Habecks Wirtschaftsprognose Wie die lahme Konjunktur den Ampelstreit verschärft
Die deutsche Wirtschaft kommt nicht in die Gänge: Auch in diesem Jahr schrumpft das Bruttoinlandsprodukt - so die Prognose der Bundesregierung. Das könnte Konflikte in der Ampelkoalition verschärfen.
Wenn die Wirtschaft wächst, freut sich der Finanzminister. Ein Prozent mehr Wachstum bedeutet - grob geschätzt - zehn Milliarden Euro mehr für den Bundeshaushalt, auch die Haushalte von Ländern und Kommunen profitieren. Nur: im Moment wächst die Wirtschaft nicht - im Gegenteil: sie schrumpft. Mit einem Minus von 0,2 Prozent rechnet die Bundesregierung in diesem Jahr, nach einem Minus von 0,3 Prozent im Jahr 2023.
Im kommenden Jahr könnte sich die Wirtschaft dann um 1,1 Prozent erholen, Wirtschaftsminister Robert Habeck setzt bei dieser Prognose insbesondere auf eine bessere Konsumlaune, nachdem die Einkommen zuletzt stärker gestiegen sind als die Inflation.
Aber noch ist es nicht so weit. Noch bekommt die Politik die Wirtschaftsschwäche bei den Staatsfinanzen gleich doppelt zu spüren.
Auf der einen Seite wegen der unmittelbaren Folgen für die Steuereinnahmen, auf der anderen Seite wegen indirekter Effekte bei den Ausgaben. Ein Beispiel: Eine schwächere Konjunktur ist meist mit einer höheren Arbeitslosigkeit verbunden - und damit mit höheren Ausgaben für die Bundesagentur für Arbeit.
Weniger Wachstum = weniger Spielraum im Haushalt
Wenn die Bundesregierung die Wirtschaftsprognose nach unten korrigiert, bedeutet dies also: Die Spielräume im Bundeshaushalt werden enger, die Lücken im Haushaltsentwurf für das kommende Jahr eher größer als kleiner, trotz eines gegenläufigen Effekts: Die schwache Konjunktur ermöglicht der Regierung, etwas mehr Kredite aufzunehmen - eine solche Ausnahme sieht die Schuldenbremse des Grundgesetzes vor.
Konkrete Zahlen, die sich aus der neuen Wachstumsprognose für den Haushalt ergeben, gibt es aber noch nicht. Erst einmal müssen Ende des Monats die Steuerschätzer tagen - mit Habecks Prognose als Grundlage. Der Blick in die Vergangenheit aber gibt Hinweise, wie es laufen könnte: So ergab die Steuerschätzung vom Frühjahr für Bund, Länder und Gemeinden ein deutliches Minus bei den erwarteten Steuereinnahmen - wegen der zuvor nach unten korrigierten Wachstumsprognose.
Wird das Loch im Bundeshaushalt noch größer?
Kommt es bei der Herbst-Steuerschätzung ähnlich, könnte sich der Konflikt um den Bundeshaushalt für das kommende Jahr verschärfen. Noch steht hier eine Lücke von zwölf Milliarden zu Buche, die nach dem Willen von Finanzminister Christian Lindner zumindest um zwei bis drei Milliarden reduziert werden soll.
Doch was, wenn die Lücke im Haushaltsplan nach der Steuerschätzung noch größer ausfällt als bisher gedacht? Geht dann der Streit zwischen den Ampel-Partnern erst richtig los?
Schon die bisherigen Debatten um die Staatsfinanzen haben die Unterschiede zwischen den Koalitionspartnern offen zu Tage treten lassen: Während SPD und Grüne seit Jahren für eine höhere Verschuldung werben, lehnt die FDP das Antasten der Schuldenbremse rigoros ab.
Beim jüngsten Streit um die Bewertung von Gutachten zu besonderen Buchungsverfahren - manche sprachen von Buchungstricks - ging es letztlich auch um die Frage: Wie können Haushaltslöcher nicht durch Einsparungen, sondern durch zusätzliche Schulden gestopft werden? In diesem Streit gerieten auch Bundeskanzler Olaf Scholz und Lindner öffentlich aneinander.
Hoffnung auf Impulse durch Wachstumsinitiative
Allerdings ist auch möglich, dass die Wirtschaftsschwäche das Miteinander in der Koalition stärkt. Weil sie den Ernst der Lage zeigt - längst ist in internationalen Debatten wieder von Deutschland als "krankem Mann Europas" die Rede.
Bereits im Juli haben sich die Spitzen der Bundesregierung, Kanzler Scholz, Wirtschaftsminister Habeck und Finanzminister Lindner, auf eine Wachstumsinitiative mit 49 konkreten Punkten verständigt, zum Beispiel zur Förderung von Investitionen und mit Anreizen für Mehrarbeit. Je schneller die Ampel die einzelnen Punkte abarbeitet, umso schneller könnten sie wirken, so die Hoffnung innerhalb der Koalition.
Und allen drei Regierungsparteien dürfte klar sein: Sollte die Wirtschaft auch im Wahljahr 2025 weiter schwächeln, dürfte das für ihre Wahlchancen nicht förderlich sein.