Reaktionen auf Verbrenner-Deal "Blamage" oder "gute Lösung"?
Kanzler Scholz hat die Einigung im Streit um das Verbrenner-Aus begrüßt. Es sei sinnvoll, alle technischen Möglichkeiten offenzuhalten. Greenpeace und die Grünen im EU-Parlament übten dagegen scharfe Kritik an Verkehrsminister Wissing.
Wochenlang wurde um die Zukunft von Autos mit Verbrennungsmotor gerungen, seit gestern Abend gibt es zwischen Bundesregierung und EU-Kommission eine Einigung.
Bundeskanzler Olaf Scholz begrüßte den Kompromiss. Bei einer Bürgerveranstaltung in Potsdam sagte er, niemand wisse, wie viel synthetischer Kraftstoff in gut einem Jahrzehnt tatsächlich zur Verfügung stehe. Deswegen sei es heute sinnvoll, alle technischen Möglichkeiten offenzuhalten.
Wissing: Deutschland baut die besten Verbrenner der Welt
Auch Bundesverkehrsminister Wissing sprach im bayerischen Landau von einer "guten Lösung". Deutschland baue die besten Verbrennungsmotoren der Welt, deswegen sei es fahrlässig, die Weiterentwicklung dieser Technik jetzt zu beenden.
Durch den weltweiten Bedarf an klimaneutralem Treibstoff werde auch das Angebot zunehmen. Jedes heute zugelassene Auto durch ein Elektrofahrzeug zu ersetzen, werde kaum möglich sein, sagte der Bundesverkehrsminister.
"Es ist gut, dass diese Hängepartie ein Ende hat", sagte Bundesumweltministerin Steffi Lemke von den Grünen. "Alles andere hätte sowohl das Vertrauen in die europäischen Verfahren wie auch in die europapolitische Verlässlichkeit Deutschlands schwer beschädigt."
E-Fuels sind selten und teuer
Gestern hatten sich Bundesregierung und EU-Kommission darauf verständigt, dass Neuwagen mit Verbrennungsmotoren auch nach 2035 zugelassen werden, wenn sie mit klimaneutralem Kraftstoff betankt werden.
Laut Wissing wurden konkrete Verfahrensschritte und ein konkreter Zeitplan verbindlich fixiert. "Wir wollen, dass der Prozess bis Herbst 2024 abgeschlossen ist." Mit der Einigung sei auch ein wichtiger Punkt aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt worden.
Solche sogenannten E-Fuels sind heute allerdings noch sehr selten und teuer. Fachleute bezweifeln, dass es bis zum Stichdatum 2035 genügend E-Fuels für die Luftfahrt, für Schiffe und auch für den Individualverkehr weltweit gibt.
Grüne: "Wissing hat die Bundesregierung blamiert"
Die Europaparlamentarier der Grünen begrüßen einerseits, dass die Hängepartie nun endlich beendet sei. "Wir werden den Vorschlag rechtlich und politisch sehr genau prüfen", kündigte der Sprecher der deutschen Grünen im Europaparlament, Rasmus Andresen, an.
Mit Blick auf den Verkehrsminister sagte er: "Wissing hat die Bundesregierung blamiert. Es ist unfassbar, dass Bundeskanzler Scholz dieses Chaos über Wochen gedeckt hat." Auch nach Ansicht der Vorsitzenden der Grünen-Fraktion im EU-Parlament, Terry Reintke, hat die Blockade großen Schaden angerichtet. Ähnlich äußerte sich auch der Grünen-Europaabgeordnete Michael Bloss, wie das Redaktionsnetzwerk Deutschland berichtete.
Greenpeace: Kompromiss untergräbt Klimaschutz
Greenpeace kritisierte die Einigung zwischen Bundesregierung und EU-Kommission scharf. "Dieser faule Kompromiss untergräbt Klimaschutz im Verkehr, und er schadet Europa", sagte der Mobilitätsexperte der Umweltorganisation, Benjamin Stephan. Die "dringend nötige Ausrichtung der Autobranche auf effiziente Elektromobilität" werde mit der Einigung verwässert.
Stephan warf dem Kanzler vor, die "rücksichtslose Erpressung der EU" durch die FDP nicht gestoppt zu haben. "Nach diesem enttäuschenden Ergebnis ist umso klarer, dass Scholz die FDP beim morgigen Koalitionsausschuss zu wirksamen Maßnahmen beim Klimaschutz im Verkehr bewegen muss", sagte er. "Statt das Land mit weiteren klimaschädlichen Autobahnen zu durchziehen, sollte die Bundesregierung sich jetzt voll und ganz auf den Ausbau der Bahn konzentrieren."
Am Sonntag beschäftigen sich Scholz und die Spitzen der Regierungsparteien SPD, Grüne und FDP in einer Sitzung des Koalitionsausschusses mit weiteren für den Kampf gegen den Klimawandel relevanten Themen. Dazu zählen der Ausbau von Autobahnen und Bahntrassen sowie das geplante Aus von Öl- und Gasheizungen.
VDA: Brauchen alle Technologien um Klimaziele zu erreichen
Im Gegensatz zu Greenpeace sieht die Präsidentin des deutschen Verbands der Automobilindustrie, Hildegard Müller, in der Einigung zwischen Bundesregierung und EU-Kommission auch ein positives Signal für den Klimaschutz. "Wir brauchen alle klimafreundlichen Technologien, um die EU-Klimaziele zu erreichen", sagte sie. Es sei daher im Sinne des Klimas, dass Berlin und Brüssel nun offensichtlich eine Einigung - mit entsprechendem Zeitplan - gefunden hätten.
E-Mobilität bleibe die zentrale Technologie, um die Klimaziele im Verkehr zu erreichen. E-Fuels - also künstlich hergestellte, klimaneutrale Kraftstoffe - seien jedoch eine wichtige Erweiterung. Müller betonte aber auch: "Die finalen Details der Einigung sind noch zu bewerten."