Regierungserklärung im Bundestag Scholz weiter bereit für Gespräche mit Putin
In seiner Regierungserklärung vor dem morgigen EU-Gipfel hat sich Kanzler Scholz für Friedensgespräche mit der Ukraine und Russland ausgesprochen. Über die Migrationspolitik verlor er kein Wort - zum Missfallen der Union.
Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich im Bundestag für diplomatische Gespräche unter Beteiligung Russlands zur Beendigung des Ukraine-Kriegs ausgesprochen. In seiner Regierungserklärung vor den Abgeordneten in Berlin zeigte sich Scholz auch offen für direkte Gespräche mit Wladimir Putin. "Wenn gefragt wird, werden wir auch mit dem russischen Präsidenten sprechen, wir sagen: Ja, auch das ist der Fall." Dabei dürfe es aber "niemals Entscheidungen über die Köpfe der Ukraine hinweg" geben.
"Hinbekommen, dass der Krieg nicht immer weiter geht"
Es sei nun die Zeit gekommen, "in der wir - neben der klaren Unterstützung der Ukraine - auch alles tun müssen, um auszuloten, wie wir es hinbekommen können, dass dieser Krieg nicht immer weiter geht", sagte Scholz. Gespräche mit Putin müssten dabei in "Abstimmung mit unseren engsten Partnern" geführt werden. Es dürfe nicht sein, dass in der Ukraine "weiter so unglaublich viele Frauen und Männer sterben, die das Opfer russischer Bomben und Raketen werden", sagte Scholz.
Der Ukraine sagte Scholz die weitere Unterstützung Deutschlands und der westlichen Verbündeten zu. Die Unterstützer der Ukraine müssten "eine klare Botschaft senden, auf die sich die Ukraine verlassen kann". Zum Thema "Taurus"-Lieferungen äußerte er sich nicht. Oppositionsführer Friedrich Merz fordert indes, die Marschflugkörper mit langer Reichweite an Kiew zu liefern, da Russland willkürlich zivile Infrastruktur wie Krankenhäuser oder Strom- und Heizkraftwerke bombardiere.
Westbindung und Waffenlieferungen an Israel
Scholz betonte gleichzeitig die Bedeutung der Westbindung Deutschlands. Er warnte davor, die Partnerschaft zu den USA und zur NATO zur Diskussion zu stellen und kritisierte die Positionen von AfD und BSW: "Das ist falsch. Das ist eine Bedrohung unserer Sicherheit. Wir sollten an den Konstanten unserer Außenpolitik, unserer internationalen Orientierung festhalten."
In diesem Zusammenhang betonte der Kanzler auch die Solidarität mit Israel. Im Kampf gegen die Terrormilizen Hamas und Hisbollah sagte er weitere Unterstützung zu. "Es gibt Waffenlieferungen und wird auch immer weitere Lieferungen geben. Darauf kann sich Israel verlassen." Die Hamas habe Israel vor etwas mehr als einem Jahr angegriffen. Deutschland müsse Israel "in der Lage halten, sein Land zu verteidigen".
Treffen mit Industrie noch im Oktober
Mit Blick auf die wirtschaftlichen Probleme Deutschlands kündigte er einen baldigen Gipfel zur Industriepolitik an. "Ich werde Unternehmensvertreter, Industriegewerkschaften, Industrieverbände noch in diesem Monat zu einem Gespräch einladen im Kanzleramt, wo alle zusammenkommen und wo wir genau diese Dinge beraten, die da notwendig sind", sagte Scholz. "Und das, was dabei rauskommt, werde ich diesem Parlament vorschlagen, auch auf den Weg zu bringen, damit es vorangeht in Deutschland."
Auch Europa brauche eine grundlegende wirtschaftliche Modernisierung. Das müsse ein zentraler Punkt der neuen EU-Kommission sein. So müsse etwa der sogenannte Green Deal weiterentwickelt werden zu einer Industrieagenda. Schlüsseltechnologien müssten sich entfalten können und Bürokratie und Berichtspflichten auf EU-Ebene abgebaut werden, damit die Wirtschaft nicht behindert werde.
Anlass der Regierungserklärung des Kanzlers war der EU-Gipfel, der am Donnerstag in Brüssel beginnt. Dabei soll es neben der Wirtschaft auch um die Lage in der Ukraine gehen.
Merz: "Fast schon verzweifelte Wahlkampfrede"
Oppositionsführer Merz warf Scholz vor, den Bundestag für Wahlkampf zu missbrauchen. Statt einer Regierungserklärung zum EU-Gipfel habe das Parlament eine "vorgezogene, fast schon verzweifelte Wahlkampfrede" des Bundeskanzlers gehört, der "mit dem Rücken zur Wand" und mit den Füßen am Abgrund stehe. Der Unionsfraktionschef warf Scholz vor allem vor, kein Wort zur Migration gesagt zu haben.