Konjunktur in Asien Chinas Wirtschaft wächst langsamer
Die Wirtschaft in China ist zuletzt so langsam gewachsen wie seit Anfang 2023 nicht mehr. Laut Statistikamt stieg das Bruttoinlandsprodukt im vergangenen Quartal um 4,6 Prozent. Ein Konjunkturpaket ist geplant.
Das Wirtschaftswachstum in China verlangsamt sich weiter. Wie das Statistikamt in Peking mitteilte, wuchs die zweitgrößte Volkswirtschaft im dritten Quartal verglichen mit dem Vorjahreszeitraum um 4,6 Prozent - und damit um 0,1 Prozentpunkte weniger als im Vorquartal.
Das ist das schwächste Wachstum seit eineinhalb Jahren. Es lag jedoch leicht über den Prognosen von Analysten, die im Durchschnitt mit einem Zuwachs von 4,5 Prozent gerechnet hatten.
Immobilienmarkt und Handel schwächer
Vor allem die Industrieproduktion und die Einzelhandelsumsätze übertrafen die Erwartungen. Chinas Industrieproduktion ist im September um 5,4 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat gestiegen, nach 4,5 Prozent im August. Das dürfte den politischen Entscheidungsträgern Mut machen, die Bemühungen um eine Wiederbelebung der schleppenden Wirtschaft zum Jahresende hin zu verstärken.
Die Einzelhandelsumsätze, ein Gradmesser für den Konsum, stiegen im September um 3,2 Prozent und beschleunigten sich damit gegenüber einem Wachstum von 2,1 Prozent im August. Analysten hatten einen Anstieg von 2,5 Prozent erwartet. Weiterhin eine deutliche Schwäche zeigt dagegen der Immobilienmarkt, was die Forderung von Investoren nach weiteren Unterstützungsmaßnahmen untermauert.
Außerdem verlangsamte sich Chinas Exportwachstum im September drastisch, und auch die Importe verloren an Fahrt. Damit wurden die Prognosen deutlich verfehlt, was darauf hindeutet, dass die Hersteller ihre Preise senken, um ihre Lagerbestände vor der Einführung von Zöllen durch mehrere Handelspartner abzubauen.
Geplantes Konjunkturpaket - es geht um viel Geld
Infolge der anhaltenden Konjunkturschwäche hatte Chinas Regierung jüngst ein Konjunkturpaket angekündigt. Jedoch blieb sie wichtige Details schuldig, in welchem Ausmaß zusätzliche Schulden aufgenommen werden, mit denen auch der Konsum angekurbelt werden könnte. Die anfängliche Euphorie an den Aktienmärkten legte sich daraufhin wieder.
Medienberichten zufolge erwägt China die Ausgabe spezieller Staatsanleihen zur Finanzierung der Konjunkturhilfen. Über einen Zeitraum von drei Jahren könnten so zusätzliche Schulden in Höhe von sechs Billionen Yuan (774 Milliarden Euro) aufgenommen werden, wie mehrere heimische Medien am vergangenen Dienstag schrieben. Die Berichte folgen auf die Ankündigung von Finanzminister Lan Foan vom Wochenende, wonach Peking die Verschuldung "deutlich erhöhen" werde.
Vor allem die anhaltende Krise im Immobiliensektor trug zuletzt zur wirtschaftlichen Schwäche in China bei. Wegen der Unsicherheiten halten Verbraucherinnen und Verbraucher ihr Geld lieber zusammen, was den Konsum in der zweitgrößten Volkswirtschaft belastet. Nun will die Regierung in Peking der angeschlagenen Branchen mit weiteren Krediten in Milliardenhöhe unter die Arme greifen. Bis Ende des Jahres soll die Unterstützung für Wohnungsbau-Projekte der sogenannten "weißen Liste" auf insgesamt bis zu vier Billionen Yuan (rund 517,4 Milliarden Euro) ausgeweitet werden.
Unfertiges soll zu Ende gebaut werden
Die im Januar von der Regierung eingeführte Liste enthält Projekte und Bauträger, die für eine Finanzierung geeignet sind. China verdoppelt damit nahezu das Kreditvolumen bis Jahresende. Die Volksrepublik will sicherstellen, dass unfertige Projekte zu Ende gebaut werden und der Abwärtstrend in dem Sektor gestoppt wird. "Wir können den Kampf, die Übergabe von Wohnungen zu gewährleisten, auf jeden Fall gewinnen", sagte Wohnungsbau-Minister Ni Hong. Ihm zufolge hat der landesweite Immobilienmarkt nach drei Jahren der "Anpassung" nun die Talsohle erreicht.
"Die Maßnahmen der Führung tragen den Herausforderungen der Wirtschaft zwar Rechnung, der Stimulus ist aber angesichts der Situation noch zurückhaltend, insbesondere um den Konsum anzutreiben", erklärte der Ökonom Max Zenglein vom China-Institut Merics in Berlin. In Anbetracht der Herausforderungen durch den Abwärtssog des Immobilienmarkts wirkten die angekündigten Maßnahmen eher stabilisierend als fördernd für das Wachstum. Eine grundsätzliche Kehrtwende in Pekings Wirtschaftspolitik sei nicht erkennbar.
"Die Förderung der industriellen Stärke im Bereich des Tech-Sektors hat weiterhin oberste Priorität", sagt Zenglein. Staats- und Parteichef Xi Jinping halte am Plan fest, die Wirtschaft über den Technologiesektor zu modernisieren und damit die Basis des Wachstums zu verändern. Die Zeche dafür zahlten Teile der Mittelschicht, die sich der strategischen Zielsetzung der Führung unterordnen müssten.
Wachstumsziel könnte verfehlt werden
Trotz der angekündigten Hilfen zweifeln Analysten daran, dass Peking sein Wachstumsziel von fünf Prozent in diesem Jahr erreichen wird. Einer Umfrage der Nachrichtenagentur Reuters zufolge wird die chinesische Wirtschaft 2024 wahrscheinlich um 4,8 Prozent wachsen. Das Wachstum könnte sich 2025 weiter auf 4,5 Prozent abkühlen.
Sheng Laiyun, Sprecher des Pekinger Statistikamtes, zeigte sich dagegen zuversichtlich, dass die Vorgabe noch erreicht werden könne. Die Schmerzen des Strukturwandels setzten sich fort. Dennoch habe die chinesische Wirtschaft dem Druck standgehalten und einen stabilen Trend beibehalten. Zudem schloss Sheng weitere Hilfen nicht aus. "Es gibt noch viel Spielraum für weitere Maßnahmen, und der Wert der bereits eingeführten Maßnahmen ist ebenfalls sehr hoch", so der Sprecher.
Es gebe Anzeichen, dass sich die Wirtschaft im vierten Quartal stabilisieren und erholen werde. So seien seit Anfang Oktober etwa der Stromverbrauch und die Preise einiger Produktionsmaterialien gestiegen. Auch der robuste Konsum während der Feiertage rund um den chinesischen Nationalfeiertag am 1. Oktober gebe Anlass zur Hoffnung.
Mit Informationen von Eva Lamby-Schmitt, ARD-Studio Shanghai.