Abgase kommen aus dem Auspuff eines Autos
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Lösung im Streit um E-Fuels Verbrenner-Einigung inklusive Plan B

Stand: 25.03.2023 14:55 Uhr

EU-Kommission und Verkehrsministerium haben sich geeinigt, wie Verbrenner-Pkw dank E-Fuels eine Zukunft haben können. Wie das funktionieren soll, zeigt die Erklärung, die dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegt.

Von Christian Feld und Martin Schmidt, ARD Berlin

Bis zuletzt wurden die Formulierungen unter die Lupe genommen. Verkehrsminister Volker Wissing hatte zwar gestern Nachmittag bereits zu einem Statement eingeladen, den finalen Durchbruch konnte er dabei jedoch noch nicht vermelden. Bis zum späten Abend dauerte die juristische Prüfung.

Am Morgen danach steigt bei Twitter weißer Rauch auf. Frans Timmermans, Vizepräsident der EU-Kommission spricht von einer Einigung mit Deutschland.

Der FDP-Verkehrsminister schreibt: "Damit ist der Weg frei, dass Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor, die ausschließlich CO2-neutrale Kraftstoffe tanken, auch nach 2035 neu zugelassen werden können."

Beide Seiten haben sich auf eine Erklärung der EU-Kommission geeinigt, die dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegt. 

Wissing hatte kürzlich einer längst ausverhandelten Neuregelung der Pkw-Grenzwerte die finale Zustimmung verweigert, weil die EU-Kommission auch nach Monaten noch keinen konkreten Vorschlag für eine E-Fuels-Ausnahme gemacht habe. Das hatte die EU-Kommission auf Drängen der FDP angekündigt.

Verbindliche Zukunft von E-Fuels-Verbrennern nach 2035

In Berlin und bei der EU-Kommission gingen allerdings die Sichtweisen auseinander, wie verbindlich dieser Prüfauftrag eigentlich war. Der Bundesregierung folgten im vorläufigen Nein weitere Mitgliedsstaaten unter anderem Italien, Polen, Tschechien oder Österreich. 

Eine verbindliche Zukunft von E-Fuels-Verbrennern nach 2035 - mit der jetzt ausgehandelten Erklärung der EU-Kommission scheint Verkehrsminister Wissing dieses Ziel für sich erreicht zu sehen.

So soll das weitere Vorgehen aussehen: "Unmittelbar" nach Annahme des Gesetzes, das aktuell blockiert ist, will die EU-Kommission die Einführung einer neuen Fahrzeugkategorie in die Wege leiten. Dadurch soll ein "belastbares und umgehungssicheres" Genehmigungsverfahren für Fahrzeuge, die ausschließlich mit synthetischen Kraftstoffen betankt werden, eingerichtet werden.

Hier war zuvor bereits die Rede davon, dass die Hersteller technisch sicherstellen müssen: Ein solches Fahrzeug kann nicht gestartet werden, wenn doch Benzin oder Diesel getankt wurde.   

Kommt der Europäische Gerichtshof ins Spiel?

Außerdem soll die EU-Kommission "ohne Verzögerung" im Herbst 2023 einen Vorschlag machen, wie reine E-Fuels Fahrzeuge zu den CO2-Reduktionszielen beitragen würden. Wie genau? Hier geht es in die Feinheiten der EU-Gesetzgebung. Die EU-Kommission soll einen sogenannten Delegierten Rechtsakt vorschlagen. Das ist ein juristischer Text, der eine Regelung ändert oder ergänzt.

Der eigentliche Text zum Verbrenner-Verbot müsste dann nicht neu aufgeschnürt werden. Allerdings haben EU-Parlament und Mitgliedsstaaten die Chance, dem Rechtsakt am Ende zu widersprechen. Im Parlament müsste sich eine Mehrheit der Abgeordneten dagegen aussprechen.  

Schon jetzt gibt es im Europäischen Parlament Bedenken, ob die Kommission zu diesem Zweck überhaupt einen Delegierten Rechtsakt erlassen darf, ob sie hier ihre Kompetenzen überschreitet. Möglich ist also, dass das Ganze vor dem Europäischen Gerichtshof überprüft wird.

Keine hundertprozentige Rechtsverbindlichkeit

Für den Fall, dass das EU-Parlament oder der Rat der Mitgliedsstaaten den Vorschlag zurückweisen, ist in der verabredeten Erklärung der Kommission auch schon der nächste Schritt skizziert: Die Brüsseler Behörde wird dann einen "anderen Rechtsweg" einschlagen. Genannt wird als Option eine Überarbeitung der CO2-Flottengrenzwerte. Das steht der Kommission zu, würde aber ein neues Gesetzgebungsverfahren nach sich ziehen. 

Unter dem Strich: Eine Rechtsverbindlichkeit von 100 Prozent kann es nicht geben. Dem Verkehrsminister scheint die jetzt gefundene Einigung jedoch zu reichen. Alle Beteiligten dürften hoffen, dass zumindest für den Moment Ruhe einkehrt in den Streit um das Verbrenner-Aus. Am Dienstag könnten die EU-Energieminister das endgültige grüne Licht für das Gesetz geben, das ein wichtiger Teil des EU-Klimapakets "Fit for 55" ist. 

Beim EU-Gipfel hatte sich gezeigt: Die Bundesregierung hat Mitstreiter für die "Technologie-Offenheit". Es war jedoch auch offene Kritik zu hören: Das deutsche Vorgehen könne die Spielregeln der Kompromissfindung in der EU beschädigen. Der lettische Ministerpräsident Krisjanis Karins sprach von einem "sehr, sehr schwierigen Zeichen für die Zukunft". 

Haben E-Fuels im Verbrenner-Streit eine Zukunft?

Nadine Bader, ARD Berlin, tagesthemen, tagesthemen, 25.03.2023 23:25 Uhr

 

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 25. März 2023 um 15:00 Uhr.