"Tokyo Metro" Nahverkehr als Erfolgsgeschichte - auch an der Börse
In Japan zeigt der Börsengang von "Tokio Metro" wie Privatisierung gehen kann: Das Nahverkehrsunternehmen ist profitabel, die Züge sauber und pünktlich. Eine Erfolgsgeschichte - und ganz anders als in Deutschland.
15-fach überzeichnet und schon der Eröffnungskurs liegt 36 Prozent über dem Ausgabepreis. Der meist beachtete Börsengang des Jahres in Japan: ein voller Erfolg. "Tokyo Metro", der größte U-Bahn-Betreiber des Landes, rast förmlich an die Börse. Die beiden bisherigen Eigentümer, die Stadt Tokio und das Finanzministerium, reduzieren ihre Anteile und schwimmen im Geld. Das entspricht im Grunde den Erwartungen fast aller Analysten - auch denen von Hirozumi Kobayashi.
"In der Verkehrsbranche gibt es generell Bedenken bei Strecken auf dem Land, weil dort die Bevölkerung abnimmt und deswegen das Geschäft leidet. Das ist ein großes Problem", so Kobayashi. Aber "Tokyo Metro" konzentriere sich auf Tokio, die Bedenken fielen also weg. "Wenn man das in Finanzsprache übersetzt, bedeutet das eine höhere zu erwartende Dividende."
Verkauf von Einzelfahrscheinen am lukrativsten
"Tokyo Metro" ist hochprofitabel. Die Gewinnspanne lag zuletzt bei fast 20 Prozent. Das ist mit keiner Betreibergesellschaft in Deutschland oder Europa zu vergleichen, erklärt Alexander Möller vom Verband Deutscher Verkehrsunternehmen. "In Tokio haben 60 Prozent der ÖPNV Nutzer ein Monatsticket für eine bestimmte Strecke und der Rest kauft Einzelfahrscheine." Und im globalen ÖPNV gebe es kein lukrativeres Ticket als den Einzelfahrschein.
Und was dieser Einzelfahrschein kostet, kann "Tokyo Metro" selbst bestimmen. In Deutschland sind die Preise politisch reguliert. Nahverkehrsunternehmen in Deutschland sind gut, wenn sie möglichst wenig Verlust machen. An diesem System grundlegend etwas zu ändern, ist im Grunde seit dem gescheiterten Börsengang der Deutschen Bahn 2008 kein Thema mehr.
Im Moment fehle die Vorstellung, dass man den Nahverkehr besser privat organisiert hinbekommen würde, so Möller. Diese Vorstellung sei "nach einer vielleicht euphorischen Zeit Anfang der 2000er Jahre heute völlig verschwunden."
Privatisierungskultur in Japan
In Japan ist es genau andersherum: Schon in den 1980er-Jahren wurde die Staatsbahn verkauft und in sechs Regionalgesellschaften aufgeteilt. Die Pünktlichkeit japanischer Züge ist legendär. Die fast 40 Millionen Einwohner der größten Metropolregion der Welt werden täglich in modernen und sauberen Zügen zu ihrem Ziel gebracht. Trotz oder gerade wegen der Privatisierungskultur in Japan.
Kritik oder gar Ablehnung aus der Bevölkerung gibt es praktisch nicht, erklärt Analyst Kobayashi. Weil die Qualität stimmt und klar ist, was mit den Einnahmen aus dem Börsengang passiert. "Die Stadt Tokio hat beschlossen, dass die Einnahmen durch den Verkauf der Aktien der 'Tokyo Metro# in die Rückzahlung der Wiederaufbauanleihen für das große Erdbeben in Fukushima 2011 fließen sollen."
Weil es in Japan außerdem viele Erdbeben gebe, sei zu erwarten, dass Katastrophenschutzmaßnahmen verbessert würden, so Kobayashi. Dabei gehe es dann zum Beispiel um Überschwemmungen, also eintretendes Wasser in die U-Bahnen.
Entscheidung zwischen Profitabilität und Leistungsfähigkeit?
Der Run auf die Aktien von "Tokyo Metro" ist groß. Damit auch die rund 10.000 Mitarbeiter profitieren, sind zwei Prozent der Anteile allein für sie reserviert. Auch eine derartige Einbindung der Belegschaft würde in Deutschland nicht zum Umdenken führen, glaubt Möller vom VDV.
"Ich glaube, weil wir feststellen müssen, dass es abgesehen von dieser fehlenden Aktien-Börsen-Kultur, die Sorge gibt, dass dann Profitabilität vor der Leistungsfähigkeit der einzelnen Unternehmen steht", sagt Möller. Und dass man dementsprechend Strecken nicht mehr danach ausrichte, ob die Menschen sie bräuchten, sondern wie profitabel sie sind.
In Japan geht beides: Profitabilität und ein zumindest in Großstädten außerordentlich gut funktionierender und auch bezahlbarer Nahverkehr. Der erfolgreiche Börsengang von "Tokyo Metro" ist der beste Beleg dafür.