
Schwarz-Rot Wer hat die Macht in der künftigen Koalition?
Viel spricht dafür, dass Deutschland in drei Wochen eine neue Bundesregierung hat. Der neue Kanzler dürfte Merz heißen. Doch hat die Union mehr Macht als die SPD? Es dürfte Spannungen geben.
Eigentlich ist die Sache klar: Es steht 11:7 zwischen Union und SPD am Kabinettstisch. CDU und CSU stellen zusammen nicht nur zehn Ministerinnen und Minister, sondern mit CDU-Chef Friedrich Merz wohl auch den nächsten Bundeskanzler.
"Da braucht sich niemand zu verstecken", rechtfertigte sich Merz dennoch in der ARD-Sendung Caren Miosga. Die SPD hat mit ihrem Negativrekord von 16,4 Prozent bei der Bundestagswahl verhältnismäßig viele Ministerien ergattert. Alles sehr fair und anständig verteilt, findet Merz. Und überhaupt: Die Bildung einer Koalition sei nun mal "kein Abzählreim, wo wir jetzt Hütchen spielen".
Und doch ist die Frage: Wer hat das Hütchen in dieser Koalition am Ende wirklich auf? Das künftig von der CDU geführte Kanzleramt ist die Schaltzentrale der Macht, von dort wird die Regierungsarbeit gesteuert. Als Bundeskanzler hat Merz außerdem die sogenannte Richtlinienkompetenz, sprich: das letzte Wort, wenn es zwischen einem Ministerium und dem Kanzleramt knallt.
"Man darf das nicht überstrapazieren", warnt aber Politikwissenschaftlerin Sabine Kropp von der Freien Universität Berlin. "Das ist eine letzte Maßnahme, mit der man in die Zuständigkeit der jeweiligen Minister eingreift, denn die führen ihre Häuser ja in eigener Verantwortung."
Die Macht des Geldes
Besonders deutlich wird das beim Finanzministerium. "Das ist außerordentlich wichtig, weil der Finanzminister im Kabinett ein Veto einlegen darf", erklärt Kropp. Ohne Geld gibt es meist kein neues Gesetz.
Wohin diese Machtfülle innerhalb einer Koalition führen kann, lässt sich an einem Namen festmachen: Christian Lindner. Der Ex-FDP-Chef nutzte den Machtspielraum seines Hauses in der Ampelkoalition so weit aus, dass sie am Ende im Streit über den Haushalt zerbrach.
Umso wichtiger war es der SPD, sich in den Koalitionsverhandlungen das Finanzministerium zu sichern. Partei- und Fraktionschef Lars Klingbeil könnte dort zum mächtigen Gegenspieler des Kanzlers werden - oder zu seinem Sparringspartner.
Wechselbeziehungen zwischen Ministerien
"Gute Koalitionen funktionieren vor allem dann, wenn Kanzler und Finanzminister an einem Strang ziehen", betont Politikwissenschaftlerin Kropp. Ob Merz und Klingbeil das gelingen würde? "Wir haben ja in den vergangenen Tagen gesehen, dass es bei der Auslegung des Koalitionsvertrags unterschiedliche Vorstellungen gibt."
Das gilt in Teilen auch für das Thema Migration. Zum Beispiel bei der Frage, ob die geplanten Zurückweisungen von Asylsuchenden an den deutschen Grenzen rechtmäßig sind und wie genau Absprachen mit den Nachbarländern dafür aussehen müssten. Hier hat die Union mit dem bald CSU-geführten Innenministerium zwar mächtige Hebel in der Hand, doch die SPD könnte mit dem Justizministerium gegensteuern und rechtliche Bedenken geltend machen.
Ähnlich spannende Wechselbeziehungen gibt es zwischen weiteren Ministerien: Bei Wirtschaft (CDU) und Arbeit/Soziales (SPD) zum Beispiel oder zwischen dem Auswärtigen Amt (CDU) und dem Verteidigungsministerium (SPD). Bei der Machtverteilung innerhalb einer Koalition kommt es also nicht unbedingt auf die Anzahl der Ministerien pro Partei an, sondern auch auf Strategie. Auch deshalb kommt Politikwissenschaftlerin Kropp zu dem Schluss: "Die SPD hat die Ministerien ganz clever verhandelt."
Verhandeln und Kompromisse notwendig
Haben am Ende also doch die Sozialdemokraten die Hosen an in der Koalition Merz? So weit will Politikwissenschaftlerin Kropp nicht gehen. Aus der Forschung wisse man, dass die kleineren Koalitionspartner meist überproportional viele Ressorts bekommen, weil ohne sie keine mehrheitsfähige Regierung gebildet werden kann.
Und: "Die Union hat gegenüber der SPD natürlich schon ein Übergewicht", sagt Kropp. "Wie sich das tatsächlich entwickelt, hängt aber sehr stark davon ab, ob Friedrich Merz in die Rolle des Kanzlers findet und diese Machtbeziehungen austarieren kann."
Dafür sind laut Kropp vor allem geschicktes Verhandeln und Kompromisse notwendig. Die Machtfrage wird also auch in der nächsten Bundesregierung immer wieder neu verhandelt werden müssen.