Höhere Lebensmittelpreise Warum regionale Hersteller kaum profitieren
Die Lebensmittelpreise sind stark gestiegen. Bei mittelständischen Herstellern, die regionale Produkte verkaufen, sinken aber die Gewinne. Wer profitiert wirklich von den steigenden Preisen?
Die Molkerei Schwälbchen ist die größte Molkerei Hessens. Hier werden neben klassischen Produkten wie Milch, Sahne und Quark auch regionale Spezialitäten produziert, zum Beispiel die in der Region bekannte Grüne Soße oder auch ein Handkäs-Dip. Allerdings zu deutlich höheren Preisen als noch vor einigen Jahren, erklärt der Vorstandschef Günter Berz-List. Denn die Kosten sind entlang der gesamten Produktionskette gestiegen: Personal-, Energie-, Logistik- und sonstige Produktionskosten schnellen in die Höhe.
Verbraucher spüren das beim täglichen Einkauf: Die Lebensmittelpreise sind hierzulande in den vergangenen Jahren massiv erhöht worden. Laut Statistischem Bundesamt sind die Nahrungsmittelpreise im Jahr 2023 um mehr als zwölf Prozent gestiegen - also stärker als die allgemeine Inflation.
Doch gerade mittelständische Lebensmittelhersteller können von diesen gestiegenen Preisen kaum profitieren. Denn gerade für kleinere Unternehmen ist es schwer, die Mehrkosten, die sich durch höhere Produktionskosten ergeben, auch in voller Höhe vom Handel bezahlt zu bekommen, so Berz-List.
Handel hat die Macht bei Preisgestaltung
Zu welchen Preisen Produkte verkauft werden, liege in der Hand des Handels, erklärt Martin Fassnacht. Er ist Professor für Strategie und Marketing an der WHU Otto Beisheim Schoof of Management. In Deutschland sind laut Fassnacht vier große Handelsgruppen dominierend: Edeka, Rewe, Lidl, Aldi Süd und Aldi Nord würden rund 85 Prozent des Lebensmittelumsatzes machen. "Das allein erklärt schon die große Macht des Handels in Deutschland", so der Experte.
Das zeigt sich zum Beispiel bei den Eigenmarken: Die Molkerei Schwälbchen liefert nicht nur unter der eigenen Marke, sondern auch für die Eigenmarken des Handels. Diese Eigenmarkenprodukte seien im Handel oft deutlich günstiger, obwohl sie in der Produktion nur wenige Cent weniger kosten. Für Schwälbchen bedeute dies, dass sie sich in einer "Sandwich-Position" befinden, so Vorstandschef Berz-List.
Regionalität ist teuer
Das heißt, dass Schwälbchen einerseits den Landwirten wettbewerbsfähige Milchpreise zahlen muss. Von den Handelsriesen bekommt die Molkerei für diese Produkte aber keine besseren Preise. Man sehe das zweiseitig, so Berz-List. Zum einen könne man so die ganze Breite des Sortiments präsentieren und auch mit neuen Produkten schnell wachsen. "Auf der anderen Seite fragen wir uns natürlich schon ab und an, zumindest bei den sogenannten Basisartikeln Milch, Sahne, Quark und Joghurt, warum Regionalität zu teuer verkauft werden muss", sagt der Molkerei-Chef.
Trotz der schwierigen Position im Markt kann Schwälbchen auf ein erfolgreiches Geschäftsjahr 2023 zurückblicken. Die Molkerei verarbeitete im vergangenen Jahr über 120 Millionen Kilogramm Milch und konnte ihren Umsatz im Vergleich zum Vorjahr um mehr als sechs Prozent steigern. Das Jahresergebnis stieg laut Geschäftsbericht auf mehr als 6,8 Millionen Euro. Das liegt aber auch daran, dass die Molkerei regionale Produkte herstellt, die zu etwas höheren Preisen verkauft werden können und so die Kosten decken.
Mittelstand als Verlierer der hohen Lebensmittelpreise
Dieser Erfolg ist jedoch nicht repräsentativ für die Lage vieler mittelständischer Unternehmen. Das zeigt eine Analyse des Handelsblatt Research Instituts, welches die Bilanzen von 70 mittelständischen und großen Markenherstellern sowie den führenden Handelskonzernen in Europa ausgewertet hat.
Handelsblatt-Redakteur Michael Scheppe erklärt, dabei habe man einen riesigen Verlierer identifiziert: Die mittelständischen Unternehmen wie Frosta oder Weleda haben laut der Analyse nicht von steigenden Lebensmittelpreisen profitiert. "Die haben trotz der Preiserhöhungen zehn Prozent weniger Gewinn gemacht. Und das Ergebnis fanden wir schockierend", so Scheppe.
Anders sehe die Analyse der großen Konzerne - wie Nestlé oder Henkel - oder den Händlern - wie Rewe, Metro oder Tesco - aus. "Die machen drei bis vier Prozent mehr Gewinne in 2023, verglichen zum Vorjahr." Hinweise darauf, dass sich große Konzerne oder Händler an den Preiserhöhungen bereichern, zeige die Analyse aber nicht. Die Gründe für den Unterschied in den Gewinnen sieht er in den Größenvorteilen und der stärkeren Verhandlungsmacht der Konzerne gegenüber dem Handel - sie seien besser in der Lage, Kosten zu senken und höhere Preise durchzusetzen.
Lösungsansätze für die Zukunft
Demgegenüber sind viele mittelständische Unternehmen stark vom deutschen Markt abhängig und haben kaum Möglichkeiten, international zu expandieren. Die Verhandlungsmacht sei also dementsprechend klein, sagt auch Handelsexperte Martin Fassnacht.
Trotzdem sieht er Potenzial für den Mittelstand. Innovationen und Kooperationen könnten mittelständischen Unternehmen helfen, ihre Marktposition zu stärken. So könnte eine engere Zusammenarbeit im Vertrieb oder Fusionen den Unternehmen helfen, gegenüber dem Handel relevanter zu werden. "Man muss auch an neue Zielgruppen und neue Vertriebskanäle als Mittelständler denken."
Schwälbchen hat bereits einige Schritte in diese Richtung unternommen. Das Unternehmen beliefert nicht nur Supermärkte, sondern auch Restaurants, Bäckereien und Kantinen. Rund 20 Prozent des Geschäfts entfallen inzwischen auf diesen Bereich, so der Molkereichef Berz-List. Zudem hat Schwälbchen das Produktsortiment erweitert und bietet Produkte wie türkischen Ayran oder Joghurt in Großgebinden an, die besonders in urbanen Gebieten immer beliebter würden. "Dieser Markt, der ist auf jeden Fall steigend und stellt damit für ein mittelständische Unternehmen auch Zukunftsperspektive dar", so Berz-List.