Übergabe erster Klimaschutzverträge Milliarden für stromintensive Unternehmen
Treibhausgase sparen ist für energieintensive Firmen teuer. Bei einigen springt nun der Staat bei der Finanzierung ein. Wirtschaftsminister Habeck sieht Deutschland dabei als Vorreiter. Der Plan birgt aber Risiken.
Die Firma Wienerberger ist einer der großen Hersteller von Ziegeln und Klinker in Deutschland. Mehr als 20 Standorte und etwa 1.700 Mitarbeiter hat das Unternehmen. Eines der Ziegelwerke, in Kirchkimmen in der Nähe von Oldenburg, soll nun klimafreundlich umgerüstet werden. Bislang werden die Ziegel mit Gas bei 1.100 Grad Celsius gebrannt, sagt Jörg Boldt von Wienerberger. "Das wird voll elektrifiziert. Das heißt Gas wird abgestellt. Es wird ein komplett neuer Ofen aufgebaut, der dann mit Elektroelementen beheizt wird."
Das erfordert nicht nur hohe Investitionen. Die klimafreundlich hergestellten Ziegel dürften absehbar auch teurer sein als herkömmliche, sagt Boldt. Denn es brauche sehr viel Strom, der Einsatz von Gas sei günstiger.
Mit einem Klimaschutzvertrag wird das Bundeswirtschaftsministerium nun die Firma Wienerberger fördern - 15 Jahre lang mit bis zu 72 Millionen Euro. Der Staat gleicht die Mehrkosten für die klimafreundliche Produktion aus - vorausgesetzt, Wienerberger spart tatsächlich wie vereinbart Treibhausgase ein.
Investitionen haben auch Risiken
Wirtschaftsminister Robert Habeck hat heute die ersten dieser Klimaschutzverträge an 15 Unternehmen übergeben - Gesamtförderung bis zu 2,8 Milliarden Euro. "Wir senken die Emissionen im hochenergieintensiven Bereich um 17 Millionen Tonnen. Und wir machen den Standort über ihre Unternehmen attraktiv für Produktion gerade in diesem so schwierigen und umkämpften Bereich in Deutschland", so der Wirtschaftsminister bei der heutigen Veranstaltung in seinem Haus.
Auch Papierfabriken und Unternehmen der Metall- und Chemiebranche erhalten die Förderung. Habeck lobt die Planungssicherheit durch die Klimaschutzverträge. Allerdings ist derzeit kaum kalkulierbar, ob sich die Investitionen nach 15 Jahren tatsächlich rechnen werden. Das ist auch abhängig davon, wie sich die Strom- und die CO2-Preise entwickeln, sagt Jörg Boldt von Wienerberger. "Das Risiko besteht darin, werden wir es schaffen, so ein Werk, so ein riesiges Projekt in die Vollauslastung zu bringen, damit es sich dann auch rechnet und funktioniert."
Wenn es gut läuft, so die Hoffnung des Wirtschaftsministeriums, setzen sich klimafreundliche Technologien in vielen Branchen schnell durch - und es muss sogar weniger Förderung als bislang kalkuliert fließen. Wenn das Konzept allerdings nicht aufgeht, muss Deutschland über viele Jahre Unternehmen subventionieren, deren Produkte eigentlich nicht wettbewerbsfähig sind.
"Die Gelder stehen bereit"
Das Wirtschaftsministerium spricht bei den ersten Verträgen von einer Pilotrunde, um Erfahrungen zu sammeln. Eine zweite Bewerbungsrunde für Klimaschutzverträge läuft aber bereits. Dafür plant das Wirtschaftsministerium eine deutlich größere Fördersumme von mindestens zehn Milliarden Euro ein.
"Die Gelder stehen bereit", so Habeck. "Und deswegen freuen sich, denk ich, alle darüber, dass jetzt die zweite Runde startet. Und wir werden noch mal gucken, ob wir eine dritte und eine vierte Runde schaffen, solange bis das Geld alle ist."
Allerdings stößt Habecks Subventionskonzept nicht nur auf Freude. Der Verband die Chemieindustrie VCI glaubt zwar, dass die Klimaschutzverträge eine sinnvolle Anschubfinanzierung leisten können. Aber der Standort müsse insgesamt attraktiver werden - durch niedrigere Energiekosten und Steuern. Habecks Konzept der Einzelförderung mit Milliardensummen stehen Forderungen nach breiter Kostenentlastung und besseren Rahmenbedingungen für die ganze Wirtschaft gegenüber, um aus der Rezession herauszukommen.
Habeck sieht Deutschland als Vorreiter
Dabei steht auch die Frage im Raum, ob der Staat gut darin ist zu erkennen, welches Unternehmen zukunftsfähig ist und Förderung verdient. Einige Leuchtturmprojekte des Wirtschaftsministeriums wie der klimafreundliche Umbau eines Stahlwerks von Thyssenkrupp in Duisburg oder die Ansiedlung der Northvolt Batteriefabrik in Heide wackeln derzeit, weil die Unternehmen in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten sind.
Habeck verweist auf Positivbeispiele - etwa auf andere Stahlwerke, die mit Milliardenförderung beim Klimaumbau vorankommen. Aus Sicht des Grünen-Wirtschaftsministers ist Deutschland mit den Klimaschutzverträgen Vorreiter in Europa - andere Länder würden bald dem deutschen Beispiel folgen, so Habeck. "Das Interesse ist wirklich groß. Ja, ich rechne mit zügiger Nachahmung, ohne den Kollegen jetzt vorgreifen zu wollen."
Eins ist deutlich: Habeck schlägt mit den zügigen Ausschreibungsrunden für die Klimaschutzverträge Pflöcke ein, an die auch kommende Bundesregierungen gebunden sein werden. Es geht nicht um einmalige Subventionen, sondern um Förderverträge für die nächsten 15 Jahre.