"Bürokratieentlastungsgesetz" Weniger Papierkram - ein bisschen zumindest
Der Bundestag hat das "Bürokratieabbaugesetz" beschlossen. Kürzere Aufbewahrungsfristen und weniger Dokumentationspflichten sollen Firmen entlasten. Die Union stimmte dafür, spart aber auch nicht an Kritik.
Christoph Ahlhaus versucht es mit einem Bild: Wer den Mount Everest besteigen wolle, habe sein Ziel wohl kaum erreicht, wenn er mit dem Fuß auf einem Maulwurfshügel stehe. Soll bedeuten: Das "Bürokratieentlastungsgesetz" der Bundesregierung gehe in die richtige Richtung - reiche aber längst nicht aus.
Ahlhaus war früher mal Erster Bürgermeister von Hamburg, heute ist er der Geschäftsführer des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft. Die Nöte von Unternehmen beschreibt er so: Jegliche Daten, "die man erheben und speichern, sortieren muss", bedeuteten Aufwand. Jede Verkürzung der Aufbewahrungsfrist bedeute eine Entlastung. "Aber auch das ist nicht der Durchbruch", betonte Ahlhaus.
Verpflichtende Aufbewahrung wird verkürzt
Einen Streitpunkt des heute beschlossenen Gesetzes hat Ahlhaus damit direkt genannt. Künftig müssen Unternehmen in Deutschland zum Beispiel Kontoauszüge oder Rechnungen für das Finanzamt nur noch acht statt bislang zehn Jahre aufbewahren. Laut Regierung spart allein das der Wirtschaft Hunderte Millionen Euro, weil sie weniger Kosten für Miete oder Speicherplatz zahlen muss.
Andere - unter ihnen der Verein "Finanzwende" - sehen dagegen ein Einfallstor für Steuerbetrug. Täter dürften nun quasi legal Beweismittel früher vernichten, so die lautstarke Kritik.
Luftpostbrief statt Entlastungspaket
Bauchschmerzen damit hat auch die Union. Dem Gesetz hat sie, gemeinsam mit der Ampelkoalition, dennoch zugestimmt. Der Abgeordnete Günter Krings macht aber klar: "Was als Entlastungspaket angekündigt wurde, ist eigentlich nicht mal mehr Päckchen. Das ist vielleicht noch ein dünner Luftpostbrief."
Kein Wunder, dass die Ampelfraktionen das anders sehen. FDP-Politiker Johannes Vogel beschreibt es so: "Wir fahren in Deutschland damit jetzt von der Bürokratie-Aufbau-Autobahn ab und in der Gegenrichtung auf die Bürokratie-Abbau-Autobahn auf." Vogel betont, Innovation in Deutschland könne nur dann entstehen, wenn Unternehmer sich um die Kundschaft kümmern könnten, statt Belege abzuheften.
Drei Millionen Arbeitsstunden für Meldescheine
Weniger Papierkram haben künftig auch die Hotels in Deutschland. Sie müssen von deutschen Staatsangehörigen künftig keinen Meldeschein mehr ausfüllen lassen. Bislang sei das eine reine Sisyphos-Arbeit, sagt die SPD-Abgeordnete Lena Werner. "In Zahlen sind das drei Millionen Arbeitsstunden und 62 Millionen Euro Kosten pro Jahr. Und das in einer Branche, die mit am meisten mit dem Fach- und Arbeitskräftemangel zu kämpfen hat", rechnet die ausgebildete Hotelfachfrau vor.
Mit dem Gesetz soll der Schein für deutsche Staatsangehörige ab kommendem Jahr wegfallen. Auch hier hätten sich manche mehr gewünscht, unter ihnen der Hotelverband Deutschland. Mit Blick auf die überbordende Bürokratie in Deutschland räumt auch Wirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen ein:
Reicht das? Nein! Das tut es nicht. Die peinlichen, fast zynischen und kaum zu ertragenden Anekdoten aus Handwerk, Mittelstand und Unternehmen, was sie alles an Sachen machen müssen, sind manchmal nur mit Humor zu ertragen und manchmal bleibt einem auch das Lachen im Hals stecken.
"Riesiger Bürokratieaufwand mit wenig Nutzen"
So geht es auch manch einem Mittelständler in Deutschland. Ahlhaus vom Bundesverband mittelständischer Unternehmen nennt als Beispiel das Lieferkettengesetz. Es regelt, dass Unternehmer bei globalen Lieferketten auf die Einhaltung von Menschenrechten zu achten haben. Ein "riesiger Bürokratieaufwand mit wenig Nutzen", mahnt Ahlhaus: "Berichte müssen geschrieben werden, es sind Kontrollpflichten auferlegt worden, die von vielen mittelständischen Unternehmen überhaupt nicht erfüllt werden können mit vertretbarem Aufwand." Das habe zur Folge, dass Unternehmen sich aus manchen internationalen Geschäftsbeziehungen zurückziehen würden, "weil die Aufgaben einfach nicht erledigt werden können".
Nicht nur hier sei aber auch die EU gefragt, argumentieren sowohl Ahlhaus als auch die Bundesregierung. Der Vertreter des Mittelstands in Deutschland verlangt: "Auch da muss die Axt an das Bürokratiemonster gelegt werden. Im Moment sehen wir aber leider das Gegenteil."