Teils viel höhere Belastung Wenn der Grundsteuer-Schock droht
Für viele Hausbesitzer könnte es ein böses Erwachen geben, wenn die nächsten Bescheide für die Grundsteuer kommen. In manchen Fällen wird die jährliche Abgabe wegen der neuen Berechnung wohl um ein Vielfaches höher ausfallen.
Norbert Stalter und seine Frau wohnen im Freiburger Süden. Eine gehobene Wohngegend, das Haus selbst ist aber eher einfach und bescheiden. Es wurde 1956 gebaut, ein typisches Einfamilienhaus aus dieser Zeit, mit Holzverkleidung im Dachgeschoss, Balkon und Markise.
Das Grundstück allerdings ist überdurchschnittlich groß: 2500 Quadratmeter. Das könnte sie nun extrem teuer zu stehen kommen. Stand jetzt könnte es sehr gut sein, dass sie in Zukunft jährlich 14.000 Euro Grundsteuer zahlen müssten - statt wie bisher 433 Euro.
Baden-Württemberg geht einen Sonderweg
Norbert Stalter ist schockiert. 1986 haben er und seine Frau das Haus gekauft, lange haben sie abgezahlt. Künftig einen fünfstelligen Betrag im Jahr an Grundsteuer zu zahlen - das könnten sie sich nicht leisten, sagt er. "Als ich zum ersten Mal die Zahl ausgerechnet habe, ging es mir sehr schlecht. Ich habe sehr schlecht geschlafen", sagt der Rentner.
Der Grund für Stalters schlaflose Nächte: Baden-Württemberg geht bei der Berechnung der Grundsteuer einen Sonderweg. Anders als in anderen Bundesländern zählen hier bei der Berechnung nur die reine Grundstücksgröße und der so genannte Bodenrichtwert - ein Wert, der sich an der Wohngegend orientiert und von einem Gutachtergremium festgelegt wird.
Der Bodenrichtwert in der Freiburger Wohngegend von Norbert Stalter liegt bei 1050 Euro je Quadratmeter. Ein Nachbar und Steuerberater habe ihn darauf aufmerksam gemacht, dass dieser Wert in Kombination mit der Grundstücksgröße zu einem enormen Anstieg der Grundsteuer führen könnte. Wenn sich am Hebesatz der Stadt Freiburg nichts ändert, wohl auf mehr als 14.000 Euro.
Viele Faktoren werden ignoriert
Der Freiburger Steuerberater Helmut Weyer hält das baden-württembergische System für ungerecht. "Wohnfläche, Ausstattung des Hauses, Baustandard und so weiter - das hat ja bisher maßgeblich den Grundsteuerwert beeinflusst. Das wird komplett ignoriert", sagt er und treibt das Beispiel auf die Spitze: Ein einfaches Einfamilienhaus koste in Zukunft in Baden-Württemberg genauso viel Grundsteuer wie eine 30-Millionen-Euro-Villa.
Normale Einfamilienhausbesitzer mit Garten seien die Verlierer der Reform. Für Eigentümer in Mehrfamilienhäusern hingegen könnte es sogar günstiger werden als bisher, weil sich mehrere Wohneinheiten auf einem Grundstück die Steuer teilen.
"Anreize für eine effiziente Nutzung"
Genau das soll durch die Grundsteuerreform auch erreicht werden, heißt es von der Landesregierung. Grundstückbesitzer sollen darüber nachdenken, neuen Wohnraum zu schaffen. "Das in Baden-Württemberg gewählte Bodenwert-Modell gibt Anreize für eine effiziente Nutzung bebaubarer Flächen", teilt das Finanzministerium auf Anfrage mit.
Nur könnten Einfamilienhausbesitzer mit großem Grundstück in den seltensten Fällen einfach so ein Mehrfamilienhaus in ihren Garten stellen, kritisiert der Eigentümerverband Haus und Grund. Er warnt aber auch davor, vorschnell in Panik zu verfallen.
"Viele Grundsteuerrechner im Internet vermitteln ein falsches Bild", sagt der baden-württembergische Landesgeschäftsführer Ottmar Wernicke. Denn über die sogenannten Hebesätze, die für die Grundsteuerreform 2025 neu berechnet würden, hätten die Gemeinden die Möglichkeit, Eigentümer zu entlasten - indem sie sie senken.
Hebesätze sind nicht unendlich senkbar
Doch so einfach geht es oft nicht: Die Hebesätze gelten einheitlich für alle Immobilien und alle Stadtteile einer Gemeinde. Unterschiedliche Hebesätze sind nicht zulässig. So bleibt den Städten wenig Spielraum. "Es wird Gewinner geben. Aber es gibt auch sehr heftige Verlierer", sagt Eike Möller vom Bund der Steuerzahler Baden-Württemberg. Wie das Beispiel von Norbert Stalter in Freiburg zeigt.
Hier liegt der Hebesatz aktuell bei 600 Prozent - egal ob Hochhausgrundstück oder Einfamilienhaus. Um Einfamilienhäuser zu entlasten, müssten die Städte den Satz so weit senken, dass sie in anderen Wohngegenden kaum noch Einnahmen hätte. Eine radikale Senkung wird es nach Meinung von Experten deshalb nicht geben.
Ein Beispiel: Selbst wenn die Stadt Freiburg den aktuellen Hebesatz von 600 auf "nur" 400 Prozent senken würde, müsste Stalter nach dem neuen Berechnungsmodell immer noch rund 10.000 Euro Grundsteuer im Jahr zahlen.
Eigentümer sollten sofort Einspruch einlegen
Der Bund der Steuerzahler bezweifelt die Verfassungsmäßigkeit des Modells in Baden-Württemberg und hat bereits vorsorglich Klage eingereicht. Außerdem rät er Eigentümern, sofort Einspruch einzulegen, sobald die sogenannten Grundsteuerwertbescheide im Briefkasten liegen.
Sie sind noch keine abschließenden Steuerbescheide, doch nur gegen sie können Eigentümer laut Bund der Steuerzahler Einspruch einlegen. Wenn der fertige Grundsteuerbescheid komme, sei es zu spät, sagt Möller.
Norbert Stalter aus Freiburg wird auf jeden Fall sofort Einspruch einlegen, sobald der erste Bescheid vom Finanzamt im Briefkasten liegt. Und hofft dann darauf, dass das Bundesverfassungsgericht das baden-württembergische Modell kippt. "Im Moment lebe ich in der Hoffnung, dass es einfach nicht so kommt", sagt er. "Man braucht diese Hoffnung, sonst kann man gar nicht damit leben."