Bund der Steuerzahler Zu viel Steuergeld geht für Bürokratie drauf
Schlamperei, Fehlplanungen und falsche Entscheidungen: Aus Sicht des Bundes der Steuerzahler verschwendet der Staat viele Millionen Euro durch Bürokratie. In seinem neuen Schwarzbuch nennt er zahlreiche Fälle.
Trotz klammer Kassen verschwendet der Staat nach Ansicht des Steuerzahlerbundes weiterhin viele Millionen Euro an Steuergeld. Auch überbordende Bürokratie verursache hohe Kosten, kritisierte der Verein heute bei der Vorlage seines jährlichen Schwarzbuchs in Berlin. "Jahr für Jahr versickern Milliarden Euro Steuergeld durch die wuchernde Bürokratie, mit oft nur fragwürdigem Nutzen oder gar echtem wirtschaftlichen Schaden."
"Mut, Strukturen zu überdenken"
"Wir müssen immer wieder feststellen, dass oft gesunder Menschenverstand durch bürokratische Regeln ersetzt wird", sagte Vereinspräsident Reiner Holznagel. Er forderte die Politik zu einem durchgreifenden Abbau von Bürokratie auf: "Haben Sie den Mut, Strukturen zu überdenken, auf Unsinniges zu verzichten und Bürokratie stetig und dauerhaft abzubauen."
Gegenüber der Nachrichtenagentur dpa betonte Holznagel, dass die seit 2015 geltende "One-in-One-Out"-Regel nicht ausreiche. Diese sieht vor, dass für jede gesetzlich eingeführte Belastung der Wirtschaft spätestens bis zum Ende der Legislaturperiode eine mindestens gleich hohe Entlastung herbeigeführt werden muss. Der Bund der Steuerzahler fordert eine Verschärfung: eine "One-in-Two-Out"-Regel. "Das heißt, wer eine neue bürokratische Regelung schafft, der muss zwei andere abschaffen, damit es endlich weniger wird und die Menschen mehr Freiraum haben", führte Holznagel aus.
100 Fälle in Kommunen, Ländern und Bund
Der Bund der Steuerzahler wurde vor 75 Jahren als Interessenvertretung gegründet, der Verein hat nach eigenen Angaben rund 200.000 Mitglieder. Einmal im Jahr wird bei Bund, Ländern und Kommunen der Finger in die Wunde gelegt, wenn es um die mögliche Verschwendung von Steuergeld bei mutmaßlich überteuerten Vorhaben geht.
Mit 100 Beispielen aus Kommunen sowie der Landes- und Bundesebene beleuchtet der Verein im aktuellen Schwarzbuch zum 52. Mal, wo aus seiner Sicht öffentliche Gelder in den Sand gesetzt werden. In vielen Fällen geht es um Schlamperei und Fehlplanungen bei öffentlichen Bauprojekten, um unnötige Haushaltsausgaben und kostspielige Fehlentscheidungen der Bürokratie.
So musste die Gemeinde Nörvenich in Nordrhein-Westfalen laut Schwarzbuch wegen bürokratischer Vorgaben einen Lärmaktionsplan für 6.000 Euro aufstellen - obwohl hier keine Menschen von Lärm betroffen sind. In Naumburg in Sachsen-Anhalt wurde eine intakte Straße aufgerissen, um sie für 500.000 Euro zu begradigen - doch nach Abschluss der Bauarbeiten war die S-Kurve immer noch eine S-Kurve.
Für die Fährstelle des Dorfs Missunde in Schleswig-Holstein wurde eine vier Millionen Euro teure Solarfähre gebaut. Sie wird aber nicht eingesetzt, weil sie bei Wind nicht sicher anlegen kann.
Deutsche Bahn besonders schlampig
In mehreren Fällen richtet sich die Kritik des Steuerzahlerbunds gegen die Deutsche Bahn. Er kritisiert etwa, dass die Deutsche Bahn für zwei Feierlichkeiten zum Start ihrer neuen Infrastruktur-Tochter InfraGO 1,7 Millionen Euro ausgab. Allein für eine prominent besetzte Feier in Berlin zahlte die Bahn demnach 330.000 Euro - und damit rund 1.100 Euro pro Gast.
Mit rund 60 Millionen Euro schlug laut Steuerzahlerbund der Bau zweier Terminals für den Güterumschlag am Duisburger Binnenhafen durch die Deutsche Bahn zu Buche. Der Probebetrieb begann 2016 - allerdings können die Terminals immer noch nicht genutzt werden, weil eine Straßenanbindung fehlt. "Die Terminals stehen im Wesentlichen nur 'so da'", schreibt der Steuerzahlerbund.
In Hamburg gab die Stadt mehr als zwei Millionen Euro für die Renovierung einer öffentlichen Toilette in der Einkaufsmeile Mönckebergstraße aus. Sie musste allerdings nach rund einem Jahr geschlossen und wieder in den Rohbauzustand zurückversetzt werden. Bei der Renovierung war übersehen worden, die unterirdischen Räume nach außen hin wasserdicht zu machen.
"Gesetzliche Bürokratiebremse" gefordert
Als "verzichtbaren Luxus auf Kosten der Steuerzahler" kritisiert der Steuerzahlerbund, dass das Land Mecklenburg-Vorpommern ein eigenes Landesgestüt für Pferdezucht und Reitsport unterhält. Allein für die Jahre 2020 bis 2025 seien 16,5 Millionen Euro aus Steuermitteln für Zuschüsse, Investitionskosten und sonstige Mittel für das Gestüt Redefin veranschlagt worden - eine starke Belastung für den ohnehin knappen Landeshaushalt.
Der hessische Luftkurort Biedenkopf musste den Sprungturm seines Freibades abreißen, weil dem Becken fünf Zentimeter Tiefe fehlten: Es ist nur 3,45 Meter tief statt der vorgeschriebenen 3,50 Meter. Der Steuerzahlerbund merkt an, dass in den 30 Jahren des Bestehens des Sprungbeckens nie ein Unfall passiert sei - und dass für solche Fälle eine minimale Normabweichung gerechtfertigt wäre. Die Kosten für den Abriss werden auf bis zu 2.000 Euro geschätzt.
Verbandspräsident Holznagel forderte die Einführung einer "gesetzlichen Bürokratiebremse". Zudem müsse die Verwaltung systematisch digitalisiert werden, es müssten Doppelregulierungen abgeschafft werden, und die Verwaltungsprozesse müssten transparenter werden. "Weniger Bürokratie wird nicht nur die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit steigern, sondern auch das Vertrauen der Bürger in den Rechtsstaat und die Demokratie stärken", erklärte Holznagel.