Händler an der New Yorker Börse
marktbericht

Wall Street stagniert Ruhe nach dem Sturm

Stand: 21.06.2024 22:18 Uhr

Nach einer bemerkenswerten Rekordwoche war zum Wochenschluss die Luft raus an der Wall Street. Robuste Konjunkturdaten dämpften zudem die Zinshoffnungen. Auch der DAX riss heute keine Bäume mehr aus.

Nach einer beispiellosen Tech-Rally mit neuen Höchstständen und vor dem Hintergrund einer weiter unklaren Zinspolitik der Notenbank Federal Reserve (Fed) haben sich die US-Anleger heute nicht mehr weiter aus dem Fenster gelehnt. Die großen Aktienindizes bewegten sich die meiste Zeit um ihre Schlusskurse.

Der US-Standardwerteindex Dow Jones stagnierte bei 39.150 Punkten und verzeichnete einen Wochengewinn von 1,7 Prozent. Der breit gefasste S&P 500, der technologielastige Nasdaq sowie der Auswahlindex Nasdaq 100, die zuletzt von Rekordhoch zu Rekordhoch geeilt waren, bröckelten dagegen zwischen 0,15 und rund 0,25 leicht Prozent ab.

"Die größten Unternehmen im S&P 500 sind exzellent, sehr profitabel und wachsen schnell, sind aber ein bisschen teuer", sagte Chris Zaccarelli, Chef-Anleger des Investment-Beraters Independent Advisor Alliance. "Es wäre daher nicht überraschend, wenn der Markt eine Verschnaufpause einlegt und sich kurzfristig etwas abkühlt."

Unter den Einzelwerten setzte die Aktie von KI-Platzhirsch Nvidia ihre gestern begonnene Korrektur fort und verlor am Ende 3,2 Prozent auf 126,57 Dollar. Nach der rund 160-prozentigen Kursrally der vergangenen Monate machten einige Anleger Kasse. Aus diesem Grund musste der Chip-Hersteller seinen erst kürzlich eroberten Platz als weltweit wertvollster Börsenwert wieder an Microsoft abtreten.

US-Staatsanleihen tendierten uneinheitlich. Leichte Kursgewinne am Geldmarkt und bei den kurzen Laufzeiten standen moderate Verluste der längeren Laufzeiten gegenüber. Die Rendite zehnjähriger Staatspapiere lag am Ende bei 4,25 Prozent.

Gegenwind für Aktien gab es von Konjunkturdaten. Eine an den Finanzmärkten stark beachtete Umfrage unter Einkäufern in Unternehmen förderte im Juni eine optimistischere Stimmung zutage als von Experten erwartet. Das könnte tendenziell gegen Zinssenkungen durch die US-Notenbank Fed sprechen - und die Aktienbörsen im Zaum halten.

Seit Monaten spekulieren Börsianer darüber, ob und wann die US-Notenbank die Zinsen senken wird. Nach den starken Einkaufsmanagerindizes sei ein solcher Schritt im Juli ausgeschlossen, sagte Matt Weller, Chef-Anlagestratege des Brokerhauses StoneX.

Konkret legte der S&P-Global-Einkaufsmanagerindex im Juni um 0,1 Punkte auf 54,6 Zähler zu, wie der Finanzdienstleister am Nachmittag zu seiner monatlichen Unternehmensumfrage mitteilte. Dies ist der höchste Wert seit April 2022. Die Wachstumsschwelle bei diesem an den Finanzmärkten stark beachteten Konjunkturbarometer liegt bei 50 Punkten.

Im Servicesektor wurde das ohnehin schon hohe Wachstumstempo nochmals gesteigert. Auch der Industriebereich wuchs demnach im Juni schneller als im Mai. Laut S&P Global bildet die Einkaufsmanagerumfrage frühzeitig die konjunkturelle Lage in der Privatwirtschaft ab, indem sie die Entwicklung bei Umsätzen, Beschäftigung, Lagern und Preisen widerspiegelt.

Der Absatz bestehender Eigenheime hat sich im Mai in den USA hingegen abgeschwächt, allerdings nicht so stark wie erwartet. Er sank um 0,7 Prozent zum Vormonat auf eine Jahresrate von 4,11 Millionen, wie der Immobilienmakler-Verband NAR bekanntgab. Befragte Ökonomen hatten sogar mit einem Rückgang auf 4,10 Millionen gerechnet, nach 4,14 Millionen im April. Der Preis für Häuser aus dem Bestand stieg im Mai im Mittel um 5,8 Prozent zum Vorjahresmonat auf 419.300 Dollar.

Die neuen Daten zeigen, dass für die Notenbank weiter keine Eile besteht, die Zinsen zu senken. Trotz des hohen Zinsniveaus präsentiert sich die US-Wirtschaft weiter sehr in sehr robustem Zustand. Notenbanker hatten zuletzt des Öfteren schnellen Zinssenkungen eine Absage erteilt und dies mit der immer noch zu hohen Inflation begründet.

Der deutsche Aktienmarkt hat zum Wochenschluss nicht an die Gewinne des Vortrages angeknüpft und mit Verlusten geschlossen. Der DAX gab ein halbes Prozent nach auf 18.163 Punkte. Insgesamt stabilisierte sich der Leitindex aber mit einem Wochenplus von 0,9 Prozent, nachdem es in der Vorwoche nach dem Schock infolge der Ergebnisse der Europawahl noch rund 3,7 Prozent bergab gegangen war. Gestern hatte der DAX ein Prozent auf 18.254 Punkte zugelegt.

Stärker fielen allerdings die Verluste des export- und industrielastigen MDAX aus, der die mittelgroßen Werte enthält. Der Index verlor 1,63 Prozent und schloss bei 25.296 Punkten. Der Index bildet im Gegensatz zu den meist global aufgestellten DAX-Unternehmen mehr die heimische Wirtschaft mit ihren Interessen ab.

Gerade die MDAX-Schwäche zeigt: Anlegerinnen und Anleger bleiben vorsichtig angesichts der Unsicherheit, die sowohl politisch als auch geldpolitisch vorherrscht. Vom großen Verfalltermin an den Terminbörsen gingen an diesem Tag wenig Impulse aus.

"Die in dieser Woche vermeintlich gestiegene Risikobereitschaft hat eher technische Ursachen, als dass fundamentale Verbesserungen dafür verantwortlich sind", sagte der Analyst Pierre Veyret vom Broker Activtrades.

Es habe zum Beispiel Eindeckungen durch Spekulanten gegeben, die auf fallende Kurse gesetzt hätten. Er glaubt, dass die Volatilität an den Börsen hoch bleiben wird, solange die Anleger nicht mehr Klarheit haben über die künftige politische Situation in Frankreich.

Weiterhin ein ganz wichtiges Thema bleibt die Situation in Frankreich, der zweitgrößten Volkswirtschaft in der EU und einem der größten Handelspartner Deutschlands. "Die europäischen Märkte sind im Vorfeld der französischen Wahlen Ende des Monats weiterhin relativ volatil, schreibt Mark Dowding, CIO bei RBC BlueBay. "Wir gehen davon aus, dass die Unsicherheiten bis zur Abstimmung hoch bleiben könnten, da viele ausländische Anleger in den USA oder Japan die jüngsten politischen Ereignisse noch nicht verdaut haben."

Update Wirtschaft vom 21.06.2024

Melanie Böff, HR, Update Wirtschaft, 21.06.2024 09:00 Uhr

Der französische Rentenmarkt hat sich nach dem Schock der Europawahl allerdings wieder etwas beruhigt. Zehnjährige Staatsanleihen rentierten am Freitag bei 3,16 Prozent. Wegen der im Vergleich zu Deutschland deutlich höheren Verschuldung des Landes von rund 100 Prozent, gemessen zum BIP, verlangen die Investoren aber eine Risikoprämie. Zum Vergleich: Zehnjährige Bundesanleihen rentierten heute bei 2,40 Prozent.

Die Ratingagentur Moody's hatte nach der EU-Wahl vor höheren Schulden gewarnt. S&P und Fitch bewerten die Schulden Frankreichs mit AA-, eine Stufe höher bei Aa2 bewertet derzeit Moody's mit positivem Ausblick. Dieses Rating könnte gefährdet sein. Deutschlands Bonitätsbenotung ist im Vergleich mit AAA die beste im Ranking der Agenturen.

Die Bonität von Staaten hat das Zeug, die Kapitalmärkte kräftig durchzuschütteln, wie die Eurokrise um Griechenland 2011/2012 gezeigt hat. Genau davor haben die Investoren allergrößten Respekt. "Die Angst, dass Frankreich je nach Wahlausgang künftig weniger schuldenbewusst und EU-konform agiert, könnte die Finanzmärkte weiterhin spürbar belasten", kommentiert Robert Greil, Chefstratege von Merck Finck.

Nachdem sich die europäischen Konjunkturdaten zuletzt etwas besser ausgefallen waren, gab es heute schwächere Stimmungsindikatoren für die Eurozone, die am Markt für viel Aufmerksamkeit sorgten.

Konkret fiel der Einkaufsmanagerindex des Finanzdienstleisters S&P Global überraschend um 1,4 Zähler auf 50,8 Punkte. Dies ist der tiefste Wert seit März. Das Barometer, bei dem Einkaufsmanager von Firmen nach ihrer Einschätzung der Geschäftsbedingungen gefragt werden und das als frühester Indikator für die Wirtschaftsentwicklung gilt, zeigt bei Werten über 50 ein Wachstum an.

Vor den S&P-Stimmungsdaten waren bereits frische Außenhandelsdaten aus Deutschland vermeldet worden. Die Exporte nach China sind im Mai eingebrochen. Sie fielen um 14,0 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat auf 7,5 Milliarden Euro, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Die Ausfuhren in die Vereinigten Staaten wuchsen dagegen deutlich: Sie legten um 4,1 Prozent auf 13,0 Milliarden Euro zu. Die USA blieben damit der wichtigste Abnehmer von Waren "Made in Germany".

Der Euro fiel nach den schwachen Konjunkturdaten aus der Eurozone unter 1,07 Dollar. Zuletzt wurden im US-Handel 1,0692 Dollar bezahlt. Am Morgen hatte die Gemeinschaftswährung noch über der runden Marke notiert. Die Europäische Zentralbank setzte den Referenzkurs auf 1,0688 (Donnerstag: 1,0719) US-Dollar fest.

Der von S&P Global ermittelte Einkaufsmanagerindex fiel unerwartet, was den Euro belastete. Der jüngste Aufwärtstrend wurde damit unterbrochen. In der Industrie und im Dienstleistungssektor trübte sich die Stimmung ein.

"Die Zahlen für Juni bestärken uns in der Ansicht, dass die wirtschaftliche Erholung im Euroraum in diesem Jahr nicht so stark ausfällt wie von der Mehrheit der Volkswirte und der EZB erwartet", kommentierte Commerzbank-Experte Vincent Stamer. "Das stützt unsere Prognose, dass die EZB die Leitzinsen im September erneut senken wird."

Mercedes-Benz hat eine Großkreditlinie mit internationalen Banken im Volumen von elf Milliarden Euro mit einer Laufzeit von fünf Jahren und zwei Verlängerungsoptionen erneuert. Die Kreditlinie solle dazu beitragen, die finanziellen Spielräume bis mindestens 2029 zu unterstützen, teilte der Automobilkonzern mit. "In einem durch hohe Zinssätze geprägtem Umfeld konnte Mercedes-Benz günstige Konditionen verhandeln," so der Konzern. Die Transaktion sei deutlich überzeichnet gewesen. Koordinatoren seien die Bank of America, BNP Paribas, die Deutsche Bank und die MUFG.

Die Rüstungsfirma Rheinmetall hat ihren bislang größten Auftrag gemeldet. Die Bundeswehr hat Munition im Wert von bis zu 8,5 Milliarden Euro bestellt. Der Konzern rechnet wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine und der Aufrüstung der NATO-Staaten mit dauerhaft steigenden Umsätzen und Gewinnen.

Der BASF-Konzern sieht das Abschalten mehrerer Anlagen im Stammwerk Ludwigshafen als Zeichen tiefgreifender Veränderungen in der heimischen Chemieindustrie.

"Die chemische Industrie hat in Deutschland innerhalb von zwei Jahren rund 23 Prozent ihrer Produktionsmenge verloren", sagte eine Firmensprecherin des DAX-Konzerns der Deutschen Presse-Agentur. "Das hat nur zum Teil konjunkturelle Gründe, sondern auch strukturelle." Auch die Industrielandschaft insgesamt werde sich weiter verändern. "Von einer drohenden Deindustrialisierung Deutschlands zu sprechen, wäre übertrieben."

Wegen einer weiteren Eintrübung im Energiespeichermarkt senkt der angeschlagene Batteriehersteller Varta seine Umsatzprognose für 2024. Das Unternehmen geht nur noch von einem Umsatz von 820 Millionen Euro bis 870 Millionen Euro aus. Zuvor hatte Varta mindestens 900 Millionen Euro in Aussicht gestellt. Grund sei eine weitere deutliche Verschlechterung des Marktumfeldes für Energiespeicher, insbesondere im zweiten Quartal des laufenden Jahres, teilte das Unternehmen weiter mit.

Oracle hat eine Investition von mehr als eine Milliarde Dollar in Künstliche Intelligenz (KI) und Cloud-Computing in Spanien angekündigt. Als Zeitraum nannte der SAP-Konkurrent die kommenden zehn Jahre. Damit regiere man auf die steigende Nachfrage nach seinen entsprechenden Diensten. Das Projekt werde in Zusammenarbeit mit Telefónica España angegangen, hieß es weiter. Der spanische Minister für digitale Transformation, José Luis Escrivá, erklärte, damit könnten die Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen des Landes den Einsatz von KI vorantreiben.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 21. Juni 2024 um 09:00 Uhr.