Steigende Zahl an Insolvenzen Warum immer mehr Pflegeheime pleitegehen
Dorea, Curata, die Hansa-Gruppe: Immer mehr große Pflegeheimbetreiber melden Insolvenz an. Grund dafür sind steigende Kosten und der Fachkräftemangel. Es trifft auch kleine Häuser.
Das Ursula-Lambertz-Haus in Kalterherberg bei Monschau ist freundlich gelb gestrichen, hat große Fensterfläche und einen schönen kleinen Park hinter dem Haus. "Unsere Warteliste ist lang. Jeden Tag rufen zwei Interessenten für einen Heimplatz an", sagt Andreas Nowack, der kommissarische Heimleiter. Doch das Heim steht zu großen Teilen leer. Derzeit sind nur 17 der 38 Plätze belegt. Anfang des Jahres stand das Haus in privater Trägerschaft kurz vor der Pleite.
"Ich hatte tüchtig Angst, das muss ich ehrlich zugeben", erinnert sich Irmtraud Prümmer. Die 81-Jährige wohnt erst seit einem Jahr hier. Ihre Familie und Freunde leben in den umliegenden Orten. Wenn das Haus geschlossen worden wäre, wäre das nächste Heim für sie erst knapp 50 Kilometer weiter gewesen.
Machen mehr als ein Drittel der Häuser Verluste?
Das Problem: Das Haus ist eigentlich zu klein, um sich selbst tragen zu können. Eigentlich bräuchte es 70 bis 80 Plätze, damit es sich rechnet, so Heimleiter Nowack. Er arbeitet für das Deutsche Rote Kreuz in Aachen, das vor drei Monaten das Haus übernommen hat. Keine leichte Aufgabe.
Denn das eigentliche Problem ist das fehlende Fachpersonal. Nur mit dem richtigen Personalschlüssel könnten auch genügend Bewohner und Bewohnerinnen aufgenommen werden. Doch mit der drohenden Insolvenz haben sich hier viele der Fachkräfte nach einem neuen Job umgesehen. Eine schwierige Spirale, aus der ein Heim erstmal rauskommen muss. Und so geht es vielen.
Im vergangenen Jahr haben laut dem Branchendienst pflegemarkt.com 142 Pflegeheime von etwa 11.000 schließen müssen. 200 waren es bereits in den ersten drei Monaten dieses Jahres. Und bis Ende des Jahres werden laut dem Care Report der Unternehmensberatung Roland Berger 37 Prozent der Heime wohl rote Zahlen schreiben.
Ein Heim muss zu 98 Prozent belegt sein
Doch wie kommt es dazu? Tatsächlich ist diese Entwicklung noch recht neu, beobachtet Pflegeforscher Thomas Kalwitzki von der Universität Bremen. Bisher hätten Träger rentabel gearbeitet. Pflegeheime waren für Investoren beliebte Renditeobjekte, die als sichere Anlage galten.
Doch der Grat zum Defizit ist schmal: Sind weniger als 98 Prozent der Plätze belegt, rutscht laut Verband der Alten- und Behindertenhilfe eine Einrichtung in die roten Zahlen. Und das kann schnell gehen, da das Personal fehlt: Laut einer Studie der Uni Bremen gibt es derzeit 100.000 Pflegekräfte zu wenig - und das bei steigendem Pflegebedarf.
Hinzu kommt, dass die Personalkosten für viele Einrichtungen mit der Tarifbindung im vergangenen Jahr gestiegen sind. Seit September 2022 können Pflegeheime ihre Leistungen mit den Kassen nur noch abrechnen, wenn sie ihr Personal nach Tarif bezahlen. Gleichzeitig können Träger aber nur einmal im Jahr mit den Pflegekassen verhandeln und ihre Kosten anpassen, so Pflegeforscher Kalwitzki. "Die Frage ist, warum die Träger nicht ausreichend Rücklagen gebildet haben, um diese schwierige Situation zu meistern."
1.000 Euro Willkommensbonus und Jobrad
Etwas einfacher haben es gemeinnützige Trägergesellschaften wie das Rote Kreuz in Aachen, da sie längst nicht so hohen Renditen erwirtschaften müssen wie die großen Ketten. "Uns reicht erstmal eine schwarze Null," sagt Heimleiter Nowack. Deswegen wollen sie in Kalterherberg auf 80 Plätze expandieren und neu bauen. Doch auch hier wird es nicht leicht: Die Baukosten steigen derzeit dramatisch an.
Die größte Herausforderung aber ist die Suche nach Personal - gerade auf dem Land wie in der Nordeifel. Sieben Stellen sind im Ursula-Lambertz-Haus unbesetzt. "Wir haben Videos auf Social Media gestellt, Inserate auf Brötchentüten, wir bieten 1.000 Euro Willkommensbonus, ein Jobfahrrad, Altersvorsorge und eine Fitnessclub-Mitgliedschaft. Wir versuchen uns an allen Ecken als Arbeitgeber attraktiver zu machen - und dennoch ist es schwer."
Immerhin: Zwei bis drei neue Mitarbeiter haben sie bereits gewonnen. Damit können sie ab September wieder neue Bewohnerinnen und Bewohner aufnehmen.