Riedbahn-Sanierung Mit dem Bus klappt's erstaunlich gut
Anstelle der Bahn fährt zwischen Frankfurt und Mannheim derzeit nur der Bus. Wie sehr stellt das die Nerven der Berufspendler auf die Probe?
Anfang dieser Woche, kurz nach 7 Uhr morgens: Wir stehen in Gernsheim an der Ersatzbus-Haltestelle und warten auf "RE 70", der uns nach Frankfurt bringen soll. Es fährt Bus "S7" vor, ein Mann mit grüner Weste springt hervor und ruft "Guten Morgen! S7 nach Frankfurt". Also rein. Eindreiviertel Stunden später sind wir 50 Kilometer weiter am Frankfurter Hauptbahnhof. Sitzplatz, trocken, gekühlt und reichlich durchgeschüttelt. Wer Ersatzbusse nehmen muss, sollte unempfindlich für Reisekrankheit sein.
Es ist nicht einfach, die großen Gelenkbusse auf Landstraßen durch Südhessen zu fahren. Auch gut ausgebaute Bundesstraßen sind mittlerweile von Kreisverkehren unterbrochen. Für den "S7" gibt es unterwegs 13 reguläre Haltestellen und noch ein paar, die der freundliche Busfahrer zusätzlich anfährt. Regulär steht Wolfskehlen auf dem Plan: Kurverei rein ins Dorf, Kurverei durchs Dorf, an der Station einen neuen Passagier aufnehmen und wieder rauskurven. Die Passagiere sind geschüttelt, nicht gerührt.
Pendler brauchen länger
Der "RE 70"-Bus wäre die bessere Wahl gewesen: Nur vier Haltstellen zu Beginn und dann die halbe Strecke über die Autobahn nach Frankfurt eilen. Das dauert eine Stunde und 15 Minuten. Wenn die Strecke nicht wegen der laufenden Großsanierung bis Mitte Dezember gesperrt ist, braucht ein Regionalexpress-Zug (RE 70) 40 Minuten. Deshalb ist Gernsheim für Pendler attraktiv: In der mittelgroßen Stadt am Rhein wohnen und in Frankfurt Geld verdienen.
Mit "S7" fahren nur Anfänger und Menschen, die kleine Entfernungen zurücklegen und von Ort zu Ort wollen. Wir nehmen am Abend den Ersatzbus "RE 70" für die Heimreise. Er ist pünktlich.
In allen vier Bussen, die wir heute ausprobiert haben, ist wenig los. Zwischen einer Handvoll und zwei Dutzend Passagiere sind pro Bus unterwegs. In der jetzigen Ferienzeit mit wenig Verkehr funktioniert der Fahrplan haarscharf.
Es gibt Platz für Gepäck und Kinderwagen. Viele Busse haben eine Toilette an Bord, die geräumiger ist als in Reisebussen und in durchaus benutzbarem Zustand. Alle Sitze haben Sicherheitsgurte, die kaum jemand benutzt. Für Hochgewachsene ist es eng. Zwischen Mörfelden und Walldorf kreuzt ein Lufthansa-Flugzeug den blauen Himmel, und der Ersatzbus-Passagier besinnt sich: Hier ist es auch nicht unbequemer als dort oben.
Schwierige Kundeninformation
Auf der Heimfahrt ist die von der Bahn besonders beworbene "Fahrtinformation in Echtzeit" abgeschaltet. Kunden erfahren nicht mehr, wann sie wo ankommen. Das mag daran liegen, dass sich die Bahn mit der Technik schwer tut. Bei einer Probefahrt im Tagesverlauf Richtung Mannheim zeigte das Informationssystem, dass die erste Station Goddelau mit 49 Minuten Verspätung erreicht werde. Und das, als die Station bereits überpünktlich in Sicht ist. Auf der Rückfahrt dasselbe Phänomen: Frankfurt werde 48 Minuten zu spät erreicht. Auch das ist Unsinn; der Bus kommt auf die Minute pünktlich an.
Die Deutsche Bahn tut sich traditionell schwer, Informationen, die im Konzern vorhanden sind, dorthin zu bringen, wo sie wichtig und von Interesse sind. Bei allen Probefahrten zeigt sich: Die Bahn-App ist generell nicht auf Zack. Angezeigte Zeiten stimmen regelmäßig nicht. Die App des regionalen Verkehrsverbundes RMV, die sonst zuverlässiger ist, zeigt manche Busse gar nicht.
Bei unseren Probefahrten kommt ein Bus nicht. RE 70 ab Frankfurt um 9:17 ist und bleibt verschollen. Die Grünwesten an den Stationen berichten, so was komme vor: Mal erscheine ein Fahrer nicht, mal sei ein Bus kaputt, und mal weiß man es nicht. Ihr Kontakt zur Leitstelle im fernen Berlin bringe regelmäßig keine Aufklärung. Darauf angesprochen, bestreitet die Bahn Ausfälle und lobt prächtige Koordinierung.
Das Personal ist sehr bemüht
Für 150 nagelneue Busse wurden 400 Fahrer angestellt. Es sind großenteils Polen, die ordentlich englisch und schlecht deutsch sprechen. Zur Problemlösung stehen an vielen Stationen Menschen mit grünen ("Betriebslenkung") und weißen Westen (Helfer). In manchen Bussen fahren Bahnschaffner mit, die mangels Zugverkehr nichts zu tun haben.
Das Personal wirkt überdurchschnittlich freundlich und ist sehr bemüht. Unsere Fahrkarten wurden während des gesamten Tages nicht kontrolliert.
Die Bahn fährt zu früh
Kunden sind gut beraten, frühzeitig zu kommen. Die Fahrer sind zackig und tun etwas, was im Bahnverkehr völlig undenkbar ist: Sie fahren gern zu früh los. Eine Minute vor Plan kommt häufig vor, zwei Minuten selten. Einmal haben wir drei Minuten gemessen. Während 6:45 Stunden Probefahrt wurden drei Bordsteine mitgenommen, vier tiefgelbe Ampeln passiert und eine Verkehrsinsel auf der Ideallinie, aber entgegen der vorgeschriebenen Richtung.
An der Zielstation leutselig angesprochen, ist der Fahrer nicht am Gespräch interessiert, er seufzt ermattet: "I have Pause now".