Gefahr von Insolvenzen Wenn dem Pflegeheim die Pleite droht
Die Pleite des Pflegeheimbetreibers Convivo sorgte Anfang des Jahres für Aufsehen. Fehlendes Personal und steigende Kosten setzen Heimbetreiber unter Druck. Doch es gibt auch Gründe, für die sie selbst verantwortlich sind.
Die Situation sei katastrophal, warnt Bernd Meurer, Präsident des Bundesverbands privater Anbieter sozialer Dienste und selbst Betreiber mehrerer Pflegeheime. Mehr als zwei Drittel der Mitgliedsbetriebe des Verbandes machten sich angesichts der finanziellen Situation Sorgen um die Existenz ihrer Betriebe. Einer der wesentlichen Gründe sei demnach, dass Pflegeheimbetreiber so gut wie kein Personal mehr fänden.
Leere Zimmer trotz hoher Nachfrage
Fehlendes Personal führe so zu der paradoxen Situation, dass in immer mehr Pflegeheimen Zimmer leer bleiben müssen, obwohl die Nachfrage groß ist. Der Grund ist die vorgeschriebene Untergrenze für das Personal: Die Heime dürfen nur so viele Bewohner aufnehmen, wie sie den Anforderungen entsprechend mit Pflegekräften versorgen können. Fehlt das Personal, müssen Zimmer leer bleiben - Pflegeheime geraten so schnell in finanzielle Schieflage.
Gutes Management und Führung nötig
Viele Pflegeheimbetreiber beklagen den rigiden Verhandlungskurs der Pflege- und Krankenkassen über die Höhe der Pflegesätze. Die Kassen wiederum verweisen auf ihren gesetzlich geregelten Auftrag, die Kosten angemessen zu halten.
Die Margen im Pflegesektor seien tatsächlich eher schmal, so Carsten Brinkmann, Aufsichtsratsvorsitzender von Terranus. Das bundesweit tätige Beratungsunternehmen aus Köln begleitet Investoren und Betreiber im Markt für Sozial- und Gesundheitsimmobilien: "Doch im Gegensatz zu Krankenhäusern ist der Betrieb von Pflegeheimen, in denen Bewohner langfristig versorgt werden, ein sehr stabiles und kontinuierliches Geschäftsfeld, das sich gut berechnen und führen lässt."
Reichen steigende Löhne allein nicht?
Mit dem Grundversorgungsweiterentwicklungsgesetz ist zum 1. September 2022 die Tarifpflicht für die Beschäftigten von Altenheimen und ambulanten Pflegediensten eingeführt worden. Dieses Jahr wird zudem der Mindestlohn zweimal erhöht, der dann ab Dezember 2023 bei 18,25 Euro liegt. Dies bedeute bei einer 40-Stunden-Woche ein Grundentgelt von 3174 Euro monatlich, so eine Berechnung der Gewerkschaft ver.di.
Doch steigende Löhne allein werden das Personalproblem in der Altenpflege nicht lösen, warnt ver.di-Gewerkschaftssekretär Matthias Gruß: "Die Krankenquoten in der Altenpflege sind mit die höchsten im Vergleich zu anderen Branchen. Neben Löhnen müssen in vielen Heimen Arbeitsorganisation und -bedingungen verbessert werden."
Im Schnitt gut 2400 Euro Eigenanteil
Zum 1. Januar 2023 waren nach Daten des Verbands der Ersatzkassen im ersten Jahr im Heim im bundesweiten Schnitt 2411 Euro im Monat selbst zu zahlen, 278 Euro mehr als Anfang 2022. In den Summen ist zum einen der Eigenanteil für die reine Pflege und Betreuung enthalten. Denn die Pflegeversicherung trägt - anders als die Krankenversicherung - nur einen Teil der Kosten. Für Heimbewohner kommen dann noch Kosten für Unterkunft, Verpflegung und auch für Investitionen in den Einrichtungen hinzu.
Profite durch hohe Immobilienkosten
Über diese Immobilienkosten erzielen nach Ansicht von Gruß die Betreiber und Investoren ihre Profite. Denn viele Pflegeheimbetreiber sind nicht Eigentümer der Häuser und Gebäude, sondern nur Mieter. Die Kosten für Pachten und Mieten, die einem Pflegeheim aufgrund der Immobilie entstehen, können wiederum eins zu eins auf die Bewohner umgelegt werden.
Man beobachte vermehrt, dass Immobilien zu überteuerten Preise angepachtet werden, so Gruß. Viele Pflegeunternehmen seien mit Immobilienfirmen verbandelt. "Das eigentliche Geld wird nicht aus dem operativen Pflegebetrieb gezogen, sondern aus den Immobilien."
Gemeinnützigkeit als Ausweg?
Der Gesetzgeber müsse hier eingreifen, fordert Alexander Schraml, Vorsitzender des Bundesverbandes der Kommunalen Senioreneinrichtungen. So sollten private Pflegeheimbetreiber nur dann zugelassen werden, wenn sie gemeinnützig arbeiten: "Die Pflegeheime werden zu einem ganz großen Teil aus Pflichtbeiträgen durch die Pflegeversicherung finanziert. Und es kann nicht sein, dass aus Pflichtbeiträgen Gewinne abgezogen werden, die nicht wiederum den Pflegeheimen zugutekommen."
Auch der Gesundheitsökonom und Pflegeforscher Heinz Rothgang von der Universität Bremen sieht mehrere Stellschrauben, um das System zu reformieren. "Der Weg muss sein, die privaten Träger so zu regulieren, dass sie sich verhalten wie nicht gewinnorientierte Träger", sagt Rothgang.
Druck im Pflegesystem wird zunehmen
Die Zahl der pflegebedürftigen Menschen in Deutschland steigt - und wird weiter steigen. Das Statistische Bundesamt gibt an, dass Ende 2021 fünf Millionen Menschen in Deutschland gepflegt wurden. Bis 2055 werde diese Zahl auf 6,8 Millionen ansteigen, schätzt das Bundesamt. In den kommenden Jahren müssen also mehr und mehr Pflegebedürftige finanziert werden. Dabei ist das Pflegesystem jetzt schon am Limit.