Nach Anschlagsversuch in Berlin "Sicherheitspaket Plus" - das sind die Forderungen
Der vereitelte Anschlag auf die israelische Botschaft in Berlin hat die Debatte über die Sicherheit in Deutschland erneut entfacht. Welche Gesetze sollen verschärft werden? Welche Forderungen gibt es?
Seit dem Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 und dem Beginn des Gaza-Kriegs hat sich die Sicherheitslage in Deutschland verändert. Vor allem israelische Einrichtungen gerieten vermehrt in den Fokus. Anfang September war es bereits nahe dem israelischen Generalkonsulat in München zu einem Schusswechsel zwischen einem 18-jährigen Österreicher und der Polizei gekommen. Die Ermittler gehen von einem versuchten Terroranschlag des getöteten Schützen aus.
Nun soll ein mutmaßlicher IS-Unterstützer einen Anschlag auf die israelische Botschaft in Berlin geplant haben. Der Verdächtige ist ein abgelehnter Asylbewerber aus Libyen und soll Kontakte zum IS gehabt haben. Für Libyen gilt bundesweit kein genereller Abschiebestopp. Wenn ein Asylbewerber nicht freiwillig dorthin ausreist, gilt eine Abschiebung allerdings als schwierig, weil es in dem nordafrikanischen Land nur teilweise funktionierende staatliche Strukturen gibt.
Das facht Debatten über Gesetzesverschärfungen erneut an - auch über das "Sicherheitspaket" der Bundesregierung. Was soll sich ändern und was wird gefordert?
Wie kamen die Ermittler auf die Spur des Verdächtigen?
Der Hinweis soll von einem ausländischen Nachrichtendienst gekommen sein. Wie konkret die Pläne waren, wird wohl erst nach der Auswertung der bei den Durchsuchungen aufgefundenen Gegenstände feststehen. Die Sicherheitsbehörden haben in diesem Fall sowie in einigen ähnlich gelagerten Fällen der jüngeren Vergangenheit schnell zugegriffen.
Omar A. ist laut Bundesanwaltschaft 28 Jahre alt und stammt aus Libyen. Wie die ARD aus Sicherheitskreisen erfuhr, soll er Ende 2022 nach Deutschland gekommen sein und kurze Zeit später einen Asylantrag gestellt haben. Dieser wurde im September 2023 abgelehnt.
Wie reagieren die Behörden?
Die Sicherheitsvorkehrungen an den jüdischen und israelischen Einrichtungen in Berlin wurden zunächst nicht weiter verschärft. Die Polizei wies darauf hin, dass sie jetzt schon hoch seien. Derzeit würden mehr als 160 Objekte bewacht, sagte Sprecherin Beate Ostertag.
Für die israelische Botschaft gelte generell ein "maximal hohes Level". Durch die Festnahme habe sich die Lage zunächst nicht geändert. Die Berliner Polizei bewerte die Situation aber ständig neu und stehe dazu mit nationalen und internationalen Behörden im Austausch.
Welche neuen Forderungen gibt es?
Thüringens Verfassungsschutzchef Stephan Kramer fordert mehr Befugnisse für die Nachrichtendienste. Dass der Hinweis von einem ausländischen Geheimdienst komme, zeige: "Die gute und vertrauensvolle internationale Zusammenarbeit funktioniert. Aber es zeigt auch, dass wir endlich grundsätzlich über die Befugnisse der deutschen Nachrichtendienste zur Informations- und Datenerhebung reden und Konsequenzen ziehen müssen." Die Politik habe die Pflicht, "uns die nötigen Befugnisse und Werkzeuge zu geben, um die Bedrohung unserer offenen Gesellschaft endlich besser abwehren zu können".
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) sagte der Bild-Zeitung, Deutschland benötige "eine angemessene Speicherung von Verkehrsdaten bei den Telekommunikationsanbietern". "Wir müssen unseren Sicherheitsbehörden das Handwerkszeug geben, um Terroristen und andere Straftäter im Internet und in sozialen Medien aufzuspüren."
Auch der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Alexander Throm, mahnte mehr Sicherheitsbefugnisse bei der Gesichtserkennung und der Vorratsdatenspeicherung an. "Bei diesen Maßnahmen gibt es akuten Nachbesserungsbedarf beim 'Sicherheitspaket' der Ampel", sagte der CDU-Politiker der Rheinischen Post.
Welche Gesetze zur Sicherheitslage wurden beschlossen?
Nach dem Anschlag von Solingen hatte die Bundesregierung das sogenannte Sicherheitspaket auf den Weg gebracht. Das Maßnahmenpaket besteht aus zwei Gesetzesentwürfen. Der "Gesetzentwurf zur Verbesserung der inneren Sicherheit und des Asylsystems" wurde in Bundestag und Bundesrat beschlossen. Das heißt:
- Asylbewerber, für deren Schutzersuchen nach den sogenannten Dublin-Regeln ein anderes europäisches Land die Verantwortung trägt, sollen von staatlichen Leistungen ausgeschlossen werden - wenn die Ausreise für sie rechtlich und tatsächlich möglich ist. Ausnahmen soll es hier geben, wenn Kinder betroffen sind.
- Zudem sollen Migranten künftig leichter vom Schutz in Deutschland ausgeschlossen werden können, wenn sie Straftaten begangen haben - und zwar Straftaten "mit einem antisemitischen, rassistischen, fremdenfeindlichen, geschlechtsspezifischen, gegen die sexuelle Orientierung gerichteten oder sonstigen menschenverachtender Beweggrund".
- Außerdem soll das Waffenrecht verschärft werden. So wird nun deutlich gemacht, dass das Verbot, Waffen bei Volksfesten oder Sportveranstaltungen mitzuführen, auch für Messer gilt, die an dieser Stelle im Waffengesetz künftig ausdrücklich erwähnt werden sollen. Es soll aber Ausnahmen geben, zum Beispiel für bestimmte Berufsgruppen.
Davon unabhängig hat die Bundesregierung die Kontrollen an deutschen Grenzen ausgeweitet, auch das ist eine Reaktion auf den Anschlag in Solingen.
Welcher Teil des "Sicherheitspakets" wurde abgelehnt?
Der "Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Terrorismusbekämpfung" wurde im Bundestag beschlossen und im Bundesrat abgelehnt. Dabei geht es um mehr Möglichkeiten für die Sicherheitsbehörden.
Sie sollten die Befugnis erhalten, in bestimmten Fällen biometrische Daten im Internet abzugleichen. Die Suche nach Gesichtern und Stimmen mittels einer automatisierten Anwendung sollte aber nur dann erlaubt sein, wenn dies der Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA) oder seine Vertretung von einem Gericht genehmigen lässt. Bei Gefahr im Verzug hätten der BKA-Chef oder einer der drei Vize selbst die Anordnung für maximal drei Tage treffen müssen.
Wie geht es mit den Gesetzen weiter?
Damit sie in Kraft treten können, müssen alle Gesetze vom Bundespräsidenten unterzeichnet werden - was dieser in der Regel auch tut. Dieser Schritt steht noch aus, auch für jene Regelungen, die den Bundesrat passiert haben.
Bei dem gescheiterten "Gesetz zur Verbesserung der Terrorismusbekämpfung" könnten Bundestag und Bundesregierung noch einen Rettungsversuch machen und den Vermittlungsausschuss anrufen. Das Gremium ist mit Vertretern beider Seiten besetzt und kann in solchen Fällen nach Lösungen suchen. Die Union kündigte an im Vermittlungsausschuss Nachbesserungen durchsetzen zu wollen. Ihr geht es um mehr Sicherheitsbefugnisse bei der Gesichtserkennung und die Vorratsdatenspeicherung.
Vorratsdatenspeicherung oder "Quick Freeze"?
Das umstrittene Thema Speicherung von Kommunikationsdaten für Ermittlungszwecke ist nicht Teil des Pakets. Bundesjustizminister Marco Buschmann hat dazu aber kürzlich Pläne in die Ressortabstimmung gegeben.
Vorgesehen ist keine anlasslose Vorratsdatenspeicherung, die Buschmann wiederholt abgelehnt hat, sondern das "Quick Freeze"-Verfahren. Dabei werden Verbindungsdaten wie IP-Adressen und an Anrufen beteiligte Telefonnummern erst dann gespeichert, wenn ein Verdacht auf eine Straftat erheblicher Bedeutung - etwa Mord oder Totschlag - besteht.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) ist eigentlich für ein weitergehendes Modell - nämlich eine neue, rechtskonforme Regelung für eine anlasslose Speicherung von IP-Adressen.
Derzeit ist die Vorratsdatenspeicherung in Deutschland ausgesetzt. Dabei waren Telekommunikationsanbieter verpflichtet, sämtliche Verkehrsdaten für bestimmte Zeiträume aufzubewahren für den Fall, dass Ermittlungsbehörden sie brauchen. Der Europäische Gerichtshof hatte im September 2022 geurteilt, dass dies nicht mit dem europäischen Recht vereinbar ist.