
Ministerposten der Union Wen Merz ins Kabinett ruft - und warum
Das Rätselraten hat ein Ende: Die Unionsminister einer künftigen schwarz-roten Koalition stehen fest. Darunter sind altbekannte Namen, aber auch einige Überraschungen. Manche Entscheidung sorgt für Unmut.
Er ist gute, alte Tradition - der Rundgang durch die Halle vor einem Parteitag. Die Parteispitze läuft begleitet von einem Pulk Journalisten durch die noch leeren Räumlichkeiten. An diesem späten Sonntagnachmittag schaut sich nun also Friedrich Merz den Saal im Hotel Estrel in Berlin an. "Gemütlich", kommentiert er. Von einer Halle kann man wahrlich nicht sprechen, eher von einem großen Kongressraum.
Der Bundesausschuss, der hier heute über den Koalitionsvertrag abstimmen soll, gilt auch eher als eine Art kleiner Parteitag. Merz gibt dann ein kurzes Statement, ohne Nachfragen, aber bestätigt, worüber längst spekuliert wurde: Am Montag wird er seine Kabinettsliste präsentieren.
Missmut in Landesverbänden
Der künftige Kanzler hat in den vergangenen Tagen viele Gespräche geführt. Denn die Besetzung der Minister ist eine Art Puzzlespiel. Es geht um Regionalproporz, wie viele Frauen, wie viele Männer kommen in die Regierung und natürlich nicht zu vergessen: Wer ist eigentlich geeignet?
In den vergangenen Tagen gab es in der Union ein großes Rätselraten. Unzählige Nachrichten mit verschiedenen und immer wieder neuen Namen machten in der CDU die Runde. Auch darüber wurde spekuliert: Wann macht Merz die Namen endlich öffentlich?
Selbst führende CDU-Mitglieder wussten lange von nichts. Merz hat die Kabinettsbesetzung offenbar im Großen und Ganzen mit sich ausgemacht und auch die CDU-Landesvorsitzenden weitgehend außen vor gelassen, was einige von ihnen gekränkt zurücklässt.
Um 9 Uhr am Montagmorgen ist es dann so weit. Die Präsidiumssitzung vor dem Bundesausschuss hat gerade begonnen. Zuerst erfahren die Präsidiumsmitglieder, wer welchen Posten bekommt. Nur Minuten später geht eine Pressemitteilung an die Medienvertreter.
Merz schätzt Loyalität und belohnt sie
Einige der neuen Minister überraschen wenig: Johann Wadephul hat in vergangenen Wochen auffällig viele Staatsbesuche absolviert. Am Ende lief auf ihn alles als Außenminister hinaus. Wohl auch, so erzählt man es sich in der Union, da CSU-Chef Markus Söder von der Idee Armin Laschet, den gescheiterten CDU-Kanzlerkandidat, zum Außenminister zu machen, wenig begeistert gewesen sein soll.
Auch Karin Prien galt als eigentlich gesetzt, spätestens nachdem der Kabinettszuschnitt bekannt geworden war. Merz persönlich hatte bei den Koalitionsverhandlungen darauf gedrängt, den Bereich Bildung und Familie zusammenzulegen. Das Forschungsministerium wird aufgewertet durch "Raumfahrt" und geht an die CSU. Das neue Familien- und Bildungsressort scheint also wortwörtlich wie gemacht für Karin Prien, die bereits Jahre lang Bildungsministerin in Schleswig-Holstein war.
Prien gehörte lange zu den Merz-kritischen Stimmen in der Partei, hatte sich zuletzt aber immer wieder öffentlich vor ihn gestellt. Es ist ein offenes Geheimnis in der CDU: Friedrich Merz schätzt Loyalität und belohnt sie auch.
Einer der engsten Vertrauten als Kanzleramtschef
Einer ist in seiner Loyalität zu Friedrich Merz kaum zu überbieten: Thorsten Frei. Er ist in den vergangenen Jahren zu einem der engsten Vertrauten von Merz aufgestiegen. Bei den Koalitionsverhandlungen war er immer an der Seite des CDU-Chefs. Frei soll zu den wenigen Personen gehören, die Merz stets über seine Pläne informiert. Dass er Frei zum Kanzleramtschef macht, ist also folgerichtig.
Wobei spannend werden dürfte, wie Frei diese Rolle ausfüllt. In der Vergangenheit hat sich die Kanzleramtschef eher im Hintergrund gehalten und ist in der Öffentlichkeit kaum in Erscheinung getreten. Frei dagegen ist ein häufiger Gast in Talkshows und fühlt sich auf der öffentlichen Bühne sichtlich wohl.
Überraschende Personalien
Neben Thorsten Frei besetzt der Landesverband Baden-Württemberg eine weitere wichtige Personalie: Gesundheitsministerin Nina Warken. Sie gehörte nicht zu denjenigen, die als Minister gesetzt galten, schon gar nicht für das Gesundheitsressort, auch weil die Juristin da bisher wenig aufgefallen ist.
Auch der wohl neue Verkehrsminister Patrick Schnieder ist der breiten Öffentlichkeit bisher kaum bekannt. Er stammt aus Rheinland-Pfalz, sein Bruder ist Chef des Landesverbandes. Schnieder sitzt seit 2009 im Bundestag und war jahrelang Mitglied des Verkehrsausschusses.
Auffällig ist, dass Merz sein Kabinett nun doch paritätisch besetzt hat, obwohl er dies, wie er immer wieder betont hat, nicht als zwingend notwendig ansah. Man würde den Frauen damit keinen Gefallen tun, hatte Merz gesagt - was allerdings auch Kopfschütteln bei den weiblichen CDU-Mitgliedern auslöste. Ihnen scheint Merz nun so entgegenzukommen.
Dass nun aber jeweils zwei Vertreter aus Schleswig-Holstein, Baden-Württemberg und, zählt man Jens Spahn als Fraktionschef mit, Nordrhein-Westfalen in der ersten Reihe stehen werden, stößt anderen Landesverbänden böse auf. So werden bedeutende Landesverbände wie Hessen und Niedersachen keinen Bundesminister in Berlin haben, nur Staatssekretäre.
Ärger in Sachsen-Anhalt
Auch die Ost-CDU hatte stets darauf gepocht, einen aus ihren Reihen am Kabinettstisch sitzen zu haben. Nachdem bei der Bundestagswahl alle ostdeutschen Bundesländer an die AfD gegangen sind, forderten sie eine starke Ost-Stimme in Berlin. Dass Merz nun Katherina Reiche zur Wirtschaftsministerin macht, die aus Brandenburg stammt, seit vielen Jahren aber in Nordrhein-Westfalen lebt, sorgt vor allem in Sachsen-Anhalt für Ärger.
Dort hatte man gehofft, Wirtschaftsminister Sven Schulze oder sogar Ministerpräsident Reiner Haseloff nach Berlin schicken zu können, am besten ins Verkehrsministerium, in dem es dank des neuen Sondervermögens nun viel Geld zu verwalten und verteilen gibt. Das Kalkül war: Ein Gesicht aus Sachsen-Anhalt auf bundespolitischer Bühne bekannter zu machen und verstärkt auf Ostthemen zu setzen. In der Hoffnung, bei den Landtagswahlen im nächsten Jahr der immer stärker werdenden AfD etwas entgegensetzen zu können.
Aber Merz hatte mit Reiche offenbar andere Pläne. Die Attribute ostdeutsch, Frau, mit Erfahrung in der Energiebranche dürften ihm gut in seine Kabinettsplanung gepasst haben.
Quereinsteiger für Digitales
Erstaunlich ist die Besetzung des neuen Digitalministeriums. Keiner der Namen, die im Vorfeld genannt wurden, sind es am Ende geworden. Etwa die hessische Digitalministerin Kristina Simenus. Merz hatte angekündigt, den Posten extern besetzen zu wollen.
Allerdings scheint das nicht so einfach gewesen zu sein. Es soll einige Absagen gegeben haben. Mit Karsten Wildberger ist es allerdings zumindest einer von "außen" geworden. Er leitet die Elektronikeinzelhandelskette MediaMarktSaturn und hat Unternehmen zum Thema Digitalisierung beraten.
Ein Publizist als Kulturstaatsminister
Dass nun nach vielen Spekulationen Wolfram Weimer Kulturstaatsminister wird, ist auch eine der Überraschungen im künftigen Kabinett Merz. Der konservative Publizist und Merz haben seit Jahren ein enges Verhältnis. Der CDU-Chef soll im Wahlkampf auf Weimers Einschätzung großen Wert gelegt haben. Er wurde auch deswegen immer wieder als Kandidat für den Regierungssprecher genannt.
Bisher hat sich Weimer allerdings wenig kulturpolitisch hervorgetan. 2012 gründete er eine eigene Media Group. Zuvor hatte er unter anderem als Wirtschaftsredakteur bei der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" gearbeitet.
Für Merz war es wichtig, dass die Kabinettsliste vor dem Bundesausschuss, dem kleinen Parteitag steht. Denn die Delegierten dort sind vor allem Funktionäre, auf deren Wohlwollen Merz angewiesen ist. Allerdings sind nicht alle mit der Auswahl des Kabinetts zufrieden. Das ist wohl auch Tradition.
CSU: Dobrindt und Bär waren gesetzt
Nicht nur in Berlin, auch in München hat das Rätselraten am Montagmorgen ein Ende, wobei die Antworten nicht so schwer auszuknobeln waren: Dass Alexander Dobrindt neuer Innenminister wird, war abzusehen. Auch wenn Dobrindt sich in seiner Rolle als Landesgruppenchef im Bundestag glaubhaft wohl fühlte, wird CSU-Chef Markus Söder kaum bereit gewesen sein, auf seinen wichtigsten Mann in Berlin im Kabinett verzichten zu wollen.
Auch Dorothee Bär galt als so gut wie gesetzt. Sie wird neue Ministerin für Forschung, Technologie und Raumfahrt. Im Kabinett Merkel war sie bereits Staatsministerin, bringt also Regierungserfahrung mit und gehörte zuletzt auch zur Spitzengruppe, die den Koalitionsvertrag mit der SPD ausgehandelt hat.
Alois Rainer, Bundestagsabgeordneter aus Niederbayern, wird Landwirtschaftsminister. Die Besetzung dieses Postens dürfte für Söder am kniffligsten gewesen sein. Sein Favorit, der bayerische Bauernpräsident Günther Felßner, mit dem Söder auch in den Wahlkampf gezogen war, hatte kurz nach der Wahl abgesagt. Im Gespräch war danach die bayerische Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber. Sie wollte allerdings, so erzählt man es sich in der CSU, in München bleiben.