"Sicherheitspaket" in Teilen blockiert Ein unerwartetes Nein aus dem Bundesrat
Der große Knall im Bundestag ist ausgeblieben. Nicht dort, sondern im Bundesrat wurde das "Sicherheitspaket" der Regierung überraschend in Teilen gestoppt. Wie geht es nun weiter?
Neun namentliche Abstimmungen - über Gesetzentwürfe, Änderungsanträge, Entschließungsanträge. Es wird kompliziert am Freitagmorgen im Bundestag. Als es losgeht mit den Abstimmungen, halten die parlamentarischen Geschäftsführer wie Reiseführer das entsprechende Abstimmungskärtchen für ihre Fraktionen gut sichtbar in die Höhe, damit sich bloß keiner vertut.
Im Kern geht es um das "Sicherheitspaket" der Ampel, das aus zwei Gesetzentwürfen besteht. In dem einen geht es um eine Verschärfung des Asyl- und Waffenrechts, in dem anderen um neue Befugnisse für die Sicherheitsbehörden, etwa den biometrischen Abgleich von Daten im Internet.
Die Mitglieder des Bundestages - auch Kanzler Scholz - wurden mehrfach namentlich zur Abstimmung gerufen.
Abstimmung dauerte länger als die Debatte
Gleich die erste Runde der Abstimmung muss wiederholt werden. Bei der Auszählung werden Stimmkarten einer Abgeordneten gefunden, die nicht mehr im Bundestag ist. Ein Fehler der Verwaltung, heißt es. Die Urnen seien vorab nicht ordnungsgemäß überprüft worden.
Am Ende dauert die Abstimmung länger als die Debatte. Das Ergebnis: Es hat gereicht. Die Regierung kann aufatmen. Am "Sicherheitspaket" wird sie nicht zerbrechen.
Im Bundesrat keine Mehrheit für das gesamte Paket
Eine Mehrheit für das gesamte "Sicherheitspaket" gibt es allerdings überraschend nur im Bundestag. Der Teil zu den neuen Befugnissen für die Sicherheitsbehörden hätte einer Zustimmung der Bundesländer bedurft - und die wird am Nachmittag im Bundesrat verfehlt.
Am Morgen bricht plötzlich leichte Unruhe bei den sogenannten A-Ländern aus. Das sind die Bundesländer mit SPD-Regierungschefs. Sie sehen plötzlich ihr Gesetzespaket in Gefahr. Es heißt, die Union wolle dem Teil des Gesetzespakets, dem die Länder zustimmen müssten, keine Unterstützung geben. Das kommt überraschend, noch am Tag zuvor waren sowohl CDU- als auch SPD-Vertreter davon ausgegangen, dass der Bundesrat dem Paket komplett zustimmen würde.
In Ländern, bei denen die CDU an der Regierung beteiligt ist, besteht die Partei nun darauf, nicht zuzustimmen. Das gilt auch für das Grün-geführte Baden-Württemberg. Es heißt, während einer Sitzungsunterbrechung sei das Land von der SPD-Seite nochmal bearbeitet worden. Am Ende ohne Erfolg. Baden-Württemberg stimmt nicht zu, dem Gesetz fehlt die Mehrheit. Die SPD ist empört.
Schwesig kritisiert Blockade im Bundesrat
Bundesratspräsidentin Manuela Schwesig (SPD) sagt dem ARD-Hauptstadtstudio, die "Merz-CDU" regiere in den Bundesrat rein. Es sei nicht in Ordnung, dass ein so wichtiges "Gesetz für unsere Sicherheit" blockiert werde. "Ich halte sowas für unverantwortlich", sagt sie. Hamburgs erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) ergänzt, die Sicherheitsbehörden seien nun nicht in der Lage, auf der Höhe der Zeit gegen Terrorismus, gegen Islamismus und gegen das vorzugehen, was in Deutschland dringend bekämpft werden müsse.
Von CDU-Seite erklärt der Innenminister von Baden-Württemberg Thomas Strobl, das Gesetz sei in der Ampel-Koalition zur Unkenntlichkeit zermahlen worden.
Zu viele Abweichler im Bundestag waren befürchtet worden
Die Union stoppt das "Sicherheitspaket" also teilweise im Bundesrat. Eine Wendung, die so nicht viele erwartet hatte. Eigentlich hatte die Ampel befürchtet, dass sie im Bundestag keine eigene Mehrheit für das Vorhaben bekommen könnte. Im Laufe der Woche war bei den Fraktionen Unruhe aufgekommen. Könnte es zu viele Abweichler geben? Könnte die Koalition tatsächlich am "Sicherheitspaket" scheitern?
So gehen bei der SPD manchen die Verschärfungen im Asylrecht zu weit. Hakan Demir ist einer der SPD-Abgeordneten, die mit Nein stimmen. Er stört sich daran, dass Asylbewerbern, die in einem anderen EU-Staat Schutz suchen müssten und die "rechtlich und tatsächlich" auch ausreisen könnten, in Deutschland nun die Sozialleistungen gestrichen werden. Die komplette Streichung der Leistungen widerspreche einem "menschlichen Umgang", schreibt er in einer persönlichen Erklärung. Betroffene wären dadurch "der Obdachlosigkeit ausgesetzt".
Demir kritisiert auch, dass Schutzberechtigte, die zurück in die Heimat reisen, ihren Schutzstatus in Deutschland verlieren können und dass das Ausweisungsrecht noch einmal verschärft wurde. Im Plenum sprechen darf er während der Debatte nicht. Stattdessen kommt für die SPD unter anderen der Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern.
FDP-Bedenken wegen Waffenrecht-Verschärfungen
Innerhalb der FDP hatte man dagegen lange mit der Verschärfung des Waffenrechts ein Problem. Sie konnte ihre Anliegen - beziehungsweise diejenigen von Jägern und Sportschützen - aber schon im ursprünglichen Gesetzentwurf durchsetzen: Zwei Vorschläge, die die Bundesinnenministerin schon 2021 unter dem Eindruck des Anschlags von Hanau gemacht hatte, fanden sich gar nicht erst wieder: das Verbot kriegswaffenähnlicher halbautomatischer Waffen sowie die Vorlage psychologischer Gutachten. Stattdessen wird etwa die Möglichkeit von Waffenverbotszonen erweitert - etwa bei Volksfesten oder in Zügen und Bussen.
Gehadert haben die FDP-Abgeordneten auch mit den neuen Befugnissen für die Sicherheitsbehörden, die nun wegen der Ablehnung im Bundesrat nicht kommen. Dabei ging es insbesondere um biometrischen Datenabgleich und automatisierte Datenanalyse. Bei der öffentlichen Anhörung im Innenausschuss waren viele praktische Fragen unbeantwortet geblieben. So hat das Bundeskriminalamt bislang keine konkrete technische Lösung für den biometrischen Abgleich mit Daten aus dem Internet.
Das geplante Gesetz hätte das Problem vertagt: Die Bundesregierung sollte vor dem Einsatz solcher Maßnahmen "das Nähere zu dem technischen Verfahren" in einer Rechtsverordnung bestimmen. Außerdem hätte die Datenschutzbeauftragte beteiligt werden müssen. Am Ende gab es aus allen drei Ampel-Fraktionen insgesamt 13 Nein-Stimmen zu diesem Teil des "Sicherheitspakets". Deutlich weniger als erwartet.
Empörung bei der Union
Begonnen hatte die Sitzung im Bundestag fast tumultartig mit einem Antrag der Unionsfraktion zur Tagesordnung. Die gab sich empört über das Vorgehen der Ampel-Fraktion, die Anträge der Union nicht vom Innenausschuss zurück ins Plenum verwiesen hatte, so dass über diese nicht abgestimmt werden konnte. "Unerhört" sei das.
In den Anträgen der Union ging es unter anderem um die Forderung, Migranten an den deutschen Grenzen generell zurückzuweisen. Dafür müsste sich die Bundesregierung auf eine Notlage berufen, um ausnahmsweise EU-Recht nicht anwenden zu müssen, dass solchen Zurückweisungen entgegensteht. Die Erklärung der Union für das Vorgehen der Ampel: "Sie haben das aus Angst gemacht, aus Angst davor, dass Ihre FDP-Kollegen, denn die hatten in der Vergangenheit immer angekündigt, dass sie zustimmen wollen, hier heute zustimmen können", sagte Andrea Lindholz (CSU).
Das stimme nicht, entgegnete die FDP. Im Gegenteil: Man nehme die Anträge der Union ernst und wolle sie sich in Ruhe anschauen.
Am Ende fand die Union doch einen Weg, über Zurückweisungen an den Grenzen abzustimmen. Und es schlossen sich tatsächlich zwei FDP-Abgeordnete dem Unions-Antrag an: Wolfgang Kubicki und Linda Teuteberg.
Wie geht es weiter?
Da der Bundesrat dem Gesetz zur Verbesserung der Terrorismusbekämpfung nicht zugestimmt hat, kann die Bundesregierung oder der Bundestag nun den Vermittlungsausschuss anrufen. Dann müssten Vertreter aus den Ländern und aus dem Parlament versuchen, zusammen einen Kompromiss zu finden. Zumindest in der SPD gibt es aber Zweifel, ob das gelingen kann. Man fürchtet, dass Friedrich Merz kein Interesse an einer Einigung haben könnte, um das Thema im Wahlkampf ausschlachten zu können.
Die Option, die Entscheidung des Bundesrates einfach zu akzeptieren, liegt zumindest auf dem Tisch. Es könnte am Ende aber auch anders kommen. Hamburgs erster Bürgermeister Tschentscher wirbt im Interview mit dem ARD-Hauptstadtstudio für eine Verhandlungslösung. Das Verfahren sei wieder völlig offen. Es müsse neu gedacht werden, Dinge, die man als Länder immer gefordert habe, seien am Widerstand der Union gescheitert.
Die Bundesregierung müsse nun entscheiden, ob man einen zweiten Anlauf nehmen könne. Er sei dafür, diese Regelungen, die sinnvoll seien, so schnell wie möglich zum Gesetz zu machen.