage zuvor hatte Donald Trump, Präsidentschaftskandidat der Republikaner, der Regierung vorgeworfen, zu langsam auf die von "Helene" in sechs Bundesstaaten verursachten Verwüstungen reagiert zu haben.
Trump verstieg sich bei Wahlkampfveranstaltungen zu dem Vorwurf, Vizepräsidentin Kamala Harris habe "sämtliches Geld, Milliarden von Dollar" von der staatlichen Katastrophenschutzbehörde FEMA abgezogen, um es für Unterkünfte für illegale Migranten auszugeben.
Harris entgegnete im Fernsehsender ABC, mit solchen "politischen Spielchen" zeige Trump, dass er stets sich selbst vor die Nöte anderer Menschen setze. Trump habe nicht das geringste Einfühlungsvermögen, so Harris. Biden und Harris waren mehrfach in den betroffenen Gebieten unterwegs, um die Lage vor Ort zu begutachten und den Opfern Unterstützung zuzusichern.
In sozialen Medien kursierten wildeste Verschwörungserzählungen über die Arbeit der staatlichen Katastrophenhelfer, betonte die frühere Staatssekretärin im Heimatschutzministerium Juliette Kayyem im Sender PBS. Die Behörde FEMA brauche aber das Vertrauen der betroffenen Kommunen und der Bevölkerung, um wirksam helfen zu können: "Wenn Misstrauen, Gerüchte, alle möglichen wilden Lügen verbreitet werden, vor allem von Ex-Präsident Trump, macht das die Arbeit der Regierung deutlich schwieriger", so Kayyem.
Mit Informationen von Ralf Borchard, ARD-Studio Washington