Neubewertung von Immobilien Wie die Grundsteuer das Wohnen noch teurer macht
Die neue Grundsteuer sorgt nicht nur bei Eigentümern für Verärgerung, sondern auch bei Mietern. Denn Vermieter können die zusätzlichen Kosten auf sie umlegen. Wahrscheinlich wird Wohnen für Millionen Menschen teurer.
Das Finanzamt fordert 2.500 statt 40 Euro? Nach der Reform der Grundsteuer schauen einige Hauseigentümer fassungslos auf ihre Bescheide. Die Neubewertungen ihrer Grundstücke durch die Finanzämter haben den einen oder anderen auf dem Papier regelrecht reich gemacht - und damit könnte auch die Höhe der neuen Grundsteuer drastisch steigen. In nicht mal drei Monaten tritt eine Reform in Kraft, die bundesweit alle Mieter und Eigentümer betrifft.
Obwohl die neue Grundsteuer erst ab dem 1. Januar 2025 gilt, haben bundesweit mehr als 6,16 Millionen Steuerzahler bereits gegen ihre Grundsteuerwert- und Messbescheide bei den Finanzämtern Einspruch erhoben. Das ergab eine aktuelle Umfrage von Plusminus bei den zuständigen Finanzministerien der Länder. Viele der Einsprüche berufen sich auf laufende Musterverfahren, die sich gegen das sogenannte Bundesmodell richten, das in elf Bundesländern gilt. Initiiert wurden sie von Haus und Grund und dem Bund der Steuerzahler.
"Grundsteuerrebellen in Sachsen"
Das Ziel sei, das Gesetz verfassungsrechtlich zu kippen, so Daniela Karbe-Geßler vom Bund der Steuerzahler. "Wir empfehlen zunächst jedem Eigentümer, neben dem Einspruch auch das Ruhen des Verfahrens zu beantragen. Und das bedeutet dann, dass die Einsprüche aktuell nicht bearbeitet werden, sondern dass die Finanzämter abwarten, bis es zu einer verfassungsrechtlichen Klärung gekommen ist."
Zu den Steuerzahlern, die sich zur Wehr setzen, gehören auch die "Moritzburger Grundsteuerrebellen", wie sie sich selbst nennen. Sie sind etwa 40 betroffene Grundstücksbesitzer aus der Gegend um Dresden und Meißen (Sachsen). Was sie eint: Die neuen Bewertungen hätten mit dem tatsächlichen Wert ihrer Grundstücke wenig zu tun. Teilweise würden die Finanzämter Hochwassergebiete, Grünland oder gar Waldstücke wie Bauland bewerten, so der Vorwurf.
Mehr als das 60-fache an Grundsteuer?
Ihr Sprecher ist Torsten Küllig. Sein Grundstück liegt in zweiter Reihe, in unmittelbarer Nähe des Schlosses Moritzburg, einst Kulisse für den Filmklassiker "Drei Haselnüsse für Aschenbrödel". Vor neun Jahren hatte der Familienvater das Gartengrundstück gekauft. 2600 Quadratmeter für 33.000 Euro. Zwei Doppelgaragen stehen darauf, ansonsten besteht es vor allem aus Garten und Wiese. Doch laut Bescheid des Finanzamtes Meißen ist sein Grundstück nun knapp 852.000 Euro wert. Und das obwohl Torsten Küllig hier gar nicht bauen darf. Trotzdem wurde sein Grundstück größtenteils als baureifes Land mit 308 Euro pro Quadratmeter bewertet.
Noch ist offen, wie hoch die Grundsteuer ab dem 1. Januar 2025 tatsächlich für ihn ausfällt. Denn er kennt den aktuellen Hebesatz, also den Faktor, mit dem die Gemeinde Moritzburg, die neue Steuer berechnen wird, noch nicht. Legt man allerdings den derzeit aktuellen Hebesatz zugrunde, müsste er im nächsten Jahr dann schätzungsweise bis zu 2500 Euro im Jahr zahlen, statt wie bisher nur 40 Euro. "Das wäre mehr als das 60-fache", sagt der Familienvater. "Wenn Sie es hochrechnen, kostet mich der Garten dann ab nächstem Jahr jeden Monat 200 Euro, nur an Steuer."
"Sie wollen mehr Steuereinnahmen"
Aktuell geben die ersten Städte und Gemeinden ihre neuen Hebesätze für das Jahr 2025 bekannt: So wird in Berlin der Hebesatz für die Grundsteuer von 810 auf 470 Prozent gesenkt, in Hamburg hingegen verdoppelt er sich nahezu. Er steigt von 540 auf 975 Prozent. Bremen plant eine Erhöhung von 695 auf 755 Prozent.
Damit werden sich auch Mietwohnungen verteuern - denn Vermieter können die Zusatzkosten durch die Grundsteuer auf die Miete umlegen. Doch die meisten Grundstücks- und Hausbesitzer und damit auch deren Mieter wissen immer noch nicht genau, was auf sie zukommt. Laut Eigentümerverband Haus und Grund können 90 Prozent der Haushalte nicht sagen, wie hoch die neue Grundsteuer ausfällt, weil viele Städte und Gemeinden immer noch keine Hebesätze erlassen haben.
Fest stehe aber schon jetzt, so Kai Warnecke, Präsident von Haus und Grund Deutschland gegenüber Plusminus, dass für Millionen Menschen Wohnen künftig teurer werde. "Was wir derzeit bei den ersten Veröffentlichungen sehen, ist, dass die Städte und Gemeinden die Hebesätze nach oben ziehen", so Warnecke. "Sie wollen mehr Steuereinnahmen. Wir sehen zum Teil dramatische Verteuerungen bei einzelnen Bürgerinnen und Bürgern, das ist zum Teil das Acht-, das Zehnfache dessen, was zuvor an Grundsteuern gezahlt wurde."
Neubewertung nach "objektiven Kriterien"?
Ob flächendeckend Steuererhöhungen drohen, könne zwar derzeit noch nicht abschließend beurteilt werden. Aber aktuelle Berechnungen von Haus und Grund zeigten, dass selbst in Berlin, wo der Hebesatz erheblich gesenkt wurde, Hausbesitzer bis zu 200 Prozent mehr an Grundsteuer zahlen müssten, so Warnecke.
Das für das Bundesmodell zuständige Bundesfinanzministerium schreibt auf Anfrage von Plusminus dazu, dass es aufgrund der Reform "für die einzelnen Eigentümerinnen und Eigentümer zu einer Mehr- oder Minderbelastung kommen kann". Dies sei schon deshalb zwingend, "weil die bisherige Grundlage für die Steuererhebung nicht realitäts- und relationsgerecht war". Das neue Bewertungsrecht gewährleiste hingegen "eine gleichmäßige Neubewertung der Grundstücke nach objektiven Kriterien".
Betroffene Grundstücksbesitzer wie Torsten Küllig aus Moritzburg sehen das ganz anders. Dass sein bebaubares Gartengrundstück wie baureifes Land bewertet wurde, sei alles andere als objektiv.